Reise: Kalahari/Südafrika

Die Halbwüste lebt

Dion und Bellinda 3Als Farbige wurden die südafrikanischen San einst aus ihrem Stammesgebiet vertrieben. Jetzt kehren sie in die Kalahari zurück – als gemeinsame Betreiber eines Nobelhotels inmitten der Halbwüste.

Dion und Bellinda – Motor, Sprachrohr, Gewissen und Geist der !Xaus Lodge am Rande der Kalahari. Foto: Freitag

 

Von Jan Freitag

Ein Eland, vielleicht eine Oryx-Antilope, auf jeden Fall etwas Großes, etwas sehr Großes. Nicolas bückt sich tief in den safranroten Sand der Kalahari, streicht sanft mit seinen ledrigen Fingern darüber und lacht. „Schwer zu sagen“, meint der Naturbursche vom Stamme der San und sagt es doch: Ein Gemsbock. Und daneben, seine Nase berührt fast die Erde, das war wohl ein Schakal. Spurenlesen ist in diesem Teil Südafrikas, eingeklemmt zwischen Botswana und Namibia, nicht so einfach. Zu rasch verweht der staubfeine Wüstenbelag, zu weich ist er für klare Abdrücke, zu nah an menschlicher Besiedlung geht Nicolas zu Boden und studiert ihn wie ein offenes Buch. Hier, er zeigt auf eine Reihe geometrischer Kratzer und lacht, das tut er oft, „eine Käferspur“. Dann holt Nicolas Afrikaner, so heißt er wirklich, eine Marlboro Menthol aus seiner Jeans und zündet sie an. „Der hatte es wohl eilig.“

Die Verschmelzung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Halbwüste am Fuße des Kontinents – sie ließe sich kaum besser beschreiben als an diesem Ort mit diesem Mann in dieser Umgebung. Es ist seine Umgebung, sein Ursprung, wenn man so will, weit vor 1968, Nicolas Geburtsjahr, und so ist sie auch benannt: !Xaus Lodge, das Wort für Herz auf Nama, der Sprache seiner Vorfahren. Und für Naturhotel – in der des Commonwealth. Ein äußerst luxuriöses im Nichts, am Fuße einer trockenen Salzpfanne in Herzform, die sich nur bei Regen kurz füllt, zweimal jährlich. Eine Nobelherberge ohne fließendes Süßwasser und permanente Stromversorgung. Ohne gepflasterte Zufahrtstraße oder livrierte Diener. Stattdessen mit Weite und Ruhe, Licht und Eleganz, Natur und der Gewissheit, an etwas Größerem teilzuhaben als einem exklusiven Urlaub mit abenteuerlichem Wildkontakt. Dies ist schließlich nicht der Krüger-Park mit seinem durchdeklinierten Nervenkitzel. Dies ist die Kalahari. In der Sprache der San heißt das hart.

Und ihre neueste gastronomische Perle, die !Xaus Lodge, ausgesprochen mit diesem merkwürdigen, unaussprechlichen, klänge es nicht so kolonial, man würde sagen: exotischen Knacklaut zu Beginn, ist ein Stück schwarzer Rückeroberung der Spätfolgen rassistischer Repression. Außen rustikaler Reetdachbau im afrikanischen Lehmhüttenstil, innen zurückhaltende Folklore mit allem gebotenen Komfort, Vollpension und Safaritouren inklusive. Im kleinen Pool mit Wüstenblick fehlt freilich noch Wasser; dieser Tage wird es hier nachts bitterkalt. Vor wenigen Wochen feierte die Lodge Eröffnung, ein Dutzend gediegener Pfahlhütten für zwei Personen, viele Dutzend Dünen abseits der Hauptstraße durch den kargen und schillernden, artenreichen wie menschenarmen Kgalagadi Transfrontier Nationalpark im Dreiländereck. Es ist ein Stück gehobene Ferienkultur und eines der Selbstbehauptung in der Abgeschiedenheit am Kap der guten Hoffnung, die den San abhanden gekommen war.

Dass sie mittlerweile neue schöpfen, liegt auch am bemerkenswerten Projekt in den trockenen Weiten der Savanne. Und seine Existenz wäre fraglich ohne den unermüdlichen Einsatz der San, ohne die fixe Idee eines eigenwilligen Iren und die Schönheit eines verwirrenden, verwirrten Landes. 1931 wurden die San aus der Kalahari vertrieben. Von Weißen, den Baas, wie dunkelhäutige Ureinwohner die bleichgesichtigen Eroberer aus Holland unterwürfig zu nennen hatten. Fort geschickt von einem Land, das sie so lange bewohnt hatten wie es Menschen in der Kalahari gibt, seit Ewigkeiten also, in Jahren schwer zu beziffern.

Plötzlich hieß ihr Jagd- und Sammelrevier Nationalpark, plötzlich waren die San darin unerwünscht. Genauer: verboten. 1973 verschwand – forciert von den Nachbarstaaten – auch der letzte von ihnen aus Südafrikas Kalahari, vertrieben in Townships, Armut, Fremdheit und Alkoholismus. Es bedurfte des Endes der Apartheid 21 Jahre darauf, bis die San versuchen konnten, das gestohlene Land ihrer Ahnen zurück zu erlangen. Erst nach langem juristischen Tauziehen begrüßte Südafrikas späterer Präsident Thabo Mbeki im März 1999 feierlich die ersten 300 „Bushmen“ als neue Besitzer von 60.000 Hektar Wüstenland. Es war auch die Geburt der !Xaus Lodge. Ihr Vater hieß Vet Pit.

Wie Nicolas Bruder wirklich heißt, weiß kaum einer, zumindest hält es niemand für relevant. Vet Pit, soviel ist sicher, war ein alter Mastertracker der San, ein Spurenleser wie Nicolas mit der Gabe, die Sprache der Tiere zu sprechen, so geht die Sage. Vet Pit, erzählt Bellinda Kruiper vorm Kaminfeuer der kleinen Bibliothek, hat diesen Platz vor seinem Tod gefunden, nicht gesucht. Einen, formuliert die Lodge-Sprecherin blumig, „wo wir glücklich werden könnten“. Weshalb ausgerechnet hier, wisse keiner, und warum sich Bellinda Kruiper zu den Glücklichgewordenen zählt, ist eine komplizierte Geschichte. Nach ihrer Scheidung, losen Jobs in den Kanzleien, Praxen, Banken Kapstadts und zunehmender Leere im Leben, sei sie einer Stellenanzeige als Rezeptionistin in den Park gefolgt, dort rasch zur Aktivistin geworden und kurz darauf zum „ersten zugereisten Bushman“, wie sie stolz hinzufügt. Zurück zu den Wurzeln, per Initiationsritus, und das als Frau. Im patriarchalen Südafrika macht sie das per se zur Feministin.

Vermutlich die erst der San. Doch vor allem ist Bellinda Motor, Sprachrohr, Gewissen und Geist der abgeschiedenen Gemeinde mit Herz. Im Schneidersitz und feinstem Oxfordakzent erklärt sie das Projekt, ihr Projekt, die Lodge, größtenteils finanziert von Glynn O’Leary aus der Parkverwaltung, „dem verrückten Iren mit einem Traum“: vom Urwuchs der Kalahari und dem Erbe der San. Von Versöhnung, Reconciliation, ein großes Wort am Kap, wo man auf Formularen noch immer die Hautfarbe angeben muss. Bellinda legt einen Scheit Holz in die Flammen: Nachdem Vet Pit genau hier sechs Jahre zuvor die Zukunft seiner Leute im roten Sand aufgespürt hatte, fährt sie fort, brauchte ihre künftige Familie ein tragfähiges Konzept, etwas, „das auf dem Papier interessant aussieht, denn der Plan hatte nur auf wirtschaftlich soliden Füßen eine Chance.“ Die Lösung lautete Ökotourismus. Einer der gehobenen Art.

Nun mag man darüber streiten, wie ökologisch es ist, gut betuchte Gäste aus Europa und Übersee Tausende Kilometer in die Wüste zu fliegen, um sie stundenlang auf vierradbetriebenen Spritfressern in eine Welt zu kutschieren, die Strom aus Dieselgeneratoren bezieht und jedes Stück Butter durch die halbe Kalahari fährt, die den Tieren gehört, einigen als letzte Bastion. Das Ökologische entstehe eher auf der Rezeptionsebene, im Kopf, im Bauch, erläutert die knallharte Menschenrechtsaktivistin Bellinda Kruiper und lächelt plötzlich sanfter als sie wohl möchte. Es gehe um ein neues Verständnis von Herkunft, Geschichte und Umwelt, vom Leben unter einem Sternenhimmel, dessen unverbaute Pracht von hier aus besser bestaunen lässt als irgendwo sonst. „Um das Gefühl eigener Verkleinerung im Umfeld der Unendlichkeit“. Auch für sie selbst. Ob das politisch sei, ein Akt der Befreiung? Sie überlegt kurz und verfällt wieder in eher missionarischen Tonfall: „Wenn Menschen einen Ort zum Leben finden, den nur sie begreifen, den niemand sonst besiedeln will, wo es kein Wasser gibt und keiner gestört wird, ist das nicht politisch, sondern spirituell.“ Da gehe es um tiefer liegende Kräfte.

Wer Bellinda Kruipers Lebensgeschichte aus 43 Jahren Unterdrückung, politisch bewegtem Elternhaus und gewollter Rückverwurzelung nicht kennt, könnte sie für esoterisch halten, mit ihren Monologen von Glauben und Selbstfindung und einem toten Ehemann, der als Löwe wiedergeboren durch die Kalahari streift. Dann aber spricht sie nüchtern von der Lodge als Ertragsfaktor, „an dem wir nicht mit Pfeil und Bogen Kulturgeschichte spielen wollen“, sondern mit teuren Jeeps solvente Touristen über holprige Sandpisten fahren.

Dafür haben die San bei sengender Hitze einen Weg durch die Dünen gegraben, den nur befahren darf, wer sich zuvor per CB-Funk anmeldet, um Zusammenstöße auf den Kuppen zu vermeiden. Dafür arbeiten bald 15 San mehr oder minder gleichberechtigt im Kollektiv, drei Wochen am Stück, eine Woche Auszeit. Dafür gibt es zwar Hierarchien, aber kaum Befehle, einen Manager namens Philip Gadenne, der erst die Resultate seiner englischen Fußballliga und dann die Herkunft seiner Gäste erfragt, aber keine echten Angestellten. In wenigen Tagen wird der weit herumgekommene Organisator, Möblierer, Koch und Kalfakter von Bellinda abgelöst. Bis der nächste kommt. Die Lodge erinnert an eine Art modernen Kibbuz ohne Ackerbau, eine Kommune des New Age, erdverwachsen aber profitorientiert, mit mehr Privatsphäre, mehr Natur. Und mit Löwen unterm Haus.

Als eines Nachts ihr heiseres Brüllen näher klingt, als es noch die pessimistischen San erwartet hätten, wird ihnen die Lage des Projekts erst richtig bewusst. Unter den Hütten gehen die mächtigen Tiere auf Beutejagd, suchen in Wurfweite nach Wasser und im Sommer womöglich noch näher nach Schatten. Jetzt erschließen sich die Stelzen, auf denen das Ganze erbaut ist, die alle Hütten durch höher gelegte Gänge verbinden und nur bei denen der Mitarbeiter fehlen. Möglicherweise aus Geldmangel, eventuell aus Prinzip, ganz sicher aus Gottvertrauen. Es sei eben kein Ort bloßen Beobachtens, sondern des Erfahrens, Erlebens. Allen Risiken zum Trotz.

Wie sich die müden Bewohner jedoch im Morgengrauen an ihre Kaffeebecher klammern, scheint auch ihnen die Nähe zur Natur nicht ganz geheuer. „Die Löwen haben unsere Treppen markiert“, sagt Nicolas, sein Lächeln wirkt gequält. Zum Spurensuchen führt er die neuen Gäste nach dem Frühstück dennoch. Es gehört zum Angebot und das ist keineswegs billig. Und für die San ist es mehr als eine Chance auf Anerkennung oder Auskommen, es ist eine Fügung des Schicksals, eine Fortsetzung der Geschichte und, ja: ein Politikum. Wenigstens war es das, nach der Apartheid. Und künftig? „Wenn ihr nächstes Jahr wiederkommt“, sagt Nicolas mit einem Grinsen, dass sein dunkles Gesicht in tiefe Falten legt, „kann es sein, dass ich draußen bin und eine Elandkuh melke“. Er könnte ihrer Spur gefolgt sein, mit ihr gesprochen, sie von seiner Freundschaft überzeugt haben. Und vielleicht steckt er sich dann eine Zigarette an.

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Diana Amft, Männersucherin

Die Frau fürs Nette

Korkenzieherlocken, Alltagschaos, Männersuche – das Filmleben von Diana Amft. Foto: RTL/Christiane Pausch

Die Wahlkölnerin Diana Amft erinnert an eine berühmte Solingerin in jungen Jahren: Bisschen naiv, bisschen chaotisch, sehr naiv, sehr sehr weiblich und sehr sehr sehr blond. Noch reicht das nur für durchaus charmante RTL-Serien wie Doctor’s Diary oder ganz neu Christine. Perfekt war gestern (donnerstags, 21.15 Uhr, RTL). Aber Veronica Ferres hat ja auch mal kleiner angefangen…

Von Jan Freitag

Diese blauen Augen, der helle Teint, das lockige Haar, ihre ganze offensive, fast aufdringliche Weiblichkeit – ein bisschen naiv, ein bisschen verrucht, ein bisschen selbstbewusst, ein bisschen, tja – blond. Diana Amft ist schlecht zu bewahren vor diesem machtvollen, perfiden, zentnerschweren Vergleich: Veronica Ferres. Es ist so ungerecht. Und doch so nahe liegend. Denn, Diana Amft, die Hausmeistertochter aus Gütersloh, steht auf ihrer Karriereleiter da, wo Veronica Ferres, die Kohlenhändlertochter aus Solingen, nach Superweib, Schtonk und Rossini stand: An der Schwelle einer großen Schauspiellaufbahn ohne schauspielerische Finesse – begehrenswert, robust und noch ziemlich sympathisch. Vom Zuschauer gemocht, vom Feuilleton verschmäht, die nette Chiffre argloser Abendunterhaltung, überhäuft mit leichten Schmunzel- und Schmachtrollen, in ewiger Wartehaltung auf Anspruchsvolleres, ein Filmversprechen auf nicht ganz so langen Beinen.

Das zeigt sie seit geraumer Zeit immer wieder, dieses überraschend selbstironische Spiel mit den Stereotypen ihres Kapitals und Fluch in einem: dem eigenen Körper. Zuletzt etwas in der Degeto-Klamotte Liebe und andere Delikatessen, als erfolgreiche Werberin namens Franka, die von Männerintrigen getroffen über den Jobverlust ins eigene Geschäft als Gastronomin stolpert – immer auf der Suche nach dem Traumboy, immer etwas unbeholfen, zickig und verspielt, hyperromantisch, aber realitätsbewusst, also ziemlich nah dran an dem, was Durchschnittsdeutsche von modernen Frauen erwarten: Kerle, Karriere, Kinderwunsch, alles zeitgleich und möglichst klaglos mit viel Erotik, viel Spaß und viel Demut vor der gesellschaftlichen Rollenzuweisung. Feminine Selbstausbeutung im 21. Jahrhundert. Und genau das liefert sie ab heute bei RTL auch in Christine. Perfekt war gestern als – richtig – moderne Frau mit Männer-, Karriere-, Kinderwunsch

Nun spielt Diana Amft diese Multifunktionsfrau meist mit großem Humor und gewaltiger Freude. Man würde ihr Rollen wie diese also durchaus abkaufen, wäre da nicht das übliche Paarungsrevier, von Nörglern „Schmonzette“ getauft: heitere Verwicklungsgeschichten von A(RD) bis Z(DF) und dazwischen reichlich Sat.1. Über Fräulein Amft scheint darin stets die Filmsonne, Hindernisse werden frohgemutes beiseite geräumt, das Gute bringt alles Böse bezaubernd zur Strecke und liegt sich zum Geigenfinale kollektiv in den Armen. Der Freitagabend eben, zumal im Ersten, ein Märchen – wie ihr eigener Weg ins berufliche Fach. „Wenn das so märchenhaft gewesen wäre“, sagt die Mittdreißigerin mit dem scheuen Augenaufschlag des alterslosen Wildfangs und nestelt sich am viel zu engen Dekollete herum, „hätte mich ja ein Prinz geheiratet“. Aber so ganz fern von dem war Dennis Gansel ja nicht. Vor zwölf Jahren hat der Regisseur die junge Diana als noch jüngere Inken im belanglosen, aber immens erfolgreichen Teenyquatsch Mädchen, Mädchen an die Spitze besetzt. Das hat ihr zwar einige Türen zugeschlagen, wie sie bekennt, „aber auch viele geöffnet“. Ein rasanter Kaltstart, von Null auf Ulknudel, immerhin.

Vorher nämlich war alles andere alles andere als glatt gelaufen in ihrem Leben. Die renommierte Essener Volkwangschule hatte die Videothekengehilfin aus der westfälischen Provinz abgelehnt. Ein Rückschlag für den Kinderwunsch, Schauspielerin zu werden. Doch er steckte so tief in ihr, dass sie mehr mit der Jury als sich selbst haderte: „Ich dachte, die freuen sich wie Bolle, dass ich endlich komme“, erzählt die Wahl-Kölnerin beim Interview in einem Hamburger Luxushotel, das ihr sichtlich überteuert vorkommt, „und dann schmeißen die mich in der ersten Runde raus“. Naiv, nennt sie das heute, nicht arrogant. Denn das Ziel war ja klar, der Weg dorthin auch, nur ihr Tempo musste gedrosselt werden. Mit etwas mehr Gelassenheit im Rücken nahem sie die nächste Schauspielschule auf, in München. Es folgten filmische Gehversuche auf niedrigem Niveau – Freischwimmerrollen, zum Lachen vor allem, seichtes Zeugs, Romanzenzeugs, Pubertätszoten mit Titeln wie Unschuldige Biester, Knallharte Jungs oder Eine Liebe auf Mallorca. Bis, ja bis RTL ihrem Kindheitstraum endlich echte Nahrung gab: Doctor’s Diary. Mit großer Hingabe spielte sie dort ein energisches Vollweib im Kampf mit – da haben wir’s wieder: Kerlen, Karriere, Kinderwunsch und diesmal ein paar Kilos dort zu viel, wo sie nur die gehässigen Spürhunde perfektionierter Oberflächenästhetik verorten.

Doch BMI hin, Kurven her: Ihre Gretchen Hase war lustig, voll Esprit, überdreht, nie albern und bisweilen gar tiefgründig. Es hagelte Lob, Preise – und Drehbücher. Diana Amft ist besser gebucht denn je. Davon zeugen zwei Hauptrollen in zwei Wochen, beide banal, aber Visitenkarten auf dem Weg zur ersten Garde. Auf den Spuren der Ferres: geliebt vom Publikum, gehasst von der Kritik. Für Neid auf Kolleginnen wie Felicitas Woll, die nach Mädchen, Mädchen eine steile Leiter ins seriösere Fach erklomm, ist Diana Amft allerdings „zu ausgeglichen“, wie sie selbst sagt. „Ich sehe die Schauspielerei buddhistisch: ein Kelch der Möglichkeiten.“ Noch steht er außer Reichweite, wie einst bei Veronica Ferres.


Maria Furtwängler mit “Frau im Spiegel”

Ich bin eine so arme Sau

Nachdem die Vertreibung aus Ostpreußen lange dem Dokumentarfilm vorbehalten blieb, hat das Fernsehen 2007 den großen fiktiven Zweiteiler mit Maria Furtwängler als aufrechte Gräfin im Kampf mit ein paar fiesen Nazis, aber viel mehr viel fieseren Russen in Szene gesetzt (Wiederholung: Donnerstag und Freitag, 20.15 Uhr, 3sat). Ein spannendes Thema, das Fragen über historische Verantwortung bis zu ihrer filmischen Umsetzung aufwirft – und dann kriegt man zum Interview mit der Hauptdarstellerin eine Redakteurin der Frau im Spiegel zur Seite gesetzt. Das Protokoll eines Interviews mit völlig unterschiedlichen Bedürfnissen

Interview: Jan Freitag

Frau im Spiegel: Frau Furtwängler, also ich muss Ihnen erstmal ein ganz großes Kompliment machen, ich fand das irrsinnig toll, ganz wirklich, würde ich sonst nicht so sagen.

Furtwängler: Ach ehrlich. Das freut mich.

Frau im Spiegel: Mögen Sie Ihre Rolle, die Lena?

Furtwängler: Ja sehr. Sie ist natürlich anders als ich, aber das, was ich an Andersartigkeit für sie lernen und aus mir herausholen wollte, fand ich sehr spannend. Äußerlich musste ich Reiten lernen, was ich vorher weiß Gott nicht gut konnte, oder Haltung trainieren, weil ich persönlich eher schluffig durch die Pfützen wackle. Und rein innerlich war es für mich eine sehr spannende Erfahrung, Grenzgefühle nicht auszuagieren, was wir als preußische Haltung, besonders in Ausnahmesituationen, kennen. Als der Treck loszieht, lässt ihr Vater sie im Stich. Diese Verzweiflung, diese Ohnmacht zuzulassen, aber dennoch nicht zu tun, was man instinktiv tun würde, nämlich ihn zu packen, auf die Knie zu gehen, ihn beim Abschied zu umarmen, sondern die Haltung zu bewahren, das war sehr anstrengend.

freitagsmedien: Ist Lena also eine aristokratische Person oder nur eine Rückkehrerin mit aristokratischen Restbeständen als Gegenpol in einer zutiefst aristokratischen Welt?

Furtwängler: In ihrem Verständnis ist sie Aristokratin geblieben, allerdings nicht im Denken, besser, sondern verantwortlich zu sein. Das Wissen, es gibt ein höheres Ziel als meine familiären Interessen. Sie kommt zurück aus einer bürgerlichen Welt, zuvor verstoßen wegen eines unehelichen Kindes, und der Vater sagt, er will sie nicht. Kaum droht dem Hof allerdings der Verlust seiner Pferde, kehrt das Gräfliche in ihr wieder, dem es um den Erhalt, die Stabilität, die Leute des Gutes geht. Und das, obwohl ihr gerade vom Vater bedeutet wurde, nicht willkommen zu sein. Zack – ist sie in ihrem alten Muster. Man fragt nicht, man macht. Insofern ist sie zutiefst aristokratisch.

Frau im Spiegel: Sie haben im tiefsten osteuropäischen Winter gedreht. Was waren die größten Strapazen?

Furtwängler: Das Frieren natürlich, auf dem Rücken der Pferde, wo man sich kaum bewegt. Und dann war ich in den ersten Nächten so aufgeregt, dass ich fast überhaupt nicht geschlafen habe. Diese Mischung aus Übermüdung und Kälte hat aber auch geholfen, sich in die Rollen einzufinden. Man musste die Erschöpfung nicht mehr spielen. Ich tat mir so leid: ich bin eine so arme Sau, mir ist kalt, ich hätte gern ein Teechen. Wenn einem dann plötzlich die Bilder von damals aus den vielen Dokumentationen vor Augen flashen, kommt die preußische Haltung in jedem durch und man denkt, auch hier gibt es eine höhere Idee, die Geschichte der Frauen und Kinder, die das erlebt haben, zu erzählen, ihnen eine Stimme, ein Bild zu geben. Und das ist so viel wichtiger als meine Befindlichkeiten. Ich liege ja abends nach einer heißen Dusche im warmen Bett.

freitagsmedien: Ist dieses körperlich erfahrene Leid notwendig oder nur hilfreich für solche Rollen?

Furtwängler: Eher hilfreich. Das Leid einer Mutter, der das Kind im Arm erfriert, kann man ja nicht auf der Basis eigenen Erlebens spielen, sondern nur ein Stück in seiner Vorstellungswelt hingehen. Aber es hilft natürlich, in ihr drinzustecken, in der Kälte, den Menschen, den Pferden. Das macht was mit einem.

freitagsmedien: Haben Sie sich über das Drehbuch hinaus historisch auf die Rolle vorbereitet?

Furtwängler: Ja. Ich hatte mich schon länger für das Thema interessiert, auch für die Gräfin Dönhoff, von der meine Mutter mal gesagt hatte, Kindchen, dieses Buch von ihr musst du lesen und spielen. Ich hab das jahrelang liegen lassen, dann aber doch irgendwann gelesen und gemerkt, was das für eine Zeit war, mit welch eigenartigen Menschen. Diese Art, den anderen mit den eigenen Emotionen auch nicht auf die Nerven zu gehen. Das genaue Gegenteil des heutigen Rauslassens. Sehr beeindruckend. Aber ich hatte die Idee dann wieder verworfen, bis Nico Hofmann zu mir kam und fragte, ob ich nicht Lust hätte, so was zu spielen. Das kam dann wie gerufen, ist aber von der Gräfin Dönhoff meilenweit entfernt.

freitagsmedien: War ihnen die Sensibilität des Themas bewusst? Es ist ja längst nicht ausdiskutiert und beinhaltet in dieser Offenheit viele Fallen, ins Revisionistische abzugleiten.

Furtwängler: Wenn ich ganz ehrlich bin, hab ich die politische Dimension dieses Films erst nach und nach begriffen. Da hatte ich eine gewisse Naivität. Ich war aber von vielen Stellen im Buch sehr angetan, zum Beispiel von der historischen Verantwortung, wenn viele Menschen davon betroffen sind, keine Liebesgeschichte in den Vordergrund zu stellen. Ich war stets angetan, wie sensibel mit dem Thema Schuld umgegangen wird; es wurde nie ein Zweifel an den Verbrechen der Wehrmacht gelassen, wie sie umherschwadroniert und sinnlos auf dem Eis Gefangene abknallt. Oder nehmen sie den Untergang der Wilhelm Gustloff, die mit 10.000 Menschen an Bord torpediert worden war, von denen glaube ich 9.000 umgekommen sind. Und am Strand, auf dem die Leichen angespült wurden, hat die Wehrmacht noch in der Nacht 3.000 Juden erschossen, die Menschen sahen nicht die Leuchtfeuer der Gustloff, sondern das Mündungsfeuer der Soldaten. Mit so etwas wird im Buch wie im Film klug umgegangen, diese historische Dimension wird gut erzählt und mir ist erst danach klar geworden, dass man darüber diskutieren wird und soll.

freitagsmedien: Hat man den Arbeitstitel Flucht und Vertreibung um die letzten beiden Worte gekürzt, damit diese Diskussion nicht außer Kontrolle gerät?

Furtwängler: Na ja, Flucht und Vertreibung war die Chiffre für das kollektive Schicksal, wir haben aber nur den ersten Teil davon erzählt und es ist richtig, den Film entsprechend zu benennen. Die Vertreibung ist ein ganz eigenes Kapitel.

Frau im Spiegel: Die Dreharbeiten haben vier Monate gedauert. Wie haben Sie das gemacht – waren Sie immer von der Familie getrennt, haben Ihre Kinder Sie mal besucht, wie hält man das aus?

Furtwängler: Die haben mich besucht und abgesehen davon hatten wir auch mal zehn Tage Pause hier und fünf Tage dort. Und: Ich habe im Vertrag gnadenlos durchgesetzt, alle zwei Wochen mindestens vier Tage frei zu kriegen, was natürlich gerade in dem Litauen-Teil wegen der Kälte schwierig war; ein logistisches Problem, den Treck da anzuhalten, aber es für mich ein absolutes mütterliches Gesetzt. Nun sind die Kinder auch nicht mehr ganz so klein, das konnte ich denen zumuten und ehrlich gesagt war es auch viel, viel weniger schlimm, als ich es befürchtet habe, diese lange Zeit. Aber dadurch, dass ich im Vertrag so stringent darauf geachtet habe, so und so viele Tage hier und da zu sein…

Frau im Spiegel: Das muss man auch!

Furtwängler: Ein großer Kampf. Dadurch war es sehr machbar. Und es ist ja ein schönes Gefühl, wenn einen die Kinder nicht mehr so sehr fordern und brauchen, dass man merkt, mehr Freiheiten zu bekommen. Aber a priori geht es mir darum, dass es denen gut geht.

Frau im Spiegel: Ja. 16 und 14 sind sie, oder?

Furtwängler: 16 und 15 seit ein paar Tagen.

freitagsmedien: Interessieren die sich schon für das Thema des Films und wollen darüber reden?

Furtwängler: Sie haben ihn vor einer Woche zusammen mit meinem Mann gesehen. Das war mir auch wichtig. Meine Tochter war sehr emotional berührt, sehr unmittelbar, meinen Sohn hat vor allem dieser junge Fritz interessiert, der Nazi, wieso der denn immer noch… So hat jeder seine Identifikationsebene gewählt. Es wirkt bei ihm oft subkutaner, hat ihn aber schon beschäftigt. Allein dieses Verbrechen der Wehrmacht, die Maschinen und Geräte, nicht aber die Zivilbevölkerung zu evakuieren, gerade in Ostpreußen durch diesen Gauleiter Koch. Wie hieß er noch?

freitagsmedien: Oh, da bin ich nicht gut informiert.

Frau im Spiegel: Herr Koch.

Furtwängler: Der war ja ganz besonders grausam; kaum, dass man auch nur versucht hat, mit Sack und Pack zu gehen, wurde man ja als Defätist erhängt. Ein Zynismus, der in Hitlers Leitsatz gipfelte, wenn das deutsche Volk den Krieg nicht gewinnen kann, hat es auch kein Recht zu überleben. Dieses Verbrechen an der Bevölkerung hat meinen Sohn sehr beschäftigt. Wieso sind die denn nicht gegangen? Dieses Gefühl, wo soll ich denn hin, das ist doch meine Heimat.

Frau im Spiegel: Wie stolz sind Ihre Kinder auf ihre Mama? Müssen Sie manchmal Autogramme mitbringen, für Schulfreunde?

Furtwängler: Ja, neulich. Einmal. Ich würde denken, die sind schon stolz und finden das toll. Nicht gerade, wenn ich drehe und gar nicht zuhause bin.

freitagsmedien: Immerhin pubertieren sie gerade. Da sollten sie froh sein, mal allein zu sein.

Furtwängler: Mal so mal so (lacht). Im Grunde sollte die Mutter immer da sein, aber bitte nicht auf die Nerven gehen.

Frau im Spiegel: Das ist das Beste. Wie sind ihre weiteren Pläne?

Furtwängler: Ich drehe weiter Tatort, meine Charlotte Lindholm ist gerade schwanger geworden.

Frau im Spiegel: Ja, das wollten Sie doch gerne.

freitagsmedien: Aber nur Charlotte Lindholm.

Furtwängler: Nur Charlotte Lindholm (alle lachen). Das drehe ich im März, dann mache ich einen Actionfilm, etwas ganz anderes, fürs Kino. Im Moment habe ich eine unglaublich privilegierte Phase in meinem Leben, mit vielen Möglichkeiten, die ich selber entwickle. Das macht viel Spaß, kann ich nicht anders sagen.

freitagsmedien: Ist die Flucht eigentlich ein Liebesfilm mit einer Fluchtdramenhandlung oder ein Fluchtdrama mit Liebesrahmenhandlung?

Furtwängler: Beurteilen Sie’s. Ich finde, wir erzählen in vielen Einzelschicksalen die Flucht und es kommt unter anderem eine Liebesgeschichte vor.

Frau im Spiegel: Mehr untergeordnet.

Furtwängler: Ich finde nicht, dass es vordergründig eine große Lovestory ist. Das ist bei diesem Thema wichtig.

freitagsmedien: Ganz ohne Liebesgeschichte, zumal als Dreieckskonstellation, wäre er allerdings primetimeuntauglich.

Furtwängler: Das weiß ich nicht. Ich glaube schon, dass es in uns Menschen bei allem Elend immer Hoffnung gab und wir haben den Moment einer Kindsgeburt. Die Liebe erhält uns letztlich am Leben. Im Film soll diese Geschichte aber auch illustrieren, wie die Unterschiede zwischen oben und unten in solchem Elend, wo sich alle gleich werden, irgendwann aufgehoben werden, was sie als Gräfin zuvor niemals zugelassen hätte. Außerdem muss man aufpassen, den Zuschauer nicht total zu überfordern. Nur Elend – da steigt jeder aus, das geht nicht. Wir zeigen ja nur zehn Prozent von dem, was man da zeigen könnte und schon das ist (stöhnt) tough. Da ist die Liebesgeschichte ein Gegenpol, nach dem wir uns sehnen.

freitagsmedien: Zugleich wird recht detailliert eine Vergewaltigung gezeigt. War das angemessen, zuviel, zu wenig?

Furtwängler: Nicht zu viel, aber meine Tochter hat es doch als sehr unangenehm empfunden und weggeguckt. Aber meine Güte – es wurden so viele Hunderttausende von Frauen vergewaltigt, das mussten wir zeigen und dann eben nicht viermal. Einmal reicht für mein Gefühl.

Frau im Spiegel: War das schauspielerisch Ihre anspruchsvollste Rolle?

Furtwängler: Die nächste ist fast immer die Anspruchsvollste, aber in der Tat – diese war sicherlich in der Vorbereitung, der Veränderung, dem Eintauchen das Anspruchsvollste.

Frau im Spiegel: Haben Sie noch ein Autogramm?


Bilds Wahrheit und Raabs Relevanz

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Die Woche, die war: 19.-25. August

Das erste Opfer des Krieges, so sagt man, sei die Wahrheit. Und die Bild-Zeitung führt ja bekanntlich seit ihrem Bestehen einen Krieg, genauer: ganz viele Kriege. Gegen guten Journalismus, gegen alles Fremde, Unheimliche, Bedrohliche, gegen die weibliche, homosexuelle, nichtdeutsche Würde und natürlich, genau, gegen die Wahrheit, jedenfalls jene, die einer schönen fetten Meinungsmache im Wege steht. Deshalb tat es am Donnerstag auch nicht Not, dass der Vorwurf eine Giftgaseinsatzes in Syrien irgendwie bewiesen war – für die Feststellung in Text und Kommentar, nun töte Assad auch noch mit ABC-Waffen, reichte ein Verdacht allemal. Womit neuerlich bewiesen wäre, dass die Bild mit Journalismus so viel zu tun hat wie eine Pfälzer Schlachtplatte mit Veganismus, wie der neue Fernsehsender Al Jazeera USA, der dort seit voriger Woche weit seriöser als etwa Fox über die Welt berichtet, mit Islamismus.

Oder wie Hamburg mit der Medienhauptstadt Deutschlands.

Der nämlich verblasst zusehend – nicht zuletzt dank dem, was die aktuellen Sachwalter von Springer aus Axel Caesars Erbe machen. Mit dem Verkauf diverser Titel an die Essener Funke-Gruppe, sorgt der „Verlag“ nämlich gerade dafür, dass demnächst selbst die alte Hörzu von Hamburg ins Ruhrgebiet zieht, so wie es in zwei Jahren Auto-Bild erwischen dürfte. Auf diesen Zug springt nun auch der Bauer-Verlag, indem er seine Frauenzeitschrift das neue fortan von seiner Tochter Pabel-Moewig in Rastatt produzieren lässt. Wenn, was absehbar ist, auch die Zentrale des Spiegels nebst der verbliebenen Zeit-Ressorts das Weite suchen, wenn zudem selbst Lokalredaktionen ihre Inhalte von Sammelstellen fern des Lokalen fertigen lassen, wird sich ein weiteres Stück alter Medienwirklichkeit in Luft auflösen: Die Ortsgebundenheit des Journalismus.

Was auch dem Ruf der Menschen, die ihn betreiben, weiter schaden wird. Falls das überhaupt geht. Denn laut einer Allensbach-Umfrage rangiert der Beruf des Reporters zwar vorm Spitzensportler, aber hinterm Unternehmer auf Rang 12. Selbst Polizisten und Geistliche sind beliebter. Nicht aber Fernsehmoderatoren, deren Tätigkeit satte drei Prozent der Befragten wertschätzen, also ebenso viele wie Banker, deren Renommee von SS-Offizieren mittlerweile nur noch um Aktienbreite unterboten wird. Mut macht da aus journalistischer Sicht allenfalls eine Studie des europäischen Statistik-Instituts Eurostat. Jede(r) fünfte Deutsche, so das Ergebnis, hat noch nie das Internet genutzt – das ist ein gesicherter Platz im EU-Mittelfeld, weit hinter Schweden (5 Prozent), aber doch deutlich vor Schlusslicht Rumänien (48 Prozent), und könnte Auskunft darüber geben, wie es um die Mediennutzung bestellt ist. Denn dieses Fünftel dürfte noch so erzogen sein, auf Papier gedruckte Infos zu konsumieren, ja sogar zu bezahlen.

Die können dann auch womöglich sogar noch etwas mit dem Namen Jörg Plewa anfangen, der diese Woche gestorben ist. Plewa hat 1970 in einem TV-Film namens Millionenspiel die Hauptrolle als Quizshowteilnehmer gespielt, der sich für die Titelsumme von Killern jagen lassen muss. Das war seinerzeit nicht nur sensationelles, sondern auch visionäres Fernsehen.

Aussichtsplattform

Die Woche, die wird: 26. August – 1. September

Und weil es davon nicht immer ausreichend gibt, weil Fernsehen heutzutage ja selbst bei Sendern, die sich für innovativ halten, oft nur endlose Reproduktion des Bewährten ist, gerät Schulz in the Box in zur Sensation der anstehenden Fernsehwoche – und zwar ausdrücklich nicht, wegen des Konzeptes, sondern wegen des Mannes, den Pro7 heute um 22.10 Uhr testweise in eine Kiste steckt und an unbekanntem Ort aussetzt. Denn eins ist sicher: Oli Schulz wird selbst aus ein paar einsamen Stunden im Wald etwas Anarchistisches zaubern.

Etwas weniger anarchistisch, aber dafür sachdienlich wird es dagegen am Sonntag auf gleich fünf Kanälen, die Das TV-Duell übertragen. Wobei der Schlagabtausch zwischen Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinbrück vor allem dadurch an Bedeutung gewinnt, dass beide neben Anne Will, Maybrit Illner und Peter Kloeppel von jemandem auf den Prüfstand gestellt werden, der mit einem relevanten Sender so viel zu tun hat wie Sat1 (das zeitgleich mangels eigenem Moderator Navy CIS zeigt): Stefan Raab. Den leidlich unterhaltsamen, journalistisch aber vollends inkompetenten Klassenclown der kommerziellen TV-Gosse in ein so wichtiges politisches Format zu platzieren, ist mit Schande noch milde umschrieben.

Ganz treffend umschrieben wäre damit allerdings die Tatsache, dass sich der künftige Spiegel -Chef Wolfgang Büchner ausgerechnet Bild-Vize Nikolaus Blome zum Vize erwählt hat, also einen konservativen Scharfmacher fürs linksliberale Kampfblatt früherer Tage. Es sei denn, die außerordentliche Versammlung der Mitarbeiter KG macht dem ordinären Spuk Mittwoch ein Ende. An dem Tag entscheidet sich also nicht nur das Schicksal von Blome, sondern auch das von Büchner und wie einige bereits unken, das des wichtigsten Magazins in Deutschland gleich mit. Na ja, wenn der Printmarkt noch so für Aufregung sorgt, scheint ja noch richtig Leben darin zu stecken.

Was man vom Fernsehen weit weniger behaupten kann. Für den bedeutsamsten Film der Woche Eine mörderische Entscheidung (Freitag, 20.15 Uhr, Arte), die Aufarbeitung des Dramas am Kundus, wo die Bombardierung zweier Tanklaster vor vier Jahren fast 100 Zivilisten in den Tod gerissen hat, wählt Regisseur Raymond Ley schließlich das reichlich abgenutzte Format des Dokudramas. Was auch durch den famosen Matthias Brandt als Oberst Klein nur bedingt kreativer wird. Interessanter ist da doch die Idee des Brausekanals Servus TV, eine Oper live fürs Fernsehen zu inszenieren, auch wenn es mit Mozarts Entführung aus dem Serail heute natürlich eine der leichtere Art ist.

Eher leichter unterhält auch die Kinoadaption der ARD-Serie Türkisch für Anfänger, die voriges Jahr zu den Kassenschlagern zählte und dafür nun im Ersten sogar die Primetime erhält. Die kriegt auch Du bist dran, der Mittwochsfilm an gleicher Stelle, in dem der grandiose Lars Eidinger diesmal einen Hausmann spielt, dem die moderne Arbeitsteilung mit einer erfolgreichen Frau zusehends auf den, Pardon: Sack geht. Apropos grandios: Die Frau, der dieses Attribut passt wie sonst keiner im öffentlich-rechtlichen Sachfernsehen, stellt heute nach den Tagesthemen im trimedialen Format Überzeugt uns! Politiker aller Parteien auf den Prüfstand. Da kann man den schlechtesten St. Pauli-Film aller Zeiten (Gegengerade) trotz der namhaftesten Schauspieler (wie Mario Adorf) zur gleichen Zeit im NDR noch leichteren Herzens verpassen.

Besser nicht verpassen sollten Fans des Münchner Filmemachers Klaus Lemke dagegen die lange Nacht mit drei seiner jüngeren Werke (Berlin für Helden, 3 Kreuze für einen Bestseller, Dancing with Devils), Freitag ab – danke ZDF! – halb ein Uhr nachts. Ebenso die neue alte ZDFneo-Reihe Herr Eppert sucht (Donnerstag, 23 Uhr), diesmal: afrikanische Stammesoberhäupter in Deutschland. Am gleichen Tag auf gleichem Kanal übrigens wie der Tipp der Woche. Diesmal: Nicht nachmachen! mit Wigald Boning und Bernhard Hoëcker als Gefahrensucher. Nicht subtil, aber ungemein witzig.


Report: 100 Jahre Mensch ärgere Dich nicht!

Frohes Ärgern

Vor 100 Jahren kam das beliebteste Spiel der Deutschen auf den Markt. Seither steht „Mensch ärgere Dich nicht!“ für gesellige Schadenfreude. Hommage an eine Institution

Von Jan Freitag

Wer kennt diesen Sketch nicht von zuhause: „Na was is“, sagt Gerhard Polt darin zu seinem Sohn, dem nach zwei rausgeworfenen Figuren die Lust vergeht, „jetzt wird anständig gewürfelt“. Doch Heinz-Rüdiger will nicht, Papa zieht an seiner Stelle, schmeißt ihn dann nochmals raus und schüttelt sich nebst Mama vor Lachen. Was folgt, ist Alltag: Mit einem Wisch fegt der Bub das Brett ab, kriegt was an die Ohren und die Drohung hinein, so lang weiterzuspielen, „bis du den Ernst von dem Spiel amol begreifst“.

www.youtube.com/watch?gl=DE&hl=de&v=9OcuxYlOdGY&feature=related

Das Spiel heißt (natürlich) Mensch ärgere Dich nicht! und es sorgt seit genau 100 Jahren für Freude wie Verdruss. Denn 1912, als der erste Leichtathlet zwei Meter hoch sprang und die Titanic sank, brachte ein Tüftler namens Josef Friedrich Schmidt das Spiel der Spiele zunächst als Versuchsversion, ein Jahr später dann ganz offiziell in den Handel, . Da war es zwar noch ein Prototyp, handgemacht in einer kleinen Münchner Werkstatt, eher für Schmidts Söhne als den Massenbedarf. Doch das sollte sich mit der Serienfertigung ab 2014 ändern.

Denn der Spaß für vier bis sechs Personen, den Schmidt der indischen Urversion Pachisi, mehr aber noch dem britischen Ludo nachempfunden hatte, er kultivierte etwas Ungewohntes, ja Ungehobeltes, also sehr Erfrischendes in der guten Stube: Die Schadenfreude. Anders als bei den Vorläufern wurde das Rausschmeißen von der Variante zum Wesenszug – und damit der Ärger des Gegners. Ein Instinktgefühl wie das Lachen selber. Und irgendwie muss es wohl deutsche Züge tragen – sonst hätten Portugiesen und Polen, Italiener oder Iberer, Franzosen wie Engländer „Schadenfreude“ kaum in den eigenen Sprachschatz integriert. Vielleicht ja auch, weil man nicht nur in diesen Ländern bisweilen denkt, die ersten zwei Silben des Wortes, von dem wir der Welt im Lauf der Geschichte ein bisschen sehr viel zugefügt haben, erzeugt im Ursprungsland fast zwingend die hinteren beiden.

Da kann es doch kein Zufall sein, dass Mensch ärgere Dich nicht! ausgerechnet da zum Durchbruch kam, wo die Schadenfreude irgendwie endemisch ist: Auf dem Schlachtfeld. Bis zum 1. Weltkrieg nämlich wollte es kaum jemand kaufen. Also schickte der Spielproduzent in spe noch vor der Firmengründung 3000 kostenlose Exemplare an die Front. Aus Patriotismus, schreibt die Unternehmenshistorie. Mehr aber noch aus Groll den Misserfolg, der im Schützengraben sein Ende fand: Die heimkehrenden Soldaten spielten zuhause einfach weiter.

Mensch ärgere Dich nicht nun als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln zu sehen, ginge aber doch zu weit. Das „populärste Gesellschaftsspiel der Nation“, wie es der „Spiegel“ zum 75. Geburtstag beschrieb, macht einfach ohne großen Aufwand viel Spaß. Und die Lust am Leid anderer hat seine Ursprünge auch eher in der hierarchischen, später ständischen, bald kapitalistischen Gesellschaft als in einer Art deutschen Wesen. Schadenfreude gab dem Pöbel wenigstens dann ein kurzes Gefühl von Gleichheit vorm Schicksal, wenn die Oberschicht mal in den Dreck stolperte. Sie ist folglich keine Boshaftigkeit, sondern die „kleine Schwester der Niedertracht“, wie die „Zeit“ mal schrieb: verwandt mit dem Neid, gespeist vom Minderwertigkeitsgefühl, evolutionär überlebenswichtig, „weil sie das Gruppenrudel vor Einzelschmarotzern schützt“. Ein sozialer Kitt.

Und er wird in jener Hirnregion angerührt, die Forscher der Universität London dank mehrerer Spielexperimente auch bei Essen, Sex, Drogenkonsum aktiviert sehen. Es geht um Befriedigung. Da das gesellschaftliche Normenkorsett jener Zeit indes nur ein begrenztes Maß an Spott zuließ, kam Schmidts Spiel, von Kennern „Mädini“ abgekürzt, in einer humorlos militärischen Klassengesellschaft wie der wilhelminischen grad recht. Vor der Anleitung waren endlich alle gleich: Eltern und Kinder, Freund und Feind, satt und hungrig, uniformiert und zivil, oben und unten. „Das wohl deutscheste Spiel“, wie es die Spielesammlerin Ulrike Schiefer nennt, muss man so gesehen als Ventil einer Nation im Würgegriff von Anstand und Ordnung sehen.

Umso bemerkenswerter, dass die Berliner Firma mit bayerischen Wurzeln auch in der liberaleren Gegenwart jährlich gut 100.000 der knallroten Kartons mit dem giftgrünen Streitpotenzial verkauft. Das Layout mag optisch dem Zeitgeist gefolgt sein, der genervte Anzugträger überm geschwungenen „M“ mehrfach Krawatte und Frisur gewechselt haben – im Kern blieb das Design ebenso erhalten wie die entwaffnend simplen Regeln. Im Grunde, meint Dirk Hanneforth, der als Verfasser des Buchs „Ärger-Spiele“ zum ausgewiesenen Experten avancierte, „ist nichts dran“. Es erzähle keine Geschichte, urteilt der Schuldirektor aus Bielefeld, „die Idee ist zu einfach, die Aufmachung verglichen mit heutigen Spielen furchtbar“. Ein optisch unterforderndes, haptisch unspektakuläres, ästhetisch primitives Pappquadrat mit Pöppeln genannten Plastiksteinen – und doch gut 70 Millionen Mal verkauft.

Einst für 35 Pfennig, heute zu zehn Euro, längst auch als Bodenspiel oder Reisemini, auf CD-Rom oder Friesisch, mit Automatikwürfel oder Jokerkarten, im Pyramiden- oder Retrolook. Franzosen spielen aufmunternd Mach dir nichts draus, Amerikaner folgebewusst Frustration, Polen kryptisch Chinese, vor allem Deutsche aber sollen sich bloß nicht ärgern, tun es aber doch beständig. Bei Landesmeisterschaften, unter Wasser oder 136 Stunden am Stück.

Das Inventar jedes gut sortierten Elternhaushalts ist derart wichtig für die hiesige Popkultur, dass Gerhard Polt daraus einen brillanten Sketch machte und Sat1 eine weniger brillante Show namens Promi ärgere Dich nicht!. Es ist aber sogar so bedeutsam, dass vor zwei Jahren gar eine Briefmarke herauskam, mit dem üblichen Ablauf als Motiv: Zwei lachen, einer wütet, das Brett fliegt, Spiel aus, alles von vorn. Doch die Post lag mit dem vermeintlichen Jubiläum so daneben wie das allwissende Online-Lexikon Wikipedia. Zumindest offiziell. Selbst der Hersteller hatte sich zunächst auf 1912 festgelegt, als das Spiel erstmals im Handel aufgetaucht war, was Spielforscher Hanneforth bestätigt. Mittlerweile jedoch jubiliert Schmidt-Spiele lieber 2014, im Jahr der Firmengründung. Betriebswirtschaftlich trifft es das sogar besser: Ohne Mensch ärgere Dich nicht! gäbe es da nicht fiel zu feiern.

EPIGONEN

Verliere nicht den Kopf: Dabei muss man auf Eckfeldern, die man genau trifft, auf die diagonal gegenüberliegende Ecke ziehen.

Zoff der Zünfte (2006, 3-Hirn-Verlag): Hier haben die Pöppel Funktionen bzw. Charaktere wie Bursche, Geselle, Meister.

Nichts als Ärger (1999, Heidelberger Spieleverlag): Ergänzungskartenspiel, zu dem man ein Mensch-ärgere-Dich-nicht!-Brett benötigt. Die gezogenen Spielkarten lenken die Pöppel.

Teufelsrad (1938, Ravensburger): Mischung aus Mensch ärgere dich! nicht und Malefiz.


Gladbeck: 25 Jahre Geiseldrama

Das öffentliche Verbrechen

Vor 25 Jahren hielt die Geiselnahme von Gladbeck das Land in Atem. Auch, weil Dieter Degowski, Hans-Jürgen Rösner und ihre Gefangenen nicht nur 54 Stunden von der Polizei, sondern auch von einer Pressemeute verfolgt wurden. Rückblick auf einen Sündenfall

Von Jan Freitag

Jung sieht Frank Plasberg aus, sein Schnauzer ist zeitgemäß und das Mikro schmucklos. Doch er hält es schon mit jener drängelnden Lässigkeit, die ihn noch heute kennzeichnet. Kaum zu glauben, dass der harte, aber faire Talkshowhost im August 1988 Akteur einer echten Katastrophe der Medienkultur war. „Es hatte was von einem geordneten Verfahren“, schildert Plasberg, wie er sich beim Geiseldrama von Gladbeck vor 25 Jahren artig in die Reihe enthemmter Reporter zum Interview mit Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner samt ihrer zwei Gefangenen einreihte.

Es war ein journalistischer Sündenfall.

Die Disziplin der Presse war schließlich das einzig Geordnete in diesen 54 Stunden zwischen einem Bankraub und seinem blutigen Ende. Ansonsten herrschte das blanke Chaos: Polizisten ohne Konzept, Politik ohne Einfluss und Medien ohne Ethos machten den Fall zum „spektakulärsten Verbrechen der Nachkriegszeit“, wie es Bremens damaliger Innensenator Bernd Meyer beschreibt, „sowohl von der kriminellen Energie als auch von der Öffentlichkeitswirkung her“.

In der Tat. Denn das erste fast vollständig gefilmte Verbrechen der Bundesrepublik, im Osten nur eine Randnotiz wert, war mit drei Toten und zweimal lebenslang nicht nur besonders spektakulär; erstmals standen in der Mediengesellschaft die Medien selbst derart im Fokus der Kritik. Nicht einzelne Genres wie der Boulevard oder einzelne Magazine wie der Stern, sondern die ganze Branche. Und ohne das Flugunglück von Ramstein zehn Tage nach dem Ende der Geiselnahme hätte es vielleicht gar einen Reinigungsprozess gegeben. So aber ersetzte eine Sensation die andere und es blieb bei der Ergänzung des Pressekodexes um die Selbstverpflichtung, künftig kein „Werkzeug von Verbrechern“ mehr zu sein. Als sei das zuvor eine Option gewesen.

Das war es nicht. Zu undenkbar schien ein Fall wie Gladbeck: Rasende Reporter zwischen Verfolgten und Verfolgern, interviewte Bankräuber beim Fliehen, Kidnapper als Fernsehstars – eine Situation, zu absurd, um untersagt zu werden. Dann aber ruft Hans Meiser in der besetzten Bank an und fragt, welches Fluchtauto gefordert sei. Dann heftet sich ein Pressemob ans Heck und behindert die Polizei. Dann sagt der Desperado Rösner vor laufenden Kameras, „ich scheiß’ auf mein Leben“, und 13 Millionen Zuschauer sind live dabei.

Eine Topquote für eine Bombenshow. Erst 1985 hatte Neil Postman gemutmaßt, im kommerziellen TV-Zeitalter gehe alles in Unterhaltung auf, da lieferte ein Gangster-Event den Beleg. Gladbeck trieb den Journalismus tief ins Entertainment und vermengte wie nie zuvor Nähe mit Relevanz, Teilhabe mit Erkenntnis. „Wir waren wie berauscht“, gestand Udo Röbel vom Kölner Express 2008 in besagter Dokumentation, warum er das Fluchtauto vom Beifahrersitz aus zur Autobahn lotste. Ein Eingriff, den der spätere Bild-Chef an gleicher Stelle damit rechtfertigte, alle seien „geil auf die Story“ gewesen. So geil, dass ein dpa-Reporter auf Verfolgungsjagd selbst angeschossen zur News wurde und Radioreporter Plasberg sein Mikro so dicht unter Entführernasen hielt, dass das SEK ringsum nur deshalb nicht zugriff, weil wohl irgendein Reporter, wie deren Einsatzleiter Spiegel TV zu Protokoll gab „versucht hätte, das entscheidende Foto zu machen“.

Diese Verquickung von Subjekt und Objekt wurde zwar nicht erst im August 1988 geboren, gewann aber damals eine Strahlkraft, ohne die weder Leserreporter von Bild bis Stern noch Regenbogenpromis von Wulff bis Guttenberg denkbar sind. Und wenn die Tagesschau Berichte mit Bildern aus Köln garniert, wo die Täter kurz vorm Showdown eine Art Pressekonferenz in der Fußgängerzone abhielten, heiligt das Mittel einen bestimmten Zweck: Emotion durch Nähe. Andererseits schloss die Spitzenmeldung seinerzeit mit einer Medienkritik, die noch während der Geiselnahme von Presserat bis Polizeigewerkschaft geübt wurde.

Was folgte, war eine heilsame Debatte. Denn auch wenn der Boulevard zusehends mit seinen Themen verschmilzt, hat sich die seriöse Presse nie mehr so grotesk gemein mit den ihren gemacht wie damals. Und falls doch, fließt die Grenze zur Vereinnahmung. Beim Grubenunglück in Borken hielt man zwei Monate zuvor über den Hessischen Rundfunk Kontakt in den Schacht, was neben tollen O-Tönen die Rettung von sechs Kumpels mit sich brachte. Interviewte Nazis am Lichtenhagener Sonnenblumenhaus durften sich vier Jahre später zwar vor selbst inszenieren, sorgten aber auch für Gegenmobilisierung. Und in Gladbeck wog man die Entführer mit falschen Radiomeldungen über planlose Verfolger in Sicherheit und erfuhr beim Interview von Rösners schwerer Kindheit.

Es ist die Grundsatzfrage nach dem Mehrwert des Illegitimen. Vor Gericht beantwortet sie das Verbot illegal beschaffter Beweise, der Journalismus aber lässt offen, ob und wie man Kritik mit dem Kritisierten bebildern darf. Weil die Erregungsgesellschaft jedoch nicht Zaudern noch Moral duldet, nimmt das Image des Journalismus mit jeder Grenzübertretung, jedem Skandal um des Skandals Willen weiteren Schaden. Weil Gladbeck gezeigt habe, „was passiert, wenn der Jagdtrieb mit Journalisten durchgeht“, sagte Frank Plasberg vor zwei Jahren reuig, „würde ich das heut nicht mehr machen“. Das Publikum riete ihm wohl etwas anderes. Als der NDR mal Die bewegendsten TV-Momente wählen ließ, landete das Geiseldrama auf Platz 13 – hinter Lady Di’s Beerdigung. Aber vor ihrer Hochzeit.

Text, pics, Kommentare: http://www.zeit.de/kultur/film/2013-08/gladbeck-geiseldrama-medien


Dieter Kürten und Sven Voss, sportstudio

Ein bisschen sportstudio-bashing

Ein Gartenlokal im Herzen des deutschen Sportjournalismus: das Wiesbadener i-Punkt, flankiert vom hessischen Sportministerium und dem örtlichen Presseclub. Da könne schon mal ein Bela Réthy reinschneien, meint der Nachwuchsmoderator Sven Voss vorm Doppelinterview mit Dieter Kürten. Am Ende bringt der 78-Jährige aber nur seine Tochter zum Gespräch mit dem jüngsten und dem ältesten noch lebenden Moderator einer Legende: des „aktuellen Sportstudios“. Es wird bald 50, ist stets in Bewegung und doch irgendwie die alte geblieben, seit der Erstausgabe am 24. August 1963.

Interview: Jan Freitag

freitagsmedien: Herr Kürten, Herr Voss, haben Sie Lust auf ein kleines Sportstudio-Quiz zu Beginn?

Sven Voss: Mit Gewinner und Verlierer?

Eher zum Faktencheck.

Dieter Kürten: Na dann los.

Wann genau lief das allererste aktuelle Sportstudio?

Sven Voss: 1963.

Dieter Kürten: Am 24. August, zur Einführung der Bundesliga.

Wer hat es moderiert?

Kürten: Heribert Meisel; ein witziger, charmanter Funkreporter, der fürs enge Fernsehformat allerdings nicht der Richtige war und prompt dreieinhalb Stunden überzogen hat. Nach fünf Ausgaben ist er nicht mehr gekommen.

Voss: Ich habe bezeichnenderweise vorhin noch mal bei Wikipedia nach dem ersten Moderator gesucht, seinen Namen bis hierhin aber schon wieder vergessen. Er ist mir namentlich bekannt, aber meist wird ja doch von anderen wie dir gesprochen, Dieter.

Kürten: Der ZDF-Sportchef hatte ihn ja auch nur geholt, weil er kurz zuvor Länderspiel gegen Österreich so gut kommentiert hatte.

Und wie hieß dieser Sportchef?

Voss: Oh Mann, das ist ungerecht.

Kürten: Horst Peetz. Das war auch so ein Irrglaube früherer Tage, ein sehr guter Zeitungsjournalist wie er funktioniere automatisch im Fernsehen. Das muss nicht so sein.

Seit wann gibt es das Sportstudio in Farbe?

Voss: Weil ich hoffe, dass wir uns langsam meinem Jahrgang nähern, würde ich mal raten: 1972?

Kürten: Eher Mitte der Sechziger, ich hab das Bild von Willy Brandt, wie er auf der ifa den Knopf drückt, noch vor Augen.

1967. Und jetzt kommen Sie, Herr Voss. Franz Beckenbauer wird auch Gast Ihrer beider Jubiläumssendung sein. Zum wievielten Mal insgesamt?

Voss: Sagen wir 39 Mal.

Kürten: Also er war Harry Valériens Lieblingsgast, deshalb biete ich 52.

Knapp, 57. Was war sein bestes Ergebnis an der Torwand?

Kürten: Fünf hatte er nicht, aber einmal eins vom Bierglas.

Voss: Ich sag vier.

Und wer ist Mark Schnatterer?

Voss: Ah, das ist für mich: Fußballer beim FC Heidenheim, die am Tag meiner ersten Sendung 2011 Werder Bremen aus dem Pokal geworfen hat. Ein Überraschungsgast, denn ich hatte mich auf Sebastian Kehl vorbereitet, aber kurzerhand wurde dieser Pokalheld eingeladen, und da wurde mir schlagartig bewusst, warum dieses Sendung „aktuell“ im Titel trägt. Hier kann man sich nicht zurücklehnen. Der Name stand bis dahin nicht in meinem Poesiealbum, ich wusste nichts von ihm.

Kürten: Was uns zurückführt auf unseren Beruf: Fragen, fragen, fragen, statt sich alte Antworten bestätigen zu lassen!

Voss: Ganz genau, mehr über den Gast zu wissen als er selbst, kann Gespräche behindern. Bei mir ist es nicht mehr als eine Din-A-4-Seite Informationen. Nur: bei Mark Schnatterer war das Blatt leer.

Speichert sich so eine Premierensendung fotografisch ins Langzeitgedächtnis ein?

Voss: Ich hab sogar noch die Fragen im Kopf, die ich nicht gestellt habe.

Kürten: Und ich hab 30 Minuten überzogen, da wir allen Ernstes eine neue Aufnahmetechnik vorgestellt haben. Dafür musste ich mich live mit vier Ingenieuren rumplagen und wusste zudem noch nicht genau, wann ich wie wo zu stehen hatte. Aber ich bin durchgekommen.

Voss: Und wie viele Sendungen hast du gebraucht, um nicht nur durchzukommen, sondern Spaß zu haben?

Kürten: Sicher ein Dutzend. Und richtig frei geworden bin ich erst in der Zeit, als ich junger Bengel unter den 15 Jahre älteren Thoelke, Valérien, Günzler nicht mehr nur alle Vierteljahr an der Reihe war, was jede Sendung zum Debüt macht, sondern mit Harry im Wechsel, so anstrengend es dann auch wurde.

Voss: Schön das zu hören, denn ich hatte zu Beginn auch dieses Gefühl, bloß gut durchkommen zu wollen in dieser Institution mit ihren klaren Abläufen, die man keine Minute überziehen darf. Ohne Schalke 05 zu sagen, ohne das Torwandschießen zu vergessen. Mich davon frei zu machen hat schon einige Sendungen gedauert.

Kürten: Wir mussten uns beide auch ein bisschen von großen Namen emanzipieren, die schon vor uns da waren. Und von der Bedeutung der Sendung, denn das Sportstudio war damals der große Reißer, der machen konnte, was er wollte – zeitlich, finanziell, dramaturgisch; die Freiheit war riesig, auch für uns Moderatoren, die sich völlig frei entfalten konnten.

Macht das den Moderator von heute ein wenig neidisch?

Voss: Schon. Zumal die Fallhöhe bei mir eine andere war. Als Dieter begonnen hat, war das Sportstudio vier Jahre alt, mich begleitet es von Kindesbeinen an, umso mehr, seit ich 1999 selber zum Fernsehen kam. Dieser Tradition bringt man eine gewisse Demut entgegen; trotzdem würde ich mir manchmal mehr Freiheiten wünschen, weiß aber auch, dass das allein durch die Rechtevergabe oder nachfolgende Sendungen eng begrenzt ist. Nach uns kommt ja kein Testbild mehr.

Kürten: Und vor uns gab es nur die Sportschau, ein total nachrichtliches Format. Wir dagegen waren in den Worten von Wim Thoelke eine „Unterhaltungssendung mit stark sportlichem Charakter“. Die wiederum dazu führte, dass auch Ernst Huberty im Ersten lockerer wurde und bald das Tor des Monats gewählt wurde. Gerade weil wir so viele Freiheiten hatten, haben wir den Sportjournalismus weiterentwickelt. Trotzdem ist zu viel Zeit nicht nur positiv, da entsteht auch viel Kokolores.

Hätten Sie sich da auch mal die Restriktionen von heute gewünscht, mehr Struktur?

Kürten: Nö, nie. Das war eine viel zu schöne Spielwiese, aber auch die wurde mit der Zeit zurechtgestutzt.

Voss: Und es geht ja nicht nur ums Zeitliche. Zu Dieters Zeiten hat sich jeder Sportler drum gerissen, ins Sportstudio zu gehen; wir müssen heute schon ganz schön Steine klopfen und am Ende doch einsehen, dass 90 Prozent der Gäste, die wir gern Samstag hätten, schon Montag völlig verplant sind. Aber zu kämpfen lohnt sich immer.

Kürten: Bei uns boten sich ihnen dagegen unvergleichliche Verbreitungsmöglichkeiten, vor fünf, sechs Millionen Zuschauern ihr Renommee zu verbessern. Und das wussten die zu nutzen, weil das oft Männer mitten im Leben waren, mit Frauen, Kindern, Berufen, die plötzlich mit Fußball Geld verdienten und durch die Welt reisten, was ungeheuer klug macht. Die konnten wir alles fragen und sie haben auf alles geantwortet, weil ein Vertrauensverhältnis bestand.

Das damals noch nicht so sehr von kommerziellen Selbstvermarktungsinteressen beeinflusst war.

Kürten: In der Tat. Da saß kein Trainer mit einer Werbespange am Hemdkragen vor mir, was ich für Erwachsene mit Vorbildfunktionen als unangebracht und geschmacklos empfinde.

Voss: Und zum Glück kommt man von dieser Art PR auch langsam wieder weg. Die haben halt heute ganz andere Vermarktungsmöglichkeiten als uns, was man an der Präsentation von Mario Götze im Nike-Shirt bei den Adidas-Bayern gesehen hat.

Kürten: Da kann mir keiner erzählen, dass das nicht genau so geplant war.

Voss: Aber ich fühle mich von so was auch nicht missbraucht, solange ich meine Arbeit machen kann. Die würde eher beeinträchtigt, wenn vorher Fragen abgesprochen werden sollen.

Kürten: Ich habe meine Gäste immer selbst eingeladen, aber wenn da einer gesagt hätte, über das und das nicht reden zu wollen, hätte ich ihn auch ganz schnell wieder ausgeladen. So weit kommt’s noch, dass alle Welt über etwas redet, und wir im Sportstudio dürfen das nicht.

Voss: Es sei denn, es geht um Privates. Wenn vorige Saison, als wir Rafael van der Vaart einladen wollten, jemand vom HSV gesagt hätte, bitte nicht über seine Ehe zu sprechen, wäre das okay gewesen; interessiert mich eh nicht so. Aber sportlich will ich jede Frage stellen dürfen, das war damals so, das ist heute nicht anders.

Könnte man den heutigen Voss in die Zeit von Kürten teleportieren und den jungen Kürten in die Gegenwart – würden Sie im Format des jeweils anderen funktionieren?

Kürten: Na sicher, aber ob das sinnvoll wäre, ist eine andere Frage. Wie gefällig Moderatoren sind, ist ja keine Zeit-, sondern eine Typfrage. Ich werde heute noch auf der Straße angesprochen, ob ich es nicht noch mal machen würde, aber grundsätzlich funktioniert jeder Moderator durch das, was ihn kennzeichnet.

Voss: Ob es funktionieren würde, weiß ich nicht. Aber als großer Fan der Sechziger hätte ich große Lust auf Dieters Zeit. Wegen der Freiheiten, mehr aber noch der großen Aufmerksamkeit für die Sendung, deren Inhalte seinerzeit enorme Relevanz hatte. Heute müssen wir um Aufmerksamkeit weit mehr kämpfen.

Kürten: Schließlich ist Sport nun sogar Teil von Formaten, die ihn zu meiner Zeit nur mit spitzen Fingern angefasst hat. Die Tagesschau zum Beispiel zeigt oft minutenlang Fußball. Schon das macht beide Zeiten schwer unterscheidbar.

Aber gab und gibt es denn eine Art Sound, der das Sportstudio in 50 Jahren kennzeichnet und von anderen Sendungen unterscheidet?

Kürten: Es gab und gibt immer eher bestimmte Typen, die die Sendung geprägt haben.

Voss: Geprägt hat das Sportstudio in jedem Fall, dass es Gäste hat, denen man sich eine Viertelstunde, also länger als in jeder anderen Sportsendung, auch persönlich nähern kann.

Kürten: Wobei Sven heute den Vorteil hat, sich wirklich voll auf einen Gast, vielleicht mal zwei zu konzentrieren. Bei mir waren es schon mal fünf, sechs, sogar sieben. Da hast du immer noch mehr Zeit als anderswo, aber nicht genug. Das ist bei aller Kritik an unserem Moderationsstil oft nicht deutlich geworden, wie schwer es ist, sich innerhalb enger Zeitrahmen einem Menschen wirklich zu nähern.

Voss: Zum Glück gab es zu deiner Zeit noch kein Twitter oder Facebook. Da kommt diese Art Kritik nämlich in Echtzeit. Und sicher nicht immer nur konstruktive.

Empfinden Sie denn die Kritik als konstruktiv, das Sportstudio betreibe zusehends Gefälligkeitsjournalismus, der die Befragten kaum noch mit harten Fragen konfrontiert?

Kürten: Konstruktiv vielleicht, aber nicht fair. Was die Süddeutsche den Moderatoren da vor einigen Wochen vorgeworfen hat, ging voll unter die Gürtellinie, das sagen sogar deren Redakteure.

Voss: Unserem Gast nicht gleich mit der ersten Frage zu beleidigen, erscheint einigen Kritikern offenbar bereits als Kuscheljournalismus. Aber wen ich einlade, lass ich doch nicht als erstes auflaufen! Wenn ich lese, wie die Süddeutsche mein Interview mit Matthias Sammer kritisiert, das vielfach gelobt wurde, klingt das ein bisschen nach Sportstudio-Bashing.

Kürten: Das auch ein wenig damit zu tun hat, dass Zeitungsjournalisten sich Fernsehjournalisten ein bisschen unterlegen fühlen, weil wir in der Pressekonferenz wegen der Zeitnot oft die ersten Fragen haben.

Voss: Dennoch gibt es da keine Hierarchie. Höchstens eine, die dadurch entsteht, dass wir viel Geld für unsere Bewegtbilder zahlen; damit erkaufen wir uns gewissermaßen einen Vorteil. Ob und wie wir mit Matthias Sammer reden, hat damit allerdings herzlich wenig zu tun.

Kürten: Und wenn der Sammer nichts sagen will, sagt der nichts und kriegt dafür auch noch Beifall. Das ist einfach einer der schwierigsten Gäste im Geschäft und weiß sehr gut, dass es durchaus gut ankommt, es dem Moderator mal zu zeigen.

Voss: Dabei hat das trotzdem Spaß gemacht, denn selbst wenn ein Sammer nichts sagt, ist es unterhaltsam, wie er das tut. Er hat zwar noch während der Sendung gesagt, wie clever ich fragen würde, aber dennoch geschwiegen. Da hilft auch keine Härte.

Kürten: Man kriegt ohnehin selbst bei so einem mehr raus, wenn man erstmal freundlich ist, also auf Umwegen, statt frontal vor die Stirn. Man muss sich ran schleichen, ohne das Vertrauen aufs Spiel zu setzen. Dieses direkte Fertigmachen kann ich nicht leiden.

Voss: Zumal da einerseits so ein merkwürdiger Unfehlbarkeitsanspruch mitschwingt, andererseits die Unterstellung, wir selbst würden uns für total fehlerlos halten. Aber wir sind doch alle Journalisten, die was rauskriegen wollen und sich zutiefst ärgern, wenn das nicht klappt. Aus welchen Gründen auch immer. Keiner von uns will sich einen gemütlichen Abend mit harmlosen Gästen machen.

Am Spielfeldrand hat man das Gefühl bisweilen schon, wo fast nur noch Wie-Fragen gestellt werden?

Kürten: Wie sehr freuen Sie sich, drei Tore geschossen zu haben. Überflüssig, keine Frage. Spannender wäre, ob man nach drei Toren beginnt, nur an sich selbst zu denken, statt ans Team.

Voss: Und man muss auch mal aufpassen, die Vergangenheit nicht zu verklären. Auch Dieter hat mal Interviews ohne harte Fragen gestellt.

Kürten: Mir wurde oft genug das Gegenteil bescheinigt.

Voss: Deshalb sollte man sich da keine Einzelfälle rauspicken und uns daran zu Conferenciers erklären, weil wir ab und zu die weiße Fahne hissen.

Wie viel Meinung ist denn erlaubt?

Voss: Ich persönlich glaube, mir durchaus ein bisschen mehr davon rausnehmen zu dürfen; da bin ich manchmal noch zu vorsichtig. Jeder Moderator hat das Recht, seine Meinung einzubringen, das habt ihr euch früher vielleicht stärker herausgenommen.

Kürten: Mag sein, aber wer dauernd mit seiner Meinung schief liegt, bietet eine ungewollte Angriffsfläche, die man verteidigen können muss.

Dürften Sie einem Dietmar Hopp zum Beispiel offen sagen, das System Hoffenheim mache den Fußball kaputt, oder einem Sebastian Vettel, er zerstöre das Klima.

Voss: Wenn man der Meinung ist, gern. Man muss es nur mit Fakten unterfüttern können.

Kürten: Und nicht nur äußern, weil es die herrschende Meinung ist.

Voss: Das ist eine Einzelfallentscheidung. Selbst in streitbareren Sendungen wird ja nicht ständig draufgehalten. Pauschale Konfrontation ist kein Königsweg.

Kürten: Schon gar nicht in unserer Sendung, wo die Gäste eine Weile mit uns sitzen und kooperieren müssen.

Wollen die Zuschauer Samstagnacht womöglich auch gar keine Streitereien, sondern schicke Tore sehen?

Voss: Da ist was dran.

Kürten: Früher auf jeden Fall. Zu meiner Zeit wurden die Sportreporter in den großen Redaktionskonferenzen eher geduldet. Selbst der Fußball ist erst mit der Zeit zum Machtfaktor heutiger Tage geworden; seine gesellschaftliche Relevanz wurde früher auf seinen Freizeitcharakter reduziert, während er heute ein Milliardengeschäft ist und Abermillionen fesselt. Heute läuft das Frauenländerspiel Deutschland-Island im Hauptabendprogramm.

Voss: Vor sieben Millionen Zuschauern!

Kürten: Ungefähr die Zahl meiner einstigen Sportstudio-Zuschauer, aber die wollten vor allem Spaß haben, die Gesellschaftsfähigkeit kam später.

Tat Ihnen das nachträglich in der Sportreporterseele weh?

Kürten: Nein, denn ich hatte nie einen Zweifel dran, dass das kommen würde. Mich hat es nur geärgert, wenn unser Genre im eigenen Haus schlecht behandelt wurde.

Voss: Ich habe es oft genug erlebt, dass ein paar Millionen Zuschauer zufrieden waren, aber das ZDF zerfleischt die Sendung. Kritisieren und kritisiert werden gehört allerdings auch ein bisschen zum Spiel dazu und glauben Sie mir: Ich schlafe deshalb nicht schlechter.

Kürten: Selbstbewusst sein darf man schon und an seine Stärken glauben. Ich kann mich jedenfalls vor allem an die guten Momente im Sportstudio erinnern.

Was waren denn da ihre schönsten, vielleicht auch die schönsten Streitgespräche?

Kürten: Komm, Sven, bei dir geht’s schneller.

Voss: Also meins war seltsamerweise das kritisierte mit Matthias Sammer. Diese Mischung aus Unterhaltung und Ernsthaftigkeit war toll. Es gab auch mal eine Diskussionsrunde mit Fanvertretern, Psychologen, DFL zum Thema Gewalt in den Stadien. Das war nicht steuerbar, deshalb war ich darin genau das, was mein Beruf ist: Moderator.

Kürten: Schön waren natürlich immer die Pannen. Die Sache mit der Perücke zum Beispiel, die ein Affe der Frau von Johnny Weissmüller vom Kopf gerissen hat.

Voss: Oder als mal in deiner Sendung überhaupt nichts funktioniert hat und du immer wieder mit dem Regisseur im Off gesprochen hast und ihm drohtest. Toll. Als bei uns nach dem Champions-League-Finale auch alles drunter und drüber ging, hab ich mich daran erinnert und gedacht – Mann, der Dieter, der würde das jetzt ganz charmant rum reißen.

Kürten: Wissen Sie – Wim Thoelke hat ab und zu ganz bewusst kleine Pannen inszeniert, weil er wusste, das so was manchmal viel spannender ist als Virtuosität. Misslingen ist menschlich. Deshalb kann ich mich auch viel mehr an die emotionalen Momente erinnern als an Streitgespräche. Als ich Boris Beckers vorherigen Trainer Günther Bosch zum Beispiel mal fragte, was er täte, wenn Boris jetzt anriefe, er solle zu ihm zurückkehren – da sind diesem Mann die Tränen in die Augen geschossen und es schien, als würde er dafür zu Fuß nach Australien laufen. Oder Giovanni Trapattoni nach seinem letzten Bayern-Spiel, der mir um den Hals fiel, als ich ihm sagte, wie sehr er der Bundesliga fehlen würde.

Klingt schwer nach Kuscheljournalismus.

Kürten: Nein, einfach ergreifend. Für mich, für ihn, für die Zuschauer, für alle, schön. Schöner jedenfalls als Kritik um der Kritik Willen.


Landfluchtstadtflucht

fragezeichen_1_Was Landflüchtige in der Regel höchstens als alterskonservative Rentner oder Schlosserben tun, zählt zum Wesen des Heimatfilms: Die freiwillige Rückkehr ins heimische Dorf. Seltsam

Wer auch nur drei Ausgaben der weiten Welt des Neoheimatfilms sieht, wird darin garantiert mindestens ein antizyklisches Phänomen moderner Schmonzettenplots entdecken: Brillante Herzchirurgen, eiskalte Wirtschaftsanwälte oder hochbezahlte PR-Genies kehren ohne lange zu fackeln aus ihren Rem-Kolhaas-Villen schicker Metropolen auf die heimische Scholle zurück, sobald der Vater Hilfe auf dem elterlichen Bauernhof braucht oder die Mutter schwer fiebert. Erfolgreichen Neugroßstädtern, die der dörflichen Enge ihrer Kindheit meist sehr bewusst entflohen sind, bedürfen also bloß des zartesten Lockrufs aus der alten Provinz, um Clubleben und Streetlife gegen Holzpantinen und körperliche Arbeit zu tauschen.

 

Das ist natürlich im wahren Leben in etwa so wirklichkeitsnah wie eine christlich-demokratische Partei, die plötzlich gegen Atomkraft und Wirtschaftslobby, aber für Mindestlöhne und Gleichberechtigung… äh … Moment: Viele Jahrzehnte lang waberte die urbane Sehnsucht nach dem Landleben wie ein konservativ-katholischer Fiebertraum durchs Fernsehen; nun aber zeigt sich: Breite Schichten der urbanen Republik sind so bezaubert vom Einwecken, Unkrautjäten, Häuslebauen, dass ein Hochglanzmagazin wie LandLust Millionen Leser findet und kaum weniger Kopien auf dem Zeitschriftenmarkt. Da kriegt die tausendfache Landfluchtstadtfluchtnostalgie der hiesigen TV-Schnulze plötzlich eine Art nachholender Aktualität. Da kriegt auch das Kanzleramt wohl bald eine Fachwerkfassade.

 


Alter Wein und alte Schläuche

Werbung, RFT Color 20, FernseherRücksichtnahme

Die Woche, die war: 12.-18. August

Die gute Nachricht vorweg: Der Tatort ist zurück aus der Sommerpause. Die schlechte Nachricht danach: Der Schweizer Tatort ist zurück aus der Sommerpause. Immerhin spielte er mal nicht im Banken- und Finanzmilieu, also nicht in der Welt des Geldes wie so oft im Westalpenkontext, wo man davon dem Klischee zufolge eben so viel hat, dass sich alles darum dreht. Zu wenig davon hat dagegen offenbar Christian Ulmen. Andernfalls bliebe es unerklärlich, warum er nun nicht nur für das ökotrophologisch Böse (McDonalds) Werbung macht, sondern künftig auch noch für das journalistisch Böse (Springer) digitale Inhalte produziert. Es war einmal ein respektabler, sympathischer, ernstzunehmender Schauspieler…

Und es war einmal ein TV-Format namens Formel Eins. Es lief zu einer Zeit, da das Musikfernsehen noch in den Kinderschuhen steckte, die der wuschelige Peter Illmann seinerzeit mit völlig unbekannten Moderatorenfüßen füllte, um es (und sich) langsam großzuziehen. Bis 1990 ging das so, dann waren MTViva der öffentlich-rechtlich Konkurrenz entwachsen, Formel Eins somit überflüssig und jetzt, wo es klingende Tonkunst hierzulande im Regelprogramm eigentlich nur noch als Soundtrack oder Volksmusi gibt, kommt Illmann zurück, ab Oktober, bei RTL-Nitro, mit Promi-Unterstützung, versteht sich, aber ohne neue Videoclips. Alter Wein in alten Schläuchen. Lecker. So wie die nächste Rückkehr in die Primetime, diesmal zwar im der ARD und unter neuem Namen, aber auch Das ist Spitze! mit Kai Pflaume wird am Ende nur leidlich modernisiertes Dalli Dalli mit Hans Rosental sein.

Angesichts der ansehnlichen Quoten, die die Sendung seit zwei Jahren bereits unterm alten Titel im NDR erreicht hat, dürfte die Retroshow auch im Ersten gut laufen – zumindest beim ergrauten Stammpublikum. Das schaute auf gleichem Kanal selbst dem reichweiteschwächsten aller ARD-Talkhosts mal vergleichsweise in Massen zu, als der feinfühlige Reinhold am Donnerstag den frisch aus der Psychiatrie entlassenen Gustl Mollath bei Beckmann zu Gast hatte. Gut eine halbe Million Zuschauer mehr sahen allerdings auch nicht viel mehr als das Stern-Interview vom selben Tag, nur eben mit Beckmanns empathischen Schmeicheltimbre, mit dem er zwar keine Fernsehpreise gewinnt, aber nach wie vor die angenehmste Redestimmung des Mediums erzeugt.

Einen solchen Preis dagegen, den wichtigsten sogar, könnte bei den Emmy-Awards am 1. Oktober in New York die ZDFzoom-Doku Die Fukushima-Lüge in der Kategorie Current Affairs & News gewinnen.

Aussichtsplattform

Die Woche, die wird: 19.-25. August

Vom Programm der anstehenden Woche sind derlei Ehren eher weniger zu erwarten. Auch, wenn das ZDF gleich heute einen bemerkenswerten Film der Sparte Science Fiction zeigt. Transfer heißt er und handelt von Persönlichkeitsübertragung greiser Wohlstandsbürger in fitte Körper afrikanischer Armutsflüchtlinge. Natürlich läuft das Ganze wie so vieles von Belang erst nach Mitternacht (0.25 Uhr), ist dann aber in seiner Mischung aus realistischer Vision und spannender Dystopie absolut sehenswert.

Nicht, äh, ganz sooo sehenswert ist dagegen das Trio neuer RTL-Serien ab Donnerstag. Es ist dem Sender natürlich zu danken, dass er überhaupt noch Primetimefiktion in Reihe ohne Krimiplot produziert, aber schon der Auftakt Doc meets Dorf bietet so biedere Gebrauchtwarenkost, dass man nach fünf Minuten Zuschauen von einer Staubschicht überzogen ist. Schließlich verrät schon der Titel, dass es hier um ein Thema geht, dem sich Michael J. Fox schon 1991 als Doc Hollywood gewidmet hat. Auch Christine. Perfekt war gestern im Anschluss ist reichlich abgehangene Stangenkost, in der Diana Amft mal wieder ein paar Pfunde zu viel für die Männerjagd in Stromlinienhumor verwandelt. Das bemerkenswerte Timing der Hauptdarstellerin sorgt allerdings immerhin für witzige Momente, die vollends fehlen, wenn sodann als Dritte im Bunde Sekretärinnen startet, dessen Untertitel Überleben von 9 bis 5 im Vergleich all zu den abgeschmackten Klischeewitzen schon wieder kreativ ist.

So fad können also Serienoffensiven sein. Ein bisschen interessanter ist dann doch eine neue  Krimiserie. Sie heißt Mordshunger und ist zwar auch nicht die Neuerfindung des Tatort, aber immerhin auf ZDFneo (ab Sonntag) und mit Anna Schudt, die erst vor zehn Jahren vom Theater zum Fernsehen gewechselt ist, also noch nicht allzu verbraucht scheint.

Das war selbst ein Robert de Niro irgendwann mal, der Samstag 70 geworden ist und Dienstag (ARD, 0.50 Uhr) in seiner ersten aufsehenerregenden Rolle aus dem Jahr 1973 zu sehen ist: Hexenkessel, wo de Niro erstmals unter Martin Scorcese gearbeitet und wie so oft einen Kleinganoven gespielt hat. Wenn’s schon so wenig brillante Neuproduktionen gibt, muss man halt auf ältere hinweisen. So ungefähr das Gegenteil von brillant ist der hurrapatriotische Pathosquatsch Home of the Brave über traumatisierte Irak-Veteranen. Und er findet hier auch nur deshalb Erwähnung, weil zur gleichen Zeit im WDR ein deutscher (Anti-)Kriegsfilm läuft, der zeigt, dass man so heikle Themen auch ohne Gefühlsduselei und Testosteronflut machen kann: Auslandseinsatz mit Max Riemelt als zerrütteter Afghanistan-Soldat.

Und bitte, bitte nicht verpassen: die Wiederholung der dänischen Politserie Gefährliche Seilschaften am Freitag, als Appetizer der neuen zweiten Staffel ab September. Und den Schwerpunkt zum wunderbaren Christoph Schlingensief am Mittwoch auf ZDFkultur. Garantiert auch mit dem deutschen Kettensägenmassaker. Ach Christoph, mit dir wär’s heute schöner! Und das trotz des Tipps der Woche: Freitag ab 22.05 Uhr zeigt ZDFneo das Ergebnis seines diesjährigen TVLabs: Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu bauen. Man darft auf die Großflughafendesasterpersiflage gespannt sein.


Borgia, erfolgreiches Blockbusterfernsehen

Shakespeare trifft Tarantino

Der fiese Sohn (Mark Ryder) und seine fast so fiese Tochter (Isolda Dychauk) – die Fernseh-Borgias sind schon eine finstere Sippe.

Kostümfernsehen boomt so sehr, dass sich das ZDF im Vorjahr sechs 100-minütige Teile über ein mittelalterliches Papstgeschlecht geleistet hat. Die sensationellen Quoten der ersten Staffel von Borgia (Wiederholung zurzeit donnerstags, 23.15 Uhr) haben gezeigt: es hat sich gelohnt. So sehr, dass – noch bevor die zweite Staffel Ende September anläuft – bereits die dritte in Arbeit ist.

Von Jan Freitag

Kaum ein Wort beschreibt die Welt von heute besser als Netzwerken. Dank ihr können dabei alle mit allem irgendwie in Kontakt treten, um den Kernwährungen der Globalisierung unter die Arme zu greifen: Macht, Ansehen, Profit. Nun klingen Begriffe wie Netzwerk verteufelt aktuell, nach Internetboom, Nullerjahre und FDP, Facebook, Bill Gates und Billigflieger. Wie sehr der falsche Klang jedoch unserer Arroganz im Umgang mit dem Vergangenen entspringt, die rückblickend – wenn nicht wie üblich Krieg war – so spießig, lahm, öde also gestrig wirkt, zeigte derzeit eine internationale Koproduktion im ZDF.

In sechs Teilen erzählt Borgia den erfolgreichsten Netzwerker seiner Zeit, der globalisierten Frühphase des Kapitalismus. Die Titelfigur aber, Vorname Rodrigo, ist weder Börsenguru noch Mafiaboss oder Präsident, sondern das Oberhaupt eines Adelsgeschlechts an der Schwelle vom gottesfürchtigen Mittelalter zur geldfürchtigen Neuzeit. Mit Blut, Schweiß und Tränen in toller Kulisse, schildert der dreifache Emmy-Gewinner Tom Fontana die Geschichte der mächtigsten Familie im Vatikan des 15. Jahrhunderts. Wie Rodrigo Borgia (John Doman) seine Verwandten, Vertrauten, selbst Gegner so versiert an die Hebel der Macht verteilt, bis er zum Papst gekrönt wird und die Borgias als Alexander VI. zur höchsten Blüte führt.

All dies sind Zutaten eines Fernsehmonuments von 600 Minuten Länge, mit 25 Millionen Euro teurer als der Etat europäischer Königshäuser und fast so verwurzelt im ganzen Kontinent: 126 Schauspieler aus 18 Nationen haben Sprechrollen, darunter die Deutsche Isolda Dychauk als Rodrigos wichtige Tochter Lukrezia oder Andrea Sawatzki als ihre Ziehmutter. Rund 4000 Statisten kommen an Drehorten wie Prag oder dem originalgetreuen Nachbau der Sixtinischen Kapelle zum Einsatz, ganz zu schweigen von digitaler Technik, Special Effects und 157 Litern Kunstblut. Staffel 2, die am 30. September im ZDF startet, war sogar nochmals um ein Sechstel teurer, von der dritten, noch aufwändigeren, die derzeit in Prag entsteht, ganz zu schweigen.

Doch das allein ist es nicht, was Borgia so beeindruckend macht. Die opulente Ausstattung, der dauergespannte Handlungsbogen, alle Authentizität des restaurierten Spätmittelalters brennen die Macht der Bilder erst durch die Sprache ins Zuschauerhirn, eine realistische Theatralik zwischen pathossatt verspielt und jetztzeitig derb. „Ich scheiße auf Rom und pisse auf Neapel“ – als Hörspielsequenz könnte Rodriko Borgia damit die Antagonisten seines Erfolgs meinen, aber eben auch italienische Hooligans oder Konkurrenten der Schwerindustrie. In karmesinroten Mantel, ein fürstliches Schloss dahinter aber, atmet die Szene das Aroma leibhaftiger Renaissance. Also der ganz großen Bühne.

Und die hat Konjunktur. Weltweit gute Einschaltquoten für europäische Mehrteiler wie Napoleon von 2002 oder sechs Jahre später Krieg und Frieden zeigen aus Sicht von Produzent Jan Mojto, „dass das Publikum historische Stoffe auch dann will, wenn sie komplex sind.“ Es wolle vor allem die riesigen Ränkespiele, Schlachtfelder, Alphatiere beim Auf- wie Abstieg zusehen, ergänzt Autor Fontana. „Wir leben in Zeiten der Angst, Extreme und Unsicherheiten.“ Da sei es doch beruhigend, anderen dabei zuzusehen, „wie sie das in ihrer Zeit gemeistert haben“. Tatsächlich aber faszinieren selbst die realistischsten Historienschinken und glaubhaftesten Filmdynastien erst durch eine Hintertür ins Märchenhafte. So wie die gefeierte HBO-Serie Rom füttert auch Borgia unsere Lust am Bösen, ohne ihre Konsequenzen wirklich fürchten zu müssen. Ist ja doch bloß Antike, Mittelalter, lange her. Und Rodrigo Borgia gibt vor über 500 Jahren einen JR Ewing ab, der wie in Dallas dann doch zu abgehoben, irreal, zu künstlich wirkt, um wahr zu sein.

Die verstörend spürbare Horrorreihe Saw dagegen, eine unprätentiös frontale Verbrechersaga wie die Sopranos oder das heruntergekommene Baltimore der fantastischen Krimiserie The Wire dagegen finden auch deshalb vor allem auf DVD statt, weil dem Durchschnittszuschauer die dunkle Seite der Macht im Lichte der Wirklichkeit gar nicht so lieb ist. Auch deshalb hat Borgia in Deutschland, vor allem aber in Italien und Frankreich Quotenrekorde gebrochen. Und das, obwohl die Reihe hier in sechs spielfilmlangen Teilstücken läuft statt wie andernorts verteilt auf zehn Abende. Unter der Regie von Regisseur Oliver Hirschbiegel (Der Untergang) gleitet die Kostümschlacht nämlich zu Beginn stets am Rande der Überzeichnung, tritt aber selten drüber.

Die Fieberkranke, die zur Heilung von einer Hexe mit Schweinekot beschmiert wird; der Sohn, der einem Widersacher aus dem Nichts das Ohr abschlägt; sein Bruder, der sich selbst zur Sühne kreuzigt; Papa Rodrigo, der sein sexuelles Ego ähnlich bildgewaltig pflegt wie sein politisches; dazu Udo Kier als Papst Innozenz VIII., der eineinhalb Stunden so grotesk durch den ersten Teil stirbt, dass ihm am Ende selbst eine weibliche Brust nicht mehr helfen kann – all dies pendelt permanent zwischen Shakespeare und Tarantino. Und beides geht bekanntlich immer.

Da ist es kein Wunder, dass die 2. Staffel in Arbeit ist, noch bevor die 2. gezeigt hat, ob sich das auch gelohnt haben wird. Das ZDF jedenfalls hat noch keine Abnahmegarantie gegeben. Einerseits. Andererseits  ist Zuversicht geboten, wenn das europäische Produkt selbst nach Amerika verkauft wurde. Und das, obwohl dort zeitgleich eine eigene weit ruhigere Version mit Jeremy Irons als Rodrigo Borgia entstanden ist. Ein Machtpolitiker, der zwei sündhaft teure Hochglanzproduktionen zugleich verträgt – das schafft außer ihm eigentlich nur noch Adolf Hitler.