Spiegels Hähne & Obamas Arbeit

Die Gebrauchtwoche

TV

22. – 28. Mai

Es ist ja im Grunde gut, wenn alte Medien nochmals die neuen erhitzen. Der Spiegel, den es – Ältere erinnern sich – noch immer in nennenswerter Zahl auf Papier gibt, trennt sich vom Chefredakteur, und selbst online wird auch deshalb darüber berichtet, weil Steffen Klusmann das frühere Flaggschiff der Demokratie gewinnbringend durch den populistischen Sturm unserer Tage gesteuert hatte.

Abseits der Ursachen, die viel mit Machtkämpfen und wenig mit Führungsstärke zu tun haben, bleibt also zweierlei vom geplanten Überraschungsflug übrig: In Dirk Kurbjuweit wird das Blatt erstens wieder von einem maximal analogen Print-Fossil geleitet, das zweitens kein weiblich gelesener Journalist ist. Und so bleibt es bei 17 Männern seit 1947 – auch wenn die vierköpfige Chefredaktion des 61-Jährigen mit Melanie Amann eine Frau enthält.

In der ARD hingegen denkt man da ein wenig zeitgemäßer und ersetzt die scheidende Talk-Moderatorin Anne Will durch ihre Kollegin Caren Miosga, was der Fernsehstreitkultur definitiv besser tut als Markus Lanz. Seine Idee, zur Debatte über den Klimaschutz den energiepolitischen AfD-Sprecher Steffen Kotré einzuladen, war ja durchaus mutig, artete aber in einem völlig willkürlichen Redezeitmanagement aus, das der fachlich inkompetente, aber dramaturgisch besonnene Rechtsextremist zu seinem Vorteil nutzen konnte.

Das wäre womöglich auch Ron DeSantis gelungen – hätte er seinen Wahlkampfauftakt nicht ausgerechnet bei Twitter gestartet. Bis zu Elon Musks Übernahme ein funktionsfähiger Mikroblogging-Dienst, hat ihn sein Besitzer in kürzester Zeit so heruntergewirtschaftet, dass der rechtsextreme Präsidentschaftsbewerber kaum zu hören war, sofern die Übertragung denn überhaupt mal funktionierte.

Und so durfte Donald Trump dabei zusehen, wie sich sein Mitbewerber fast 60 Jahre nach dem Mord an John F. Kennedy quasi selbst erledigte. Genau 60 Jahre wird Samstag das aktuelle sportstudio im ZDF. Und es ist zwar nur noch für jene interessant, die schon bei der Erstausgabe schulpflichtig waren, aber immerhin fußballbegeisterter als der Streamingdienst Sky, der Borussia Dortmund ein Public Viewing vorm Stadion untersagte, um mehr Zugriffe beim irrwitzigen Bundesliga-Finale zu erzielen.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

22. – 28. Mai

Am Samstag nun wird auf gleichem Kanal das DFB-Pokalfinale übertragen, was allerdings außerhalb Leipzigs und Hessen kaum jemanden interessiert. Und damit zum Rest eines Fernseh- oder Streaming-Angebots, das leicht unterm Radar des Massengeschmacks funkt, weshalb es kaum Fiktionales anzupreisen gibt. Am – buchstäblich – bemerkenswertesten wäre da noch die Netflix-Doku Arbeit: Was wir den ganzen Tag machen.

Als Doku über Werktätige in den USA gedacht, bietet sie vor allem dem Gastgeber ein Podium zur Selbstdarstellung. Offiziell steigt Barack Obama drei Teile in ökonomische Maschinenräume. Am Ende aber geht es nur um den Ex-Präsidenten und seinen Kontostand, den Netflix weiter hebt. Dafür porträtiert die Arte-Mediathek morgen einen Mann, den vermutlich fast niemand kennt: Adolf Kanter.

Was für ein scheußlicher Name, dessen Story (Buch & Regie: Claus Räfle) als Teil einer deutsch-deutschen Spionagestory im Licht der Flick-Affäre aber hochinteressant ist. Zwei Tage später zeigt die ARD-Mediathek den Vierteiler Frontman, der Rockopas wie Ozzy Osbourne oder David Lee Roth je 90 Minuten widmet. Ungleich jünger sind die Protagonist:innen der dreiteiligen Doku Dirty Little Secrets, in denen der BR an gleicher Stelle das turbokapitalistische Ausbeutungssystem Spotify analysiert.

Mittig zwischen Sach- und Spielfilm befinden sich das Arte-Dokudrama Die rote Fini mit Adele Neuhauser als Wiener Polit-Ikone (Donnerstag, Mediathek) und das Browser Ballett (Mittwoch, ZDF-Mediathek) auf längerer Strecke. Am Ende daher drei Fiktionen: Die japanische Endzeitserie The Days (Donnerstag, Netflix), die österreichische Mysterykrimi-Serie Der Schatten (Freitag) und die sechsteilige Dating-Persiflage Einsame Herzen mit dem Youtuber Freshtorge (Sonntag, beides ZDF-Mediathek).



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