Bipolar Feminin, bar italia, Isolée

Bipolar Feminin

Ein bisschen wohlfeil ist es schon, nahezu alles abzufeiern, was musikalisch aktuell aus Österreich nach Deutschland schwappt, aber um mit dem Opener des neuesten Partygrundes Bipolar Feminin zu sprechen: “Es ist wie es ist wie es war”, also abermals mit fantastisch noch zwei, drei Nummern zu klein beschrieben. Denn wenn mittlerweile sogar leicht schweiniger Noisepop über den Umweg des Herzens ins Hirn vordringt wie eine Axt durch Butter, könnte es auch an der Herkunft Wien liegen.

Zunächst aber liegt es an Leni Ulrich. Deren Gesang erinnert zwar an Rockröhren genannte Siebzigerstimmen wie Joy Fielding. Wenn sie zu Jakob Brejchas Gitarrengetöse wiederholt “Willkommen am Boden” singt, der Überflussgesellschaft in Attraktive Produkte reibeisenruppig den Kampf ansagt oder dem Tocotronic-Drummer Herr Arne Zank ihren Respekt als Inspirationsquelle erweisen, ist Bipolar Feminins Debütalbum dennoch das Beste was uns dieser Tage von irgendwo her erreicht, hier halt: Austria.

Bipolar Feminin – Ein fragiles System (Buback Tonträger)

bar italia

Kleines Ratespiel: woher mögen wohl bar italia kommen? Italien wäre jetzt natürlich zu einfach. Der Name des Debütalbums Tracey Denim gibt auch keinerlei Auskunft darüber. Und wer die Namen des Trios Nina Cristante, Jezmi Tarik Fehmi und Sam Fenton hört, kriegt auch keinerlei Hinweise auf ihre Wurzeln. Der Sound allerdings ist, wenn schon nicht in Österreich, dann hörbar in London zuhause, wo er sich aus Melting Pots und Pop-Traditionen bestens erklären lässt.

Atmosphärisch eine Emulsion der The-Bands Notwist, XX oder Velvet Underground, erkundet dieser Postpunk das Abseits analoger Musik mit psychedelischer Methodik von versteckter Schönheit. Akustisch verschachtelt, windschief gesungen, textlich voller Rätsel, macht Tracey Denim zwar nicht ständig Laune, animiert aber in jedem der 15 meist einsilbig betitelten Tracks zum Entschlüsseln dieser plöddernden Pop-Rätsel. Sie klingen dabei nach vielem, nur keiner italienischen Bar. Zum Glück.

bar italia – Tracey Denim (Matador Records)

Isolée

An Hamburger Bars ist hingegen schon so einiges erklungen, aber hausgemachte Clubsounds entstammen gemeinhin fernab der örtlichen Schule. In Frankfurt zum Beispiel, Heimat des Klangkünstlers Rajko Müller, der die Tanzflächen seit zwei Jahrzehnten mit elektronischer Tanzmusik bereichert – die allerdings ausnahmsweise nicht in Deutschlands hessischer Techno-Hauptstadt entstehen, sondern – eben: in Hamburg, wo sein Pseudonym Isolée sämtliche Platten aufnimmt, also auch das vierte: Resort Island.

Das mit klassischen Club-Labels zu versehen, greift erneut zu kurz. Erstmals auf eigenem Label, veranstaltet Müller aka Isolée nämlich gar keinen Micro-House, sondern Schatzsuchen. Und er wird überall dort fündig, wo sich viele seiner Mix-Kolleg:innen oft nicht hinbegeben: In die Zwischenräume geschmeidiger Rhythmen und Beats, dort also, wo Panflöten und Vibrafone, Drones oder Videospielschnipsel Flächen zerteilen, bis sie platzen und dennoch intakt lassen. Gut, dass die Festivalsaison beginnt.

Isolée – Resort Island (Resort Island)

Advertisement

Greta Schloch, Overmono, Esben and the Witch

Greta Schloch

Greta Schloch, wer wüsste das nicht, ist – tja: wer oder was noch mal? Seit Ende der Neunziger veröffentlich er/sie/es darunter Songs, von dem Alter fast schon Kultstatus erlangte. “Lieber ne Flasch Bier als Freund / als ne Flasche als Freund” – treffender ließ sich das Verpaarungsdilemma nicht auf den dadaistischen Pop-Punkt bringen. Stilistisch zwischen weder und noch, fanden es alle zwar ungefähr so schrecklich wie Fatih Akins Goldener Handschuh, aber anziehender als Autounfälle im Gegenverkehr und damit perfekt für ein Remix-Album, das Crocodile Records kuratiert.

Vom Disco-Dub des kanadischen Musikers Deadbeat bis zum Minimalhouse des schwedischen Produzenten The Field, vom Electro-Kraut der Ostrock-Band Herbst in Peking bis zu Gretas eigener Country-Version, vom fiepsenden Atari-Trash bis zur Originalversion macht die viel zu kurze EP daraus alles und nichts zugleich, also herzzerreißend behämmerte Found-Footage-Remixe zum Tanzen, Kotzen, Schlafen, verschwitzt aufwachen, ergo: den Soundtrack unserer dissonant bewegenden Zeit.

Greta Schloch – Alter Remixe (Crocodile Records)

Overmono

Und wenn Greta Schloch schon ein Kunstbegriff von schlichter Schönheit ist – was soll man da eher vom Label halten, das die britischen Brüder Ed und Tom Russell ihrem Club-Projekt Overmono verpassen: Mono mal Mono gleich Stereo? Einklang plus Vielklang macht Durchdrehen? Egal: das – hier kann mans wirklich mal sagen: lang erhoffte Debütalbum der Tanzflächenfüller ist so derart poloyphon elektronisch, dass es den Dancefloor selbst als Konserve mitreißt, Homedisco-Eskalation gewissermaßen.

Denn Good Lies schafft es spielend, Stimmungen in Bässe zu verwandeln und umgekehrt – Sound in Gefühle. Stilistisch der weiten Welt des House am nächsten, hat der Gewinner des DJ Mag Best of British Awards als bester Live-Act seine schweißtreibenden Club-Sounds 13 Tracks lang auf Tonträger gerettet und bietet darauf gewissermaßen Anschauungsmaterial, wie einfach, zugleich aber vertrackt es ist, elektronische Zappeligkeit in plattentauglichen Pop zu verwandeln.

Overmono – Good Lies (XL Recordings)

Esben and the Witch

Und damit zu etwas wirklich, also vollumfänglich anderem als House und Dada, nämlich der Dark-Wave-Band Esben and the Witch, die natürlich auch deshalb unterm Radar der Clubkultur läuft, weil sie so tief in sich ruht, dass der ideale Ort dafür Hängematten im Dunkeln sind oder zumindest Zimmer mit zugezogenen Vorhängen. Aber bitte nicht missverstehen: das Trio aus Brighton macht dennoch zutiefst aufwühlende Musik, die mit seinem digital-analogen Dark-Wave tief ins Unterbewusstsein vordringt.

Bestes Beispiel: das sechste Album Hold Sacred. Flächig ausgewalzt von Thomas Fishers Gitarrenbrett, singt sich Bassistin Rachel Davies abermals in die Abgründe ihrer alltagswunden Seele, kreiert damit allerdings Epen von variabler Tristesse, die The XX quasi ästhetisch aufblähen und dabei manchmal fast noisig, ja krautig klingen. Wenn Drummer Daniel Copeman dazu klitzekleine Synths und Samples über diese Kunstwerke des elaborierten Trübsinns tröpfelt, ist es daher egal, ob man allein oder im Pulk ist. Der Magen vibriert sowieso.

Esben and the Witch – Hold Sacred (Nostromo Records)


Robocop Kraus, Pearl & The Oysters, Silver Moth

The Robocop Kraus

Die Jahrtausendwende brachte 1999 zwar nicht das befürchtete Weltchaos, aber einen Wandel unerwarteter Art: Deutsche Musik wurde plötzlich alternative und damit cool. BeigeGT zum Beispiel brachten Funk in den Punk, Von Spar wiederum Punk in den Pop und Whirlpool Productions Pop in den House und alle fanden beim Hamburger Label L’Age D’Or ihre Formvollendung in einer Band aus der fränkischen Provinz, die schon dem Namen nach Hamburger Schule mit Weltgeltung verbindet: The Robocop Kraus.

Genau 20 Jahre nach ihrem Durchbruch und immerhin 16 seit der bislang letzten Platte kehren Sänger Thomas Lang und Gitarrist Matthias Wendl nun zurück, und was soll man sagen – auch in neuer Besetzung liefern sie ein Album, von dem sich Jüngere gern ein paar Sinfonien wie Young Man abschneiden dürften. Abermals Überwältigungspop à la Franz Ferdinand, klingt der orchestrale Sound nach folkloristischer Frischzellenkur für New Wave und Postpunk, im Uptempo durch die Vergangenheit der Zukunft entgegen. Toll.

The Robocop Kraus – Smile (Tapete Records)

Pearl & The Oysters

Die Vergangenheit in der Gegenwart des französischen Duos Pearl & The Oysters zu erkennen, ist dagegen sogar noch ein wenig einfacher, ohne auf der Hand zu liegen. Juliette Pearl Davis und Joachim Polack, privat wie musikalisch seit Studienzeiten in Paris ein Paar, machen jazzigen Space-Pop voller Avancen an die technicolorbunten Sixties, klingen dabei allerdings meist wie beim heutigen Clubbing in ihrer Wahlheimat L.A., wo ihnen eine Extraladung Electroclash ins Werk geflattert ist.

Unterstützt von Lætitia Sadier (Stereolab), Riley Geare (Unknown Mortal Orchestra) oder Alan Palomo (Neon Indian), ist ihr zweites Album Coast 2 Coast eine Collage antiquierter und modernisierter Lounge-Rhythmen, dass der Verdacht käsiger Coolness im Raum stünde – wären Polacks polyinstrumentellen Keyboad-Kaskaden über Davis Flattergesang nicht auf so chaotische Art harmonisch und schön. So schön durcheinander, dass es die reine Freude ist, mit Pearl & The Oysters zurück in die Zukunft zu reisen.

Pearl & The Oysters – Coast 2 Coast (Stones Throw Records)

Silver Moth

Weil bei aller Wertschätzung am Ende wenig langweiliger ist als Harmonie um ihrer selbst Willen, müssen wir hier noch mal kurz eine Lanze für deren Aufbruch brechen, den Versuch, Wohlklang mit den eigenen Mitteln zu schlagen, das also, was die Unknown Superband Silver Moth auf ihrem Debütalbum betreibt. Kombiniert aus Indie-Gruppen wie Mogwai, Abrasive Trees oder Burning House, scheppert sich das Septett sechs Stücke lang durchs psychedelische Flächen von gebirgshoher Wucht.

Wichtiger noch: es schreddert sie in einer Art Emo-Noise, der trotz esoterischer Folk-Sequenzen gar nicht so abgehoben klingt wie Elisabeth Elektras feenhaft verwehender Gesang. Mit einer wallofsoundbreiten Prise Pink Floyd mäandert Black Bay durch die Siebzigerjahre, macht ein paarmal bei Kraut- und Progressive Rock Halt, dickt es mit elegischer Spoken-Words-Poesie an, verheddert sich dabei allerdings nie im Drogenrausch melodramatischer Querflöten, sondern bleibt auf Kurs einer Platte, die tiefer dringen will als jede Harmonielehre.

Silver Moth – Black Bay (Bella Union)


Wednesdey, Blondshell, Daughter

Wednesday

Was an den Neunzigern toll war? Vor allem natürlich die kultivierte Wut über einen Hedonismus, der zu blind, zu taub, zu ignorant war für die offenkundige Erkenntnis, in welchem Tempo unsere Art zu Leben gerade gegen jede nur erdenkliche Wand fährt. Kein Wunder, dass die realitätsblinden Neunziger musikalische Protestbewegungen wie den Grunge hervorgebracht haben, der zwar zur melodramatischen Hülse verkam, aber genug Hoffnung in sich trug, um Epigonen zu erzeugen. Folgebewegungen wie Wednesday.

Mit schreiender Gitarre und verbissenen Drums trägt das Quintett die Fackel popkultureller Renitenz aus dem stockkonservativen North Carolina in die weite Welt des Alternative-Rocks und macht daraus ein Debütalbum, als träfe sich Heather Nova mit Donald Trump auf Kurt Cobains Grab zum Fight Club. Verantwortlich dafür ist Frontfrau Karly Hartzman, deren intimer Gesang sich so eindringlich über brachiale Steelguitar-Riffs legt, dass Country, Shoegaze, Punk und Trash auf Rat Saw God eine Einheit von dialektischer Eleganz bilden. Brutal schön.

Wednesday – Rat Saw God (Dead Oceans)

Blondshell

So richtig aus dem Quark ihrer Wurzeln kommt auch die New Yorkerin Sabrina Teitelbaum nicht, wenn sie das selbstbetitelte Debüt als Blondshell mit der groben Kraft älterer Riot-Grrrl-Disharmonien zerstückelt. Gemeinsam mit Bosh Rothman (Drums), Sam Stewart (Guitarre), Joe Kennedy (Bass & Keys) emanzipiert sich die 25-Jährige nämlich vom Schweinerock, den sie daheim in Manhattan hören musste, bleibt seiner Metrik allerdings so treu, dass daraus retrofuturistischer Indie-Noise-Pop wird.

Wie Wednesday lebt also auch Blondshell vom Widerspruch klanglicher Gegensätze. Wenn Olympus von toxischen Beziehungen erzählt, mögen Teitelbaums Worte wie “I wanna save myself you’re part of my addiction / I just keep you in the kitchen while I burn / Burn / Burn / Burn / Burn” nach Blitz und Donner klingen – dank ihrer pragmatisch ruhigen Stimme allerdings wirken selbst Brandbeschleuniger so tiefenentspannt, als sei das innere Chaos totenstill. Blondshell sedieren, Blondshell zerwühlen, Blondshell sind auf widersprüchliche Art großartig.

Blondshell – Blondshell (Partisan Records)

Daughter

Völlig frei von Widersprüchen ist demgegenüber auch 13 Jahre nach seiner Gründung das britische Trio Daughter. Die Hälfte ihres Daseins in der Folkrock genannten Mischung aus Tradition und Moderne haben sich Elena Tonra, Igor Haefeli und Remi Aguilella zuletzt Zeit fürs dritte Album gelassen. Jetzt liegt es vor. Und Stereo Mind Game gelingt dabei derselbe kleine Geniestreich wie auf den Platten zuvor: geschmeidig und gleichsam kantig zu klingen, also etwas mehr Moderne als Tradition zu verbreiten.

Wie eine hellere Variation von The XX schleicht Daughter durch Alternative-Harmonien von Toriamoshafter Hyperemotionalität, deren Streich- und Bläser-Einlagen keine Samples sind, sondern teils live im Schwimmbad eingespielt wurden und dem Ganzen damit orchestrale Sinnlichkeit verleihen, die ein fließender Sound bis hin zu Walgesängen unter Wasser zu drücken scheint. Auf Koks durch die Großstadt laufen sollte man zu den 12 Tracks nicht, aber das ist ja auch weder Tradition noch Moderne, sondern voll Neunziger.

Daughter – Stereo Mind Game (4AD)


Takeshi’s Cashew, Deerhoof, A Certain Ratio

Takeshi’s Cashew

Wer in Erdkunde auch nur ein ab und zu mal zugehört hat, dürfte sich erinnern, dass Japan kein Bundesstaat Mexicos ist, Ostafrika nicht an der Küste Südamerikas liegt und Halle kein Stadtteil Wiens oder umgekehrt. Wer jetzt allerdings beim zweiten Album der österreich-deutschen Band Takeshi’s Cashew zuhört, könnte dies alles auch in Frage stellen. Das Instrumental-Sextett reist nämlich in jedem der elf Stücke von Asien über Arizona Richtung Fernost, sammelt dabei ergebnisoffen Sounds ein und verrührt sie zu einer Süßspeise von betörender Vielfalt.

Enter J’s Chamber heißt dieses Dessert, das aus dem Menü Hunderter Neuveröffentlichungen pro Woche heraussticht, ohne dafür das Rad des Pop neu zu erfinden. Auf filigrane Art beschwingt wie ihr Name, mischen Takeshi’s Cashew dafür Electrobeats jeder möglichen Herkunft mit Sitar, Flöten, Funkgitarre, kippen noch etwas psychedelischen Krautrock unter Dutzende von Percussions – fertig ist die retrofuturistische Partyzone einer Bühne am Rand großer Festivals, vor der sich alle Versprengten, Verirrten, Verlorenen zur Ekstase treffen. Versprochen!

Takeshi’s Cashew – Enter J’s Chamber (Laut & Luise)

Deerhoof

Dass der kalifornische Indierock von Deerhoof nach drei Jahrzehnten noch immer genau da zu finden ist, also abseits der großen Floors, Kanäle, Wahrnehmungsgrenzen, ist zwar eine Frechheit von epischem Ausmaß, hat aber natürlich auch ein bisschen damit zu tun, wie das Trio aus San Franzisko um den Schlagzeuger und Keyboarder Greg Saunier, nun ja: musiziert. Auf ihrem 19. Album Miracle-Level schreddern sie ihre International Pop Conspiracy schließlich abermals so brutal zum Noise, dass ein Tinnitus verglichen damit nach Belcanto klingt.

Weil Satomi Matsukakis japanisch-amerikanischer Gesang das jazzig verspielte Durcheinander mit luzider Schönheit überzuckert, vor allem aber, weil die verschobenen Riffs und Synths am Ende doch immer irgendwie zueinander finden, ist Deerhoof mit jeder neuen Platte ein frischerer Luftzug im Alternative-Rock. Und obwohl sich Vergleiche angesichts des Bandalters schlicht verbieten: Wenn sich Sonic Youth beim Hate-Sex auf Mescalin mit Madonna vermehren – so hinreißend durchgeknallt könnte das Baby brüllen.

Deerhoof – Miracle-Level (Cargo Records)

A Certain Ratio

Und damit zu einer Band, die sogar so lange existiert, dass der Titel ihres 13. Albums fünf Jahre jünger ist, zum Relikt der echten, also buchstäblichen Postpunk-Ära also, die seit 1977 ein Stück unterm Radar der Popkultur fliegen, aber Einflüsse versprüht haben wie andere Gruppen Titel mit “Love”. Davon finden sich im epischen Werk von A Certain Ratio gewiss auch ein paar. Zentraler ist aber ihr Anspruch, nahezu jeden feuilletonistisch pfiffigen Sound aufzulesen und einzuweben in ihr eklektisches Breitband-Œuvre.

Auf 1982 sind es folglich zu viele, um auch nur einige zu benennen. Mit kollaborativer Hilfe exquisiter Gäste wie Tony Quigley oder Ellen Beth Abdi haben Jez Kerr, Martin Moscrop und Donald Johnson ihren Avantgarde-Rock aus Manchester jedoch erneut so virtuos mit Funk, Jazz. Soul bis hin zu HipHop angereichert, dass die Veteranen jünger wirken als viele ihre Epigonen. Waiting on a Train zum Beispiel – als würde The Jam mit Sade und Kendrick Lamar rappen. Old goes young goes timeless goes immortal. Bitte hört niemals auf!

A Certain Radio – 1982 (PIAS)


CVC, Unknown Mortal Orchestra, Assistent

CVC

Nostalgie ist ein Wadenwickel. Sie wärmt uns in der Kälte dieser frostigen Zeit und weckt dabei wenigstens den Anschein, Heilung zu bringen. Meistens ist das pure Autosuggestion, wirkt aber besonders dann wahre Wunder, wenn man sie als Vertonung angeblich besserer Zeiten anlegt. Das walisische Church Village Collective, kurz CVC, hat demnach fast therapeutische Wirkung, wenn es Sixties und Crooner mit etwas Britpop und Progressive Rock zu einer zukunftsweisend rückwärtsgewandten Symphonie verdickt.

Alles eigentlich bisschen zu altbacken, alles eigentlich bisschen sämig, alles eigentlich bisschen maskulin für einen Boomer-Sound mit GenZ-Potenzial. Aber wie Sänger Francesco Orsi, Bassist Ben Thorne, Schlagzeuger Tom Fry, Keyboarder Naniel Jones mit den zwei Gitarristen David Bassey und Elliott Bradfield auf ihrem Debütalbum Get Real bei den Beatles oder Supertramp wildern, um Oasis im Kakao von We Are Scientists zu verrühren – das ist einfach ganz große, ja fast schon berauschende Retro-Kunst.

CVC – Get Real (Cargo Records)

Unknown Mortal Orchestra

Ungefähr im selben Referenzspektrum bedient sich seit zwölf Jahren auch das Unknown Mortal Orchestra im Fundus antiquierter Klänge, um sie gegenwartstauglich zu amalgamieren. Wobei Orchestra – das klingt wuchtig nach XL-Proberaum und rappelvoller Bühne, was rein arithmetisch Quatsch ist. Der Neuseeländer Ruban Nielson allerdings schafft es in der Tat, sein Trio zum Dutzend aufzublähen und das Repertoire von CVC nochmals zu erweitern. Um eine Prise seiner hawaiianischen Ursprünge etwa.

So gerät das 6. Album mit dem drolligen Titel V zur nostalgischen Klangkollage, die noch nicht mal allzu aufwändig aktualisiert wurde, weil es Nielsen darum gar nicht geht. Der gitarrensoloversessene Small-Big-Band-Leader schafft es einfach abermals, amerikanische Westcoast mit ozeanischer Eastcoast so zu vereinen, dass selbst Folklore urban klingt und Kreuzfahrtschiff-Piano clubtauglich. Kleines Orchester, großer Anspruch, gewaltiger Spaß, wie immer halt beim UMO

Unknown Mortal Orchestra – V (Jagjaguwar)

Der Assistent

Und damit zu jemandem, dessen Retrostyle schon als Sänger der Hamburger Avantgardepopper Fotos einer Seele zu entspringen schien, die offenbar bereits im Grundschulalter Ü-40 war und auf Solo-Pfaden entsprechend überreif daherkommt. Der Assistent, so nennt sich Tom Hessler jetzt ohne Band, sediert das Werk seiner früheren Tage so virtuos mit analogem Lo-Fi und einer Prise Laid Back, bis es fast schon Wienerische Wattebäuschigkeit vermittelt, also ein bisschen an Bilderbuch erinnert.

Allerdings, ohne sich anzubiedern. Dafür ist sein selbstbetiteltes Debütalbum einfach auf zu lässige Art elegant und schön. Vom ersten der acht karibisch angehauchten Tracks an sendet er wie im Opener Signale “eine Botschaft, die Trost schafft” nach der anderen, gefolgt von je einer “Nachricht, der Nachsicht”, was nur oberflächlich nach Wortspielerei klingt. Tatsächlich entspringt die Platte einer inneren Überzeugung vom heilsamen Drang der Reduktion, dass man darin versinken will – und glücklicherweise auch kann.

Der Assistent – Der Assistent (Papercup Records)


Macklemore, Gruff Rhys, OY

Macklemore

Dass die Welt, in der wir leben, verrückt geworden ist, darüber dürfte nirgendwo mehr ein Zweifel bestehen. Aber es liegt nur noch teilweise darin, dass – in den Worten von Chris Rock – der beste Golfer Schwarz sei und der beste Rapper weiß. Schließlich haben Tiger Woods und Eminem ihren Zenit überschritten. Doch während die besten Golfer wieder Weiße sind, ist es der beste Rapper auch, nur ein anderer: Macklemore. An der Seite von Ryan Lewis, aber auch solo – wie sein fabelhaftes Solo-Album BEN aufs Neue belegt.

Anders als der Reimstapler Marshall Mathers macht Ben Haggerty zwar weniger emblematischen HipHop. Seine Wort-Kaskaden sind dafür origineller instrumentiert und sinfonischem Pop näher als der reinen Lehre, aber so ausgeklügelt, dass sie unter 10.000 Samples und Field-Recordings, den Wokeness- und Pride-Fanfaren aller Ecken der Weltmusik ihre Stellung behaupten. Bestes Beispiel: die Single Heroes ft. DJ Premier – ein Feuerwerk aus orientalem Dub und Westcoas-Rap, der ebenso von den Füßen reißt wie No Bad Days zuvor. Schlechte Tage hat man mit dieser Platte nicht.

Macklemore – BEN (ADA/Warner)

Gruff Rhys

Soundtracks sind normalerweise selten empfehlenswert. Zu selten nur wirken sie eigenständig, also vom visuellen Kontext völlig entkoppelt, aber bei Gruff Rhys’ Score zu Charlotte Gainsbourgs Drama The Almond And The Seahorse machen wir mal eine Ausnahme. Gemeinsam mit dem National Orchestra of Wales nämlich hat deren Landsmann und Ex-Sänger der Super Furry Animals die ergreifende Beziehungsgeschichte einer Archäologin und einer Architektin zum Meisterwerk der Stimmungsschwankungen gemacht.

Das Repertoire reicht von eleganten Cello-Sonaten (Skyward) bis experimentellem HipHop (The Brain and the Body), von Alternative-Pop (Sunshine and Laughter Ever After) bis Electro-Clash (People Are Pissed), von Gaga-LoFi (Amen) bis Crooner-Rock (I Want My Old Life Back). Und immer transportiert es die Aura des Gezeigten ebenso eletang wie die des Gehörten. Weil Soundtracks längst monochrome KI-Konstrukte sind, ist dieser hier also endlich mal wieder wirklich der Rede wert.

Gruff Rhys – The Almond And The Seahorse (Rough Trade) 

OY

Beim polyphonen Berliner Ethno-Expermintal-Duo OY ist es dagegen ein bisschen umgekehrt. Keyboarderin Joy Frempong und ihr drummender Produzent, sprechender Nom de Paix: Melodydreamer, machen seit zehn Jahren Soundtracks, denen der Film zu fehlen scheint. So ist es auch mit World Wide We, ein Titel der seine Vielfalt bereits im Namen trägt. Das Album ist eine so liebenswerte Sammlung verschrobener kleiner und großer Melodien, dass die fehlenden Bilder dazu vorm inneren Auge ablaufen.

Und das Interessanteste: obwohl ihr Fokus so sehr auf der Kompilation aller Tonabfolgen, die der Welt so innewohnen, zu liegen scheint, haben sämtliche 15 Stücke alle Zeit dieser Erde, globale Sorgen anzusprechen, Identitätspolitik zum Bespiel, strukturelle Benachteiligung, Neoimperialismus – all die Fehlentwicklungen des nationalstaatlichen Kapitalismus, denen sich einst die so genannte Weltmusik widmen musste. Jetzt machen es OY. Und es klingt fantastisch wie das World Wide We, von dem  sie träumen. Träumt bitte weiter!

OY – World Wide We (Mouthwatering Records)

 


Kerala Dust, Deichkind, Wesley Joseph

Kerala Dust

Dass sich Musik nicht mehr neu erfinden lässt, ist hinlänglich bekannt. Sie alt klingen zu lassen, ohne ins Nostalgische und/oder Peinliche abzudriften, erscheint daher noch komplizierter als innovativ zu sein, aber Kerala Dust schaffen es spielend. Das neue Album der Londoner aus Berlin ist schließlich eine zwölfteilige Reminiszenz an Vorbilder von Can bis Tom Waits, in die sich angeblich sogar eine Spur Velvet Underground hineindrängelt, was zwar Unsinn ist, aber den Ereignisraum der drei Briten gut umschreibt.

Der wabernde Kopfgesang vom Soundgestalter Edmund Kenny mit viel “me” und “love” quält sich durch Anachronismen, bis die Neuordnung der Dinge zugleich antiquiert und progressiv daherkommt. Wattierte Gitarren, die in Red Light an den Sixties kratzen, dystopische Keyboards, deren Tristesse in Pulse VI in den New Wave der späten Siebziger zurückreichen, zwischendurch eher sedierte als entschleunigte Elektronica zwischen psychedelischem Krautrock retrofuturistischem Pop – alles tausendmal gehört, aber selten so klug kompiliert.

Kerala Dust – Violet Drive (PIAS)

Deichkind

Höchste Zeit also für einen Break der brüchigsten Art. Deichkind sind zurück mit ihrer neuen Platte Neues vom Dauerzustand, auf der das Hamburger Trio wie immer die hedonistische Belastbarkeit von Intellekt und Moral mithilfe dadaistischen Garagentechnos ausloten. Einst als reine Spaßkapelle schwer beliebt, aber irrelevant, verstehen sich die jungen Deichkinder Porky und La Perla an der Seite des alten Bandgründers Kryptik Joe längst als Seismografen durchgehend tanzbarer Kapitalismus- und Kulturkritik.

Wenn sie im Opener “Kopf ein Affen mit Schellen / Storno im Brain / Delle am Helm” rappen, geht es also nicht um elaborierte Realitätsverweigerung, sondern digitale Hirnüberfüllung. Und selbst der Abgehtrack Fete verpennt erklärt uns unterm hochtourigen Powerbass-Gezappel eher von verpassten als versoffenen Chancen der multioptionalen Gesellschaft. Alles in allem also: Abfahrt wie immer, aber stets die Megakrisen von gestern, heute, morgen im Hinterkopf – den sie nur noch symbolisch, aber umso geiler mit Dosenbier verfüllen.

Deichkind – Neues vom Dauerzustand (Sultan Günther Musik)

Wesley Joseph

Und damit zu einem Künstler, der Sound und Vocals nicht nur politisch, sondern auch musikalisch ein bisschen ernster nimmt als die Dosenbierbrigade aus Hamburg. Das englische Kleinstadtkind, vom Label Secretly Canadian kurzerhand zum Universalgenie erhoben, schreibt – besser: malt Kunstwerke britischen HipHops voll Northern Soul und R’n’B-Sprengseln, die leider zwar völlig frei von Augenzwinkern sind, aber in ihrer lässigen Ernsthaftigkeit vom ersten bis zum letzten der acht Tracks ins Mark gehen.

Mit seiner welligen, fast gebirgigen Art zu singen, grast dieser musizierende Filmemacher, der sich parallel als Regisseur und Artworker weitere Namen macht, alle Wiesen des British Cool ab. Im Titeltrack Glow erinnert das – vermutlich bewusst – fast ein bisschen an Mike Skinner, im späteren I Just Know Highs sogar – definitiv unfreiwillig – an Hayiti, aber was heißt erinnern: wie in den Projekten zuvor will Wesley Joseph seine Art HipHop auf eigene Art definieren: nicht grad universalgenial, aber ungemein interessant.

Wesley Joseph – Glow (Secretly Canadian)


Billy Zach, JW Francis, Fucked Up

Billy Zach

Wo der Hammer des musikalischen Understatements hängt, lässt sich auf Rippenhöhe abzählen. Bei Beatniks hing die Gitarre gern Höhe der dritten, knapp unterm Kinn, im Metal über der zwölften, also Hodenniveau. Alternative-Rock hingegen klemmt sie mittig dazwischen und signalisiert: Wir nehmen den Sound wichtiger als uns selber – womit wir zwischen der 5. und 7. Rippe von Billy Zach wären, wo die drei Saiteninstrumente des Quartetts aus Hamburg hängen schwer verkopfte Bauchgefühle kreieren, die ergreifend sind, ohne übergriffig zu werden.

Mit trotziger Tristesse mischt das Quartett dystopisch gepickte Riffs im Stil der Fuzztones unter die Übellaunigkeit des Song- und Textwriters Max Zacherl, den das tomlastige Schlagzeug manchmal mehr beschleunigt, als ihm zu behagen scheint. Auch auf der dritten Platte gehen (hohes) Tempo und (gedrückte) Stimmung ein Zweckbündnis ein, das zugleich sediert und euphorisiert, dabei allerdings nie so wirkt, als sei beides geplant. Das allein macht Momentary Bliss zur dunkelbunten Perle im Postrock-Allerlei. Und wenn die Bassistin jetzt noch öfter mitsingen darf, hört man Billy Zach vielleicht bald weit über Hamburg hinaus.

Billy Zach – Momentary Bliss – La Pochette Surprise Records

JW Francis

Und weil das Leben doch wirklich immer dann am schönsten ist, wenn uns seine allergrößten Kontraste ins Gesicht springen, weil es ja erst Unterschiede liebenswert machen und Widersprüche würzig, würdigen wir an dieser Stelle das komplette, also wirklich mal hundertprozentige Gegenteil von Billy Zach: JW Francis. Der New Yorker nennt seinen Stil dem PR-Text nach lofi jangle dream slacker bedroom pop, was natürlich ebenso selbstreferenzieller Bullshit ist wie unsere Definition des carribean cruiseship softcore oder so.

Aber mal ehrlich: wenn stilisierte Marimbas oder Steel Pans wie auf Dream House durch die schwülwarme Luft einer Südseeinsel der Sechzigerjahre wehen, wo Adam Green offenbar mit Lou Reed am Strand spazieren geht, drängen sich Abertausend Vergleiche auf, von denen jeder irgendwie nostalgisch klingt und dennoch gegenwärtig. Dass gute Laune um ihrer Selbst willen auch kleben kann wie Easy Listening – egal! Dieser Gitarrenpop hier macht den Winter erträglicher, ohne vom nahenden Frühling zu lügen.

JW Francis – Dream House (Sunday Best Recordings)

Fucked Up

Damit volle Kraft zurück in die Mitte beider Plattentipps aus vergangener Zeit, fürs Jetzt und Heute aufbereitet: die kanadische Hardcore-Institution Fucked Up, bekannt für epische Noisebretter in gefühlter Stundenlänge, haben ihr neuntes Album gemacht, das epische Noisebretter in gefühlter Punkrocklänge kreiert, die weder übellaunig noch harmoniesüchtig, sondern einfach auf emotionale Art gefühlsneutral sind. Wie anno 2001 presst Damian Abraham seinen Gesang aus der Fülle seines Bauches durch aufgerauten Glamrock.

Anders als beim Debüt fünf Jahre später jedoch besinnen sie sich auch formell auf jene Liedstruktur, die ihrem Sound inhaltlich grundiert. Zwei- bis fünfminütige Tracks abseits einstriger Rockopern, hin zu einer Songmetrik mit Anfang, Ende, auf die Zwölf. Aber weil gleich drei Gitarristen plus Sandy Miranda am Bass dazu fröhlich im Fundus früherer Jahrzehnte wühlen, Schweineriffs der Siebziger mit Britpoplicks der Nuller mixen und Abrahams Screamo damit heiter erweitern, ist One Day trotzdem mehr als die Verknappung der eigenen Mittel. Es ist origineller Hardcore. Auch  nicht die Regel…

Fucked Up – One Day (Fucked Up Records)


Aiming for Enrike/AgarAgar/Johnny Notebook

Aiming for Enrike

Ob es leichter ist, Grenzen leise zu übertreten oder laut zu überrennen, hängt von deren Stabilität ab. Wenn sie sich allerdings als so stabil und gleichsam fließend wie jene zwischen analoger und digitaler Musik erweisen, muss man es wohl mit ähnlich sanfter Wucht tun wie Aiming for Enrike. Seit vier Platten bereits treibt der Schlagzeuger Tobias Ørnes Andersen die Gitarren von Simen Følstad Nilsen mit technoider Präzision zu einer flächigen Form minimalistischer Krautrock-Electronica.

Jetzt erscheint das fünfte Album. Und Empty Airports ist nicht nur länger, sondern flächiger, krautiger, besser. Wie Jean-Michel Jarre auf Koks lässt das Osloer Duo seinen Instrumentalsound durch virtuelle Clubs mäandern und kreiert dabei Sinfonien von repetitiver Originalität, die sich schon im Titeltrack-Tryptichon pt. 1-3 zu einer mal glockenklaren, mal breiig sedierten Masse flatternder Beats übers Ohr stülpen. Nichts für den Moshpit, aber kleine Floors am Festivalrand, baumumstanden, lichtdurchflutet.

Aiming for Enrike – Empty Airports (Jansen Records)

Agar Agar

Was das französische Duo Agar Agar macht, galt dagegen bereits vor rund 20 Jahren unterm Begriff Electroclash als musikalischer Grenzübertritt, hat sich seither links und rechts der Schlagbäume konsolidiert, ist also nicht ganz so revolutionär wie seinerzeit Le Tigre, Miss Kitten, fischerspooner, Peaches oder das Berliner Jeans Team. Dennoch sorgen Clara Cappagli & Armand Bultheel für fabelhafte Feelgood-Melancholie, wenn sie in englischer Sprache über die Liebe oder ihr Ende singen und digitales Konfetti darüber streuen.

Bei Zeilen wie A dude on a horse with no horse weiß man dabei ebenso wenig, ob der Nachfolger des erfolgreichen Debütalbums wie ihr minimalistische Computerspielsound, der oft unter Player Non Player hindurchrätselt, poetisch oder dadaistisch ist. Sei’s drum: Cappaglis nachhallender Gesang holt den Cool der Achtziger in den Trash der Neunziger und macht daraus mit dem Wave der Nuller und ganz viel elaboriertem Unfug einen Electroclash, den man lange nicht gehört und dennoch ständig im Ohr hatte.

Agar Agar – Player Non Player (Grönland Records)

Johnny Notebook

Und um das kleine Eighties-Revival hier am Grenzzaun des vorherigen und anschließenden Jahrzehnts zu komplementieren, wird jetzt noch mal ordentlich das neue Album von Johnny Netbook gefeiert. Das Synthpunk-Duett aus den praktisch identischen Popkulturschmelztiegeln Madrid und Wuppertal prügelt wieder so hochbeschleunigte Beatgebirge aus retrofuturistsichem Weltraumschrott von Roland TR505 bis PolyKorg800, als säßen The B-52s mit Ziggy Stardust in einer Rakete zum Käsemond.

Schwer zu sagen, ob das Uptempo-Stakkato dieses Multilayer-Powerpops immer ernst gemeint ist, zwinkerzwinker. Stücke wie die entfesselt schnelle Dancefloor Queen oder das noch viel rasantere Rate Me Rate Me aber machen eine*n beim Hören von 28th Century Mates viel zu zappelig, um länger darüber nachzudenken, was denn die Metaebene dieses eklektischen Sammelsuriums sein könnte. Denn wie einst bei Spillsbury dürfen darin selbst nietenhosige E-Gitarrensoli zum Refrain-Geshoute nicht fehlen. Geil!

Johnny Notebook – 28th Century Mates (Sounds of Subterrenia)