Als Robert Moog den Synthesizer vor gut 50 Jahren zu dem gemacht hat, was er bis heute ist, hatte er vermutlich nicht den analogsten Schimmer, wer damit bis tief in unsere Gegenwart hinein was genau machen würde. Aber falls Moog eine Art emblematischen Sound im Sinn hatte, dürfte er dem von Dan Deacon nah sein. Der Alleinunterhalter aus Baltimore kreiert schließlich nicht nur, aber vor allem per Synthie elektronphone Klangkaskaden, die alles aus ihm heraus holen, was er zu zaubern vermag.
Denn nach allerlei Filmscores und Kooperationen bis hin zu den L.A. Philharmonics, kehrt der 40-jährige Supernerd auf seiner sechsten Soloplatte zum Ein-Personen-Orchester zurück, das sein virales Spiel mit Samples, Footage, Harmonien und endlich mal einer Stimme unterfüttert, die zwar nicht singt, aber wie ein Instrument funktioniert. Das Ergebnis von Mystic Familiar ist eine Art sinfonisch aufgeblasener Jean-Michel Jarre im Whirlpool des Dadapop. Anders ausgedrückt: Klangvoller Irrsinn für Weltraumreisende mit Stil.
Dan Deacon – Mystic Familiar (Domino)
Squarepusher
Dass auch gestandene Techno-Wizzards zuweilen den Weg vom binären Code zurück zum analogen Signal gehen, zeigt der britische Produzent und DJ Thomas Jenkinson alias Squarepusher. Nach fast 25 Jahren elaboriertem Hochgeschwindigkeitskrach auf einschlägigen Festivals und Clubbühnen, kehrt er nun zu den Wurzeln elektronischer Musik zurück und schafft es seinen Drill’n’Bass dabei sogar noch zu beschleunigen – nur klingt es nicht schneller, sondern klüger.
Während sich die ersten zwei Tracks seines 18. (!) Studioalbums Be Up A Hello dabei noch ein wenig in die eigene Vielfalt verlieben, hämmert der Mittvierziger fortan einen Cyberpunk aus den Reglern, der beim Hören alle Synapsen durcheinander bringt und gerade darin für Ordnung sorgt. Das Ergebnis ist eine Art Acid-Math, als würde ein Wissenschaftler komplexe Formeln nicht schreiben, sondern drummen. Kein Album für daheim, aber eins für Connaisseure des technoiden Wahnsinns.
Squarepusher – Be Up A Hello (Warp)
Squirrel Flower
Betrachten wir es mal nüchtern: Die Lücke, die Bands wie Velvet Underground oder Sonic Youth im Alternativerock gerissen haben, ließ und lässt sich wohl niemals ganz schließen. Ihre filigran geschredderte Weltverachtung, eingehüllt im Glanzpapier nihilistischer Arroganz: als daraus erst Protopunk, dann Punk, zuletzt Postpunk wurde, geriet die gediegene Langeweile der Gitarrenmusik meistens nur langweiliger, nicht gediegener. Und ehrlich: auch Ella O’Connor wird daran nichts ändern.
Unterm Projektnamen Squirrel Flower ist die Songwriterin aus Boston allerdings immerhin ein trübes Licht am dunklen Horizont. Der musikalische Missing Link zwischen 1960ern und 2020ern, dass man auch heutzutage ganz ohne Pathos melodramatisch sein kann und dabei doch nicht weinerlich klingt. Mit ihrem distanziert blechernem Gesang und einer Gitarre wie eiskalter Sprühregen ist das Debütalbum I Was Born Swimming die perfekte Anleitung zum Weltschmerz mit Lebensfreude.
Squirrel Flower – I Was Born Swimming (Full Time Hobby)
Die Hamburger Morgenpost war mal ein wichtiges Blatt der Pressestadt Hamburg. Ihr Chefredakteur allerdings hat sie derart auf populistischen Kurs gebracht, dass die drohende Abwanderung ins Netz irgendwie gar nicht so furchtbar klingt. Dabei könnte sie viel mehr. Versuch einer Ehrenrettung.
Von Jan Freitag
Am 10. Januar war‘s mal wieder so weit, da hat sich die grassierende Dummheit unserer Zeit weit rechts überholt: in der Mopo. So nennen viele Menschen der Pressehauptstadt jener Tage, als „Presse“ noch für Papierpublikationen stand und „Hauptstadt“ für Bonn, eine Zeitung, die wirklich mal bedeutsam war. Lange her. Jetzt füllt die Hamburger Morgenpost ihre Titelseiten gern mit Schlagzeilen wie der vor drei Wochen: „Diese 5 Radlertypen nerven uns“. Außen illustriert mit plump gestelltem Foto, innen ergänzt von faktenfreier Attacke gegen „Dunkelraser“ und „Kopfhörer-Zombies“.
Dicke Lettern, dürre Substanz, dreiste Anbiederung an Klimawandelleugner und ähnliche Populisten rechts der FDP – so tickt eines der ältesten Boulevardblätter im Land heute. Es ist zum Heulen. Denn nur zur Erinnerung: das frühere Parteiorgan der SPD nach dem Verkauf an den G+J-Verlag 1986 auch weiterhin die wichtigste Stimme sozial benachteiligter, kulturell interessierter, tendenziell linksalternativer, aber nicht ideologisch festgelegter Bürger*innen der Hansestadt. Sicher, sie hatten früher noch taz und Szene, Oxmox und ein Magazin namens Die Woche für den progressiveren Blick aufs örtliche Geschehen. Aber die MoPo besaß eben nicht nur Haltung, sondern auch die passende Auflage, sie zu verbreiten.
Gut 450.000 Stück wurden Ende der Fünfziger verkauft, immerhin noch ein Drittel davon 40 Jahre später, als der Kulturmäzen Frank Otto sie von G+J übernahm. Und wann immer es seinerzeit zwischen Hafenstraße und Hamburger Kessel, FC St. Pauli und Roter Flora sozialpolitisch hoch her ging, nahm die Redaktion an der Bahrenfelder Griegstraße alle Seiten in den Blick, nicht nur die bürgerlich-konservative. Doch spätestens, seit Frank Niggemeier das regionale Flaggschiff journalistischer Vielfalt 2008 leitet, steht „Boulevard“ darin nicht mehr für „bunt“, sondern „blöde“, schlimmer noch: bis zur intellektuellen Selbstverleugnung populistisch.
Das zeigt sich nicht nur im Pkw-seligen Fahrradbashing einer Belegschaft, die jeden Schlagermove bedingungslos feiert. Mehr noch zeigte es sich, als Proteste gegen die Hamburger Flüchtlings- und Strukturpolitik vor fünf Jahren Schlagzeile für Schlagzeile kriminalisiert wurde, was beim G20-Gipfel im fachlich-ethischen Bankrott gipfelte, ausschließlich Gewalt gegen, nicht von Polizisten anzuprangern. Im Grunde ist die Nachricht also gar nicht mal so schlecht, dass der Kölner DuMont-Verlag das Hamburger Regenbogenblatt wohl an die Essener Funke-Mediengruppe verkauft, wo es zur Digitalmarke geschrumpft werden soll. Schließlich ist die Auflage ausgerechnet zum 70. Geburtstag 2019 unter 50.000 gesunken, schließlich werden die überregionalen Inhalte schon jetzt von einer Gemeinschaftsredaktion in Hannover geliefert, schließlich benötigt man auch für die lokalen keine fünf Minuten Lesezeit – so belanglos billig, so bildlastig brachial werden sie vorwiegend zubereitet.
Dennoch wäre es ein herber Schlag für die Presselandschaft, wenn eines der letzten redaktionell erstellten Blätter Hamburgs vom Kiosk verschwände. Noch immer berichten dort schließlich ausgebildete Journalistinnen und Journalisten, deren Output zwar oft kritikwürdig ist, verglichen mit dem clickorientierten Erregungscontent sozialer Medien allerdings hochseriös. Noch immer schafft es das Feuilleton, trotz Personalmangels, Eventisierung und Frank Niggemeier, die örtliche Subkultur mit Leidenschaft abzubilden. Noch immer berichten echte Menschen statt Bots und Influencern vom Mikrokosmos einer bewohnten Metropole. Und noch immer gehört sie aus Sicht von Kultursenator Carsten Brosda damit zu Hamburg „wie der Michel und die Elbe“. Einerseits.
Andererseits gibt es mit dem Abendblatt, das Springer vor sechs Jahren an Funke verscherbelt hat, bereits ein politisch konservatives Blatt in Hamburg, das zwar staubig wie Krümelkekse, aber qualitativ hochwertig den Standort feiert. Für die alternativere Lokalberichterstattung hält sich – wenn auch künftig nur noch im Netz – die kämpferische taz. Wer es offen rechtspopulistisch mag, greift ohnehin zur Bild. Und online steht die Mopo erstaunlicherweise seit Jahren in den Top-10 der meistgelesenen Presseseiten. Nüchtern betrachtet ist die Existenzberechtigung dieser selbstverzwergten Zeitung also umstritten. Doch mit etwas Empathie für Personal und Kundschaft möchte man ihr wünschen, nicht von Essen aus in den Orkus digitaler Sensationslust verklappt zu werden.
Wer weiß – sollte Frank Niggemeier abtreten, hätte vielleicht auch der ewige Kampagnenjournalismus ein Ende. Und mit ihm die ritualisierte Schlacht gegen Hamburgs Fahrradverkehr. In der nämlich hatte die Mopo bereits Anfang vorigen Jahres unterm Titel „Rambo-Radler“ mitsamt gestelltem Foto alle journalistischen Ideale verraten, mit denen sie einst relevant geworden war. Sollten solche Fake News die Regel bleiben, darf die Mopo gern sterben.
Wenn Smartphones gehackt werden, ist das in der Regel ein schwerer Schlag gegen die informationelle Selbstbestimmung – ganz egal, ob es von staatlicher, ökonomischer oder privater Seite geschieht. Als bekannt wurde, dass Jeff Bezos nun davon betroffen war, konnte man sich selbst dann etwas Schadenfreude nicht verkneifen, als die Urheber bekannt wurden: Mohammed bin Salman, ein besonders perfider Tyrann und doch best buddy all jener, die wie Bezos Plutonium an Kinder verkauften, ließe sich so der Profit mehren.
Und die Häme legt sich auch nicht, weil er wegen der Berichte seiner Washington Post über den Mord am Journalisten Kashoggi ins Fadenkreuz des saudischen Königshauses geraten ist. Unaufhaltsam in Richtung dieser Glitzerdiktatur befindet sich derweil das rechtsradikal regierte Brasilien, wo im offensichtlichen Fall von Korruption des Justizministers – nein, nicht der Justizminister, sondern Glenn Greenwald angezeigt wurde, dem investigativen Reporter, der die Geschichte im Guardian publik gemacht hatte.
Ob Til Schweiger auch solche Rechtspopulisten gemeint hatte, als er sie Mittwoch bei Markus Lanz gemeinsam mit CDU-Fraktionsvize Carsten Linnemann ebenso lobte wie die Eskalationstaktik der Leipziger Polizei im linksalternativen Connewitz und lautstark über die Lügenpresse herzog? Es bleibt ähnlich erratisch wie die Zugriffe bei Netflix, mit denen der Streamingdienst seinen Umsatz im IV. Quartal 2019 um satte 31 Prozent auf 5,5 Milliarden Dollar gesteigert und damit 587 Millionen Gewinn erzielt hat.
Die Frischwoche
27. Januar – 2. Februar
Allein Freitag gesellt sich ein halbes Dutzend Serien zu Dracula und The Ghost Bride – darunter im Fach History Luna Nera, im Fach Fantasy Spectros, im Fach Mystery Rangarök oder im Fach Family Ich schweige für dich. Nichts davon ist außergewöhnlich, aber Teil der Strategie, die Leute unablässig mit Nachschub einzulullen – und zwar selten so mittelmäßig wie das, was Montag, Dienstag, Donnerstag im ZDF läuft. Mit dem dreiligen Melodram Die verlorene Tochter will Kai Wessel zwar an Hans-Christian Schmids Das Verschwinden anknüpfen, verliert sich trotz der famosen Henriette Confurius als Missbrauchsopfer mit Amnesie aber in Effekthascherei.
Mit dem halten sich Blutige Anfänger aus Halle 50 Minuten zuvor an selber Stelle erstaunlich zurück. Der zwölfteilige Krimi um schicke Polizeischüler*innen ist zwar wie üblich am ZDF-Vorabend so authentisch wie ein Traumschiff-Landgang; die jungen Darsteller spielen das miese Drehbuch jedoch erfrischend weg. Erschreckend glaubhaft ist Sherry Hormanns Meisterwerk Nur eine Frau mit Almila Bagriacik, die als reales Ehrenmordopfer Hatun Sürücü am Mittwoch im Ersten mit tödlichen Folgen aus ihrer Ehe ausbricht.
Darüber hinaus findet sich viel Gedenken an die Auschwitz-Befreiung vor 75 Jahren – heute zum Beispiel das Arte-Porträt Die Kinder aus der Rue Satin-Maur, morgen die ZDF-Doku Ein Tag in Auschwitz, Mittwoch ein 3sat-Film über Juden in der DDR. Freitag dann widmet sich (kauft nicht bei) Amazon einem Mordfall der Gegenwart, wenn Prime Video fünf Teile lang den amerikanischen Serienkiller Ted Bundy porträtiert. Bei so viel Schwermut ist es fast schon entspannend, wenn RTL seinem Publikum um 20.15 Uhr drei Stunden leichte Kost verabreicht.
In der Quizdaddelshow Alles auf Freundschaft kämpfen die Kumpels Tim Mälzer und Sasha nämlich ohne Nachnamen gegen andere Kumpels ohne Promistatus um 100.000 Euro, die entweder (gewiss für Kinder) gespendet oder (von den Nobuddies) eingesteckt werden. Das Preisgeld der nächsten Runde Ding des Jahres fließt Mittwoch wieder in kreative Start-ups – allerdings sollen es diesmal vor allem besonders nachhaltige sein.
Und damit zurück zum Shoah-Gedenken in der Gestalt einiger Wiederholungen der Woche – etwa Stefan Ruzowitzkys KZ-Drama Die Fälscher, (Mittwoch, 22.25 Uhr, 3sat), für das es 2008 den Oscar gab. Oder heute um 23.05 Uhr im MDR: Frank Beyers DEFA-Legende Jakob der Lügner (1974). Zur Entspannung: Und täglich grüßt das Murmeltier (Samstag, 20.15 Uhr, RTLzwei), seit 1993 global gesehen so legendär wie hierzulande der Tatort, von dem es Freitag (22 Uhr, ARD) einen mit Ulmen/Tschirner (Der scheidenden Schupo) gibt.
Ja, ja, ja – die Pet Shop Boys haben ein neues Album gemacht, und es soll so gelungen wie das von Eminem, der wie immer ebenso polarisiert, wie entertaint. Der Pop ist eben ständig voller Großprojekte, die alle Aufmerksamkeit ansaugen – und damit das verdecken, was es erst zu entdecken gilt. Keifelder zum Beispiel oder Vetle Løvgaard, die außerhalb Norwegens keine Sau kennt, aber das soll sich jetzt ändern, denn letzterer ist ersteres mithilfe von Øyvind Blomstrøm und Chris Holm, also zwei Dritteln von Orions Belte, deren sämig-süßer Buttermilchpop auch durch Keifelders Debütalbum kriecht.
Auch deshalb klingt Podium ein wenig wie die Beatles auf dem Holodeck. Manchmal mit Krautrockgitarren beschleunigt, meist von Løvgaards verträumten Beck-meets-Beachboys-Gesang gebremst, sind die 13 Songs überwiegend so uneitel in sich versunken, dass man auch beim fünften Hören gar nicht merkt, wie die Zeit vergangen ist. Was unter anderen daran liegt, dass jedes Instrument dem anderen eine Achtelnote hinterherzuhinken scheint. Und so findet man sich dank dieses Wunderwerks der Entschleunigung in einer musikalischen Hängematte, aus der leider kein Weg mehr hinausführt. Warum auch…
Kefeider – Podium (Blance Records)
Barely Autumn
Und wo wir schon bei bemerkenswertem Indierock unterhalb der Wahrnehmungsschwelle sind: die belgische Band Barely Autumn hat ihr zweites Album fertig gestellt. Es heißt Day Trip To The Petting Zoo und ist so herzzerreißend melodramatisch, dass man den Eindruck gewinnen könnte, der singende Songwriter Nico Kennes aus Brüssel steht kurz vorm Freitod. Auch die Texte handeln schließlich gern von seiner erfolglosen Suche nach Glück, besser noch: dem Gegenteil von Unglück, in dem er sich zehn Stücke lang nach Herzenslust suhlt.
Dabei darf man die Grundstimmung aber auch nicht missverstehen. Denn dieser synthieschwangere Pop Noir findet in der Dunkelheit seiner eigenen Melancholie immer wieder Momente großer musikalischer Dringlichkeit. So emotional aufgeladen Songs wie Abortion Coffee schon dem Titel nach klingen: im tränennassen Pathos lauert eine Kraft breit ausgewalzter Gitarrarrenriffs und pittoresker Sample-Gespinste, die ihre Lebenslust nicht ganz verleugnen. Ist eben gar nicht so traurig im Streichelzoo, bloß eben nicht immer lustig.
Barley Autumn – Day Trip To The Petting Zoo (Popup Records)
Hype der Woche
Antilopen Gang
Wer Gangstarap mag, diesen melodramatisch simplizifizierten Bauchgruben-HipHop mit ghettoeskem Kopfstimmengefasel, aber nichts mit Sexismus, Eigenlob und Kampfansagen am Hut hat, wer also ein Gehirn zum Musikgeschmack hat und es auch einzusetzen weiß, wird seit zehn Jahren von der Antilopen Gang bestens versorgt. Gesanglich testosteronrau, aber textlich klassenbewusst, genderneutral und lebensklug, schaffen es Koljah, Panik Panzer und Danger Dan bis zur Chromfelgenpolitur prollig zu klingen, aber intellektuell zu rappen. Auch das 4. Album Abbruch Abbruch ist für Klangästheten daher schlicht zu schlicht für Lyrik. Aber die Lyrics sind halt einfach geil! “Sogar von der Punkerkneipe angezeigt / Trommelfell kann platzen, wenn man DJs in den Teller greift” – schlauer als in Ist der Ruf erst ruiniert kann HipHop kaum zur linken Selbstreflexion blasen.
Anfang des Jahres begann die 13 Staffel Der Bergdoktor. Stets dabei: Hans Sigl (Foto: Erika Hauri/ZDF), steirisches Mannsbild von fast zwei Metern, der seit 2008 am Bildschirm praktisch nur in seiner Alpenpraxis zu sehen ist. Ein Gespräch mit dem 50-jährigen Schauspieler über leichtes Fernsehen und schweres Theater, blutige Operationen und ob er nach 121 Folgen in derselben Rolle noch immer Lust auf seinen Martin Gruber hat.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Herr Sigl, was halten Sie vom Titel „Quotenkönig“, den Ihnen in die Medien oft verleihen?
Hans Sigl: Ich finde die Wortkombination seltsam. Insofern ist er mir sehr fremd.
Wird im Gegensatz dazu aber auch anerkennend verwendet – wenngleich quantitativ.
Das ist der Punkt. Ich freue mich stets über gute Quoten, weil uns dann viele Menschen zugeschaut haben. Aber daraus einen Wert über die Qualität hinaus zu machen, liegt mir fern.
Erreichen Sie denn lieber viele Menschen mit weniger Anspruch oder wenige Menschen mit mehr?
Ach, im Künstlerherz schlagen doch stets beide Seelen. Ich spiele im Theater ebenso gern auf samstags der großen Bühne vor vollem Haus Musicals wie Donnerstagnacht ein Ibsen-Stück im kleinen Studio. Dasselbe gilt fürs Fernsehen; auch da hat beides seine Berechtigung, seinen Wert – zumindest sofern es gut gemacht ist. Die leichtesten Stücke sind oft am schwersten zu spielen. Operetten zum Beispiel, die ich sehr mag.
Hat der vermeintliche Gegensatz von leicht und schwer, Masse und Klasse auch damit zu tun, dass erstere einfacher zu erreichen ist – etwa wenn beim Bergdoktor stets die Sonne überm Gipfel strahlt und Mutti zuhause das Frühstück macht wie in der angeblich guten alten Zeit?
Das ist eine Frage der Mischung von Bildsprache und Dramaturgie. Während die Kombination Bergformat plus Quote im Feuilleton reflexartig zur Ablehnung führt, bemüht man sich als Schauspieler umso mehr, dieser Art Unterhaltung Qualität zu entlocken. Natürlich geht es von der Figurenzeichnung bis zur Optik immer noch mutiger. Aber der Bergdoktor ist nun mal eine Familienreihe, also für alle Altersgruppen und Schichten gemacht. Ein sogenanntes Well Made Play.
Bedingt das einen eher konservativen Ansatz, bei dem die Familie so über allem steht, dass ein ungewollt schwangerer Teenager zum Start der neuen Staffel nie infrage stellt, das Kind zu kriegen?
In mittlerweile 121 Folgen variiert das von Geschichte zu Geschichte und Regisseur zu Regisseur, hätte in anderen Episoden also auch anders ausgehen können. In diesem Fall ist es in der Tat ein traditionelles, eher ländliches Modell der Familienplanung. Aber glauben Sie mir: ich kämpfe durchaus für modernere, eher städtische Perspektiven. Und manchmal gewinne ich, manchmal gewinnen andere.
Liegt es demnach an Ihnen, dass sich beim Bergdoktor im Gegensatz zum restlichen Genre der Himmel schon auch mal zuzieht?
Ich hoffe schon, aber den Anspruch hatte die Serie von Beginn an. Natürlich kann man immer noch radikaler werden, aber es gibt halt Formatgrenzen, die das ZDF am Donnerstag nicht so überschreiten darf wie Solo für Weiß am Montag, wo es auf fast unerträgliche Art um Kindesmissbrauch ging. Würden wir in jeder Folge drastisch über Krankheit, Tod und Abgründe erzählen, hätten wir definitiv weniger Erfolg. Und ehrlich: Anfangs haben wir öfter mal blutige Operationsszenen gezeigt; das möchte ich als Zuschauer auch nicht immer sehen.
Zumal so was schnell selbstreferenziell wird wie in Game of Thrones, wo Feinde lieber gehäutet werden als einfach nur getötet…
Und deshalb erzählen wir lieber emotional als alles explizit zu bebildern. Umso mehr stört es mich, dass Kritiker gar nicht so sehr uns, sondern das Genre kritisieren. Denn so harmonisch geht es bei uns gar nicht zu.
Im Vergleich zu Ihrem Privatleben mit Frau und Kindern geht es bei Martin Gruber im Gegenteil sogar ziemlich durcheinander zu.
Genau so kann man das beschreiben. Zwinkersmiley.
Gibt es überhaupt Ähnlichkeiten zur Serienfigur, die Sie seit 2008 spielen?
Als Österreicher bin ich verglichen mit deutschen Kollegen vermutlich eher ein Bauchmensch mit einer gewissen Gemütlichkeit, aber auch Grantigkeit, der nicht „und wie geht es dir, mein Schatz“ fragt, sondern einfach „was is?!“. Davon steckt eine Menge im Martin; weil ich nun mal so bin, aber auch, weil die Figur in mittlerweile 121 Produktionseinheiten, wie man einzelne Folgen so schön nennt, aus meiner Sicht ganz gut funktioniert.
Haben Sie nach so langer Zeit nicht manchmal die Schnauze voll von ihr?
Nein, dann könnte ich es ja nicht machen.
Na ja, als Dienstleister am Publikum könnten Sie auch einfach deren Bedarf befriedigen oder einfach vertraglich noch länger gebunden sein?
Emotionale Dienstleitung bearbeite ich schon in meinem Kabarettprogramm. Nein, ich muss von jeder Rolle emotional berührt sein, um mich und andere dafür zu motivieren. Dienst nach Vorschrift funktioniert bei mir nicht. Und um mal was ganz anderes zu machen, hab ich gerade den Actionthriller „Flucht ins Höllental gedreht.
Und – Adrenalin geleckt?
Schon ein bisschen, deshalb wollen wir das vielleicht fortsetzen. Als Schauspieler will man ja grundsätzlich Genres wechseln. Deshalb würde ich zum Beispiel gern Komödien drehen. Andererseits freue ich mich nach dem Winterspecial des Bergdoktors im Frühjahr oft schon Wochen vor Drehbeginn darauf, dass es im Juni wieder losgeht.
Und in der Zwischenzeit stehen Sie auf der Kabarettbühne?
Unter anderem, ja. Grundsätzlich findet die Bühne aber auch parallel zum Drehen statt. Obwohl das im Grunde zwei ganz verschiedene Berufe sind.
Nicht bloß verschiedene Ebenen desselben Berufs?
Eigentlich nicht, aber bei mir trifft das offensichtlich insofern zu, als es Regenbogenjournalisten gibt, die Passagen meines Kabarettprogramms dafür benutzen, Gossip-Geschichten über mich zu schreiben. Dieses Verschmelzen von beruflicher und privater Figur ist echt irre. Und spornt mich zu neuen Dingen an. Man darf gespannt sein.
Nein, so politisch war Ich bin ein Star, holt mich hier raus wohl noch nie. Erst äußern sich Sonja Zietlow und Daniel Hartwich durchaus besonnen über die angrenzenden Buschbrände, dann rufen sie zu Spenden auf, übermitteln gar ein regierungsoffizielles Grußwort – und dann zieht mit Ex-Bundesverkehrsminister Krause auch noch der erste Politiker ins Dschungelcamp. Aber abgesehen davon, dass er auch gleich wieder auszieht? Alles wie gehabt, also nicht der Rede wert und gerade deshalb so viel gehaltvoller als ein Umweltsau-Video des WDR, das Intendant Tom Burow zum Bückling vor Rechtsradikalen bewegte.
Immerhin gab es dafür tüchtig was aus der Shitstormkanone. Weit geringer war da die Medienresonanz auf jenen Mann, der kurz zuvor in Südtirol sieben Menschen getötet hat. Kein Aufschrei kollektiver Empörung, gar ein ARD-Brennpunkt, nur routinierte Einordnung eines Terroranschlags, der nur nicht als solcher benannt wird, weil es im Gegensatz zu denen mit islamistischen oder rechtsradikalen Hintergrund Alltag ist, dass Besoffene mit ihrem Mordwerkzeug Sportwagen Leben auslöschen. Da hat die Bild zwar ein bisschen Betroffenheit geheuchelt, aber nicht das Fahrverhalten ihrer Stammkundschaft kritisiert.
Dafür kroch sie Donald Trump mit der Titelseite Kein Krieg! Danke Mr. President in den Hintern, was so fern aller Logik ist, dass Der Stürmer verglichen damit zur Qualitätszeitung wird. Die ARD hat derweil mit einer Enthüllungsstory im Dopingsumpf Gewichtheben ihre sportpolitische Kompetenz mit Folgen belegt, während Hank Azaria die Reißleine zog und den Simpsons-Inder Apu fortan nicht mehr als voll rassistischer Stereotype spricht. Noch was? Ach ja. Trotz 15 Nominierungen gewann Netflix nur den Golden Globe für Laura Dern als beste Nebendarstellerin in Noah Baumbachs Marriage Story. Und Til Schweiger hat ein Gefälligkeitsgut…, äh, Porträt von Bastian Schweinsteiger angekündigt, und falls es nicht Schwei(nstei)ger heißt, wäre vielleicht „Ich und Ich, einfach geil“ ein guter Titel.
Die Frischwoche
20. – 26. Januar
Ein, hüstel, nicht ganz sooo guter Untertitel ist Hautärztin aus Leidenschaft für die TLC-Serie Dr. Emma ab heute auf dem Turner-Kanal TLC, den sich wirklich nur deutsche Übersetzer ausdenken können. Richtig bescheuert ist auch der von Nicht dein Ernst!, womit Jürgen von der Lippe ab Sonntag den verwaisten WDR-Sendeplatz von Zimmer frei! beerbt. Warum Die Dilemma-Show Alltagsfallen beschreiben soll, die das lebende Hawaiihemd und seine Kollegin Sabine Heinrich ab Sonntag mit wechselnden Gästen – in Folge 1 von 6 Frank Plasberg zum Thema Partysünden – diskutiert, bleibt ein öffentlich-rechtliches Geheimnis.
Partysünden sind selbstredend auch ein wichtiger Faktor bei der 3. Staffel von Babylon Berlin ab Freitag bei Sky, die vermeintlich goldenen Zwanziger am Rande der braunen Katastrophe weiterspinnt. Bereits heute zeigt der Bezahlkanal Hugh Laurie in der absurd komischen HBO-Serie Avenue 5, wo Doctor House einen interplanetarischen Kreuzfahrtraumschiffskapitän spielt, der eigentlich als schicker Statist an Bord ist, plötzlich aber das Ruder übernehmen muss. Seit ein paar Tagen läuft auf Netflix bereits die Eigenproduktion Dracula der Macher von Sherlock, die Bram Stokers klassischen Vampirstoff zum Nervenzerfetzen radikalisieren.
Weil die menschliche Natur allerdings noch viel drastischer ist, als sie jeder Horrorproduzent ersinnen könnte, bereits uns Arte am Dienstag schon mal unsanft auf den 75. Jahrestag der Auschwitzbefreiung in acht Tagen vor. Das dokumentarische Drama 1944 stellt dabei die wahre Begebenheit zweier KZ-Gefangener nach, die den Alliierten nach ihrer Flucht erstmals hautnah von den Gräueln dort berichtet haben. Gefolgt wird es von einer Doku über die Medizinversuche in Auschwitz, aber auch einer über Die Kinder von Indersdorf, wo sich unter all den deutschen Mitläufern ein paar Mithelfer fanden. Nicht ganz leicht, besser: fast unmöglich davon auf unterhaltsame Wiederholungen der Woche überzuleiten, aber auch der Tatort-Tipp hat ja seine menschlichen Abgründe.
In Der Eskimo (Montag, 21.45 Uhr, HR) hatte es Joachim Król 2014 nämlich erstmals ohne Nina Kunzendorf noch schlimmer als sonst mit seinem Alkoholismus zu kämpfen. Im Anschluss läuft dann an gleicher Stelle Cotton Club, Francis Ford Coppolas Gangsterjazzrevue mit Richard Gere von 1984, als Kino noch wirklich groß war. So groß, wie sechs Jahre zuvor das fünffach oscarprämierte Scheidungsdrama Kramer gegen Kramer mit Meryl Streep und Dustin Hofman.
Falls irgendwer meint, die Achtziger kämen zurück: Keine Chance! Zeitreisen hat Albert Einstein eine Strich durch den Flux Kompensator gemacht und überhaupt kommt nie irgendwas wieder, es wird nur mal mehr, mal weniger gut kopiert. High-Waist-Hosen zum Beispiel eher weniger, New Wave eher besser. Sofern er so interpretiert wird wie von der kanadischen Experimentalkrautband Holy Fuck. Seit 15 Jahren bereits reist ihr elegischer Keyboardrock durch die Epochen und landet nun mal wieder an der Grenze vom Postpunk zum Techno.
Mit analogem Bass und digitalen Drones zappelt Deleter, das fünfte Album seit 2004, hingebungsvoll in der Gegenwart nostalgischer Rückbesinnung herum und klingt dabei manchmal wie Depeche Mode auf Amphetamin – ein bisschen breiig und überdreht, aber hochkonzentriert und präzise. Repetitive Dada-Fetzen à la “I know, it’s not fortune / Come through, Ooooooo” fläzen sich dabei im Sitzsack getragener Synths. Eine Ode an die Achtziger, gewiss. Aber kein Retrozeugs, sondern gelungene Wiederbelebung.
Holy Fuck – Deleter (Holy EF Music)
Kinderzimmer Productions
Wer sich auf die Suche nach den Wurzeln politisch haltungsstarken, unbedingt spaßorientierten HipHops begibt, landet eher früher als später in Hamburg – bei Deluxe, Delay, Beginner, zuletzt sogar bei Deichkind, die dem Concious Rap lustige Drogen in die Großhirnrinde blasen. Sie alle aber sind undenkbar ohne das, was ihnen seit einem Vierteljahrundert von Ulm aus zugeflüstert wird. Damals machten Textor und Quasi Modo als Kinderzimmer Productions einen derart lebensklugen Sprechgesang salonfähig, dass er vom Aggro genervt 2007 die Segel streichen musste.
Zwölf Jahre später ist das Duo zurück – und zeigt uns mit irritierenden Beats über philosophischem Gaga, wie viel Leben im Deutschrap steckt. “Ich hab die Fakten gekaut / und die Wahrheit ausgespuckt / sie ist klein, hart und rund / wie ein Eishockeypuck” textet Textor auf Todesverachtung to Go und lässt dazu “alle toten Augen sind auf Solingen gerichtet / alle deine Freunde sind mit Folien beschichtet” folgen. Kann man sinnig finden oder nicht, bleibt aber mit das Beste, was hierzulande gesangsgesprochen Haltung zeigt.
Kinderzimmer Productions – Todesverachtung to Go (Grönland)
Hype der Woche
AJJ
Wenn man das australische Dadapopduo Flight of the Concords mit den psychotischen Alleinunterhalter Daniel Johnston – R.I.P. – ein eine Kiste packt und durch den Kakao von Jello Biafras Alternative Tentacles zieht – was kommt dabei ungefähr heraus? Genau: das sensationell durchgeknallte Folkpunkensemple AJJ aus Phoenix/Arizona, das man ohnehin nur mit einer gehörigen Portion Wahnsinn überlebt. Auch das siebte Album Good Luck Everybody (Specialist Subject Records) vom singenden Skateboarder Sean Bonnette ist voll von einer eleganten Sinnlosigkeit und überspannten Coolness – da möchte man glatt mit ihm in die Wüste zum Skifahren.
Als Moderatorin des RTL-Magazins Extra hat Birgit Schrowange (Bild: RTL) den Boulevard 1994 neu erfunden. 25 Jahre und 1500 Sendungen später hat sie den Staffelstab melodramatischer Anteilnahme nun an Nazan Eckes übergeben – auch, weil sie mit fast 62 kürzer treten will. Ein Gespräch über Privatsphäre, Dschungelcamp, Helmut Thoma und was aus all der Zeit haften geblieben ist.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Frau Schrowange, herzlichen Glückwunsch!
Birgit Schrowange: Äh, wozu genau?
Sie heiraten bald Ihren Verlobten Frank Spothelfer.
Oh, danke schön.
Anders als viele Kollegen machen Sie Ihr Privatleben publik. Kommt diese Transparenz von Herzen oder ist sie eine Reminiszenz an Ihren Beruf als Boulevardmoderatorin?
Ach, ich bin doch schon seit 40 Jahren eine öffentliche Person und werde 30 davon gefragt, wann ich denn nun endlich mal heirate. Trotzdem hat die Offenheit natürlich Grenzen.
Welche zum Beispiel?
Meinen Sohn, den ich seit jeher aus der Öffentlichkeit heraushalte. Darüber bin ich auch sehr froh. Obwohl, mittlerweile ist er ein so kluger, schöner Mann – da würde ich ihn schon gern mal mit auf den roten Teppich nehmen. Für mich gehört er halt dazu. Doch weder ich noch mein Freund würden so weitgehen wie Boris Becker und ein Kamerateam zum Traualtar lassen.
Ins Dschungelcamp würden Sie also nicht gehen?
Für kein Geld der Welt! Ich hab mich trotz einiger Angebote ja auch nicht für den „Playboy“ ausgezogen.
Verlangt der Markt, also das Publikum, von Moderatoren, die ihrerseits in die Privatsphäre anderer vordringen, dennoch größere Bereitschaft, mehr von sich selber preiszugeben als sagen wir: Nachrichtensprecher?
Absolut. Deshalb kann jemand, die wie ich im Boulevard tätig ist, schwerer völlig zu machen. Und weil ich nie etwas zu verbergen hatte, hab ich auch gar kein Problem damit, mich an seine Spielregeln zu halten. Aber wenn Paparazzi meinem Sohn aufgelauert haben, musste ich trotzdem die eine oder andere Zeitschrift verklagen.
Haben Magazine wie Extra, das den Boulevard vor 25 Jahren hierzulande mitgeprägt hat, aus Ihrer Sicht die Grenzen der Privatheit Prominenter verschoben?
Nein, denn Prominente machen wir fast gar nicht, Sie verwechseln uns da mit einem People-Magazin wie Exklusiv!. Frauke Ludowig würde uns was husten, wenn wir in ihrem Revier wildern. Haben sie „Extra“ überhaupt schon mal gesehen?
Klar! Und da gibt es unter anderem Aufarbeitungen eigener Sendungen wie Dschungelcamp oder DSDS, in denen Prominenz eine wichtige Rolle spielt.
DSDS kommt fast nie bei uns vor und über die Prominenz der Dschungel-Kandidaten könnte man jetzt streiten. Wenn wir über so etwas berichten, dann als Cross-Promotion vorangehender Sendungen, in denen es äußerst selten mal um Prominente geht. Wir machen eher Schicksalsgeschichten ganz normaler Leute wie die aus einem Kinderhospiz in Olpe, wo ich gleich hinfahre, und geben Themen eine Öffentlichkeit, über die sonst wenig berichtet wird.
Bezeichnen Sie sich demnach als Journalistin, womöglich gar Reporterin, oder doch als Moderatorin?
Also ich bin gern unterwegs, gehe auf Menschen zu und brenne für emotionale Geschichten. Gleichzeitig drehe ich selten selber welche. Deshalb kann man mich als Moderatorin mit journalistischen Aufgaben bezeichnen.
Sie machen den Beruf seit 1981 und sind die meisten Zeit davon auf dem Boulevard tätig. Wie hat sich die Branche, wie hat sich Ihr aktuelles Genre in dieser Zeit verändert?
Sehr, sowohl technisch als auch inhaltlich! Als ichanfing, gab es ja noch TV-Ansagerinnen wie mich. Und das war im Wesentlichen auch die Hauptaufgabe von Frauen in dieser reinen Männerwelt. Ich kann mich deshalb noch gut an den Aufschrei erinnern, als Barbara Dickmann 1979 die Tagesthemen moderiert hatte. Da sind wir heute zum Glück ein Stück weitergekommen. Auch RTL, das allerdings schon früh auf Frauen gesetzt hat, etwa mit Ulrike von der Groeben als Sportmoderatorin.
Sie sind dort in einer Zeit hingewechselt, als RTL Marktführer war und vom legendären Helmut Thoma geleitet wurde…
Aber schon längst nicht mehr das Schmuddelimage der Anfangszeit hatte. Dafür gab es viel mehr Geld und Quoten. Heute sind die Mittel knapper, der Markt ist zersplitterter, die jungen Leute gucken kaum noch lineares Fernsehen, mit Netflix und Amazon gibt es neue Konkurrenten – man kann die damalige Zeit mit heute überhaupt nicht mehr vergleichen.
Hat die frühere Marktmacht von RTL für Sie als Moderatorin mit sich gebracht, mehr wagen zu können, sich nicht ständig in Formatgrenzen zu bewegen?
Ja, wir konnten uns früher mehr trauen und auch mehr investieren. Ich erinnere mich an den Fall eines amerikanischen Serienmörders, der in den USA zum Tode verurteilt war. Da bin ich mit Frank Hoffmann, meinem damaligen Redaktionsleiter…
… und bis Anfang des Jahres Geschäftsführer.
… hingefahren und mit einer monothematischen Sendung zurückgekommen. Einfach los, vor Ort schauen, was daraus wird, und gegebenenfalls alles in die Tonne kloppen – das wäre heutzutage unmöglich.
Auch wegen der gesunkenen Aufmerksamkeitsspanne des Publikums?
Vermutlich. Man hat sich aber auch damals ein Stück weit den Zuschauern angepasst und am Quotenverlauf beobachtet, welche Beiträge gut liefen, welche weniger. Wie hat Dr. Thoma so schön gesagt: Der Wurm muss nicht dem Angler schmecken, sondern dem Fisch.
Was für ein Chef war Helmut Thoma verglichen etwa mit Anke Schäferkordt?
Ach Gott, darüber möchte ich ausgerechnet jetzt, wo ich bei RTL aufhöre, nicht mehr reden.
Wissen Sie eigentlich, wie viele Ausgaben von Extra Sie moderiert haben?
Fast 1500, meine ich.
Gibt es da Sendungen, Momente, auch Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Viele sogar. Einer war, als ich Natascha Kampusch nach ihrer Befreiung exklusiv interviewt habe. Spannend war es auch, als wir Monica Lewinsky in New York besucht haben. Am Ende hängen gute Geschichten aber nie an großen Namen. Erst Montag hatte ich eine junge Frau im Studio, die ihren schwerkranken Vater pflegt, seit sie acht Jahre alt ist. Acht! Und das ist kein Einzelschicksal in Deutschland. Das war ebenso eindrücklich wie Besuche im Drogenmilieu oder bei Flüchtlingen. So was berührt einen emotional schon sehr.
Wird man da mit den Jahren nicht abgebrühter?
Ich kann einiges ab, aber besonders, wenn Kinder beteiligt sind, fasst es einen immer noch an. Andererseits war Extra schon immer eine bunte Wundertüte, in der es neben Schicksalsgeschichten auch mal leicht und lustig zugehen kann. Diese Mischung war mir stets wichtig.
Warum machen Sie dann gerade jetzt damit Schluss?
Weil mir eine innere Stimme seit drei Jahren schon flüstert, dass ich den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören nicht verpassen solle – und mit dem 25. Geburtstag ist der für mich erreicht. Nach 40 Jahren im Beruf, möchte ich ein bisschen kürzer treten, mehr Zeit für mich haben, andere Sachen machen. Mein Ziel war es immer, dass man mich nicht aus dem Studio raustragen muss. Ich werde nächstes Jahr 62, da ist es ein großartiger Moment, zu sagen: danke RTL! Ich hatte eine großartige Zeit, aber jetzt ist es Zeit zu gehen.
Können Sie generell gut loslassen?
Ja, schließlich lässt man ständig irgendetwas los. Man lässt los von der Kindheit, man lässt los von der Jugend, man lässt los von den Eltern, man lässt los von den Kindern, man lässt los von der Schönheit. Wer das nicht akzeptieren kann, verkrampft am Leben.
Seit mehr als 20 Jahren zählt Uwe Kockisch bereits zum Kernbestand des Fernsehpersonals – trotz und wegen seiner Rolle als Commissario Brunetti (Bild: Nicolas Maack/Degeto) nach den Krimiromanen von Donna Leon, die Weihnachten mit der 26. Folge im Ersten zu Ende ging. Ein Abgesang.
Von Jan Freitag
Uwe bleibt ganz ruhig, obwohl: das tut er ja selbst dann, wenn es spürbar in ihm brodelt. Vor ihm im Wasser treibt die Leiche eines Bekannten, mit dem er eben noch angeregt übers Böse der Welt diskutiert hatte. Uwe mochte diesen Imker, auch wenn er das nicht so richtig zeigen konnte – schon weil eigentlich keine seiner Filmrollen Gefühle so richtig zeigen darf. Diese Gefühlsunterdrückung ist geradezu ihr Markenzeichen, sie macht ihn ja gewissermaßen zur Marke, diesen Uwe, der große Grübler des deutschen Fernsehens.
Doch jetzt hat es sich ausgegrübelt.
Denn mit einer Fahrt Richtung Horizont hat Uwe, Nachname Kockisch, jenes Gewässer, in dem die Leiche des geselligen Imkers, Vorname Davide, vor sich hin dümpelt, endgültig verlassen. Es ist die Lagune von Venedig, ein bezaubernd schönes Biotop – wäre da nicht der Mensch an sich. Ein zerstörerisches, abgründiges, zutiefst selbstsüchtiges Wesen, mit dem es Uwe Kockisch seit Oktober 2003 als Commissario Brunetti in aller brodelnden Ruhe zu tun bekam. Nach der 22. von insgesamt 26 Folgen „Donna Leon“ endet also eine ARD-Reihe, in der er einst den atmosphärisch ähnlich introvertierten Joachim Król als Hauptdarsteller mit neuem Gesicht zur alten Figur beerbt hatte.
Nicht, dass es dem Krimi an Publikumsresonanz mangeln würde; die Einschaltquoten waren bis zuletzt wie an fast jedem Donnerstagabend im Ersten hervorragend. Die vorletzte Episode im April etwa haben annähernd sechs Millionen Zuschauer gesehen, und hätte RLT parallel dazu nicht ein zugkräftiges Fußballspiel übertragen – es wären gewiss noch deutlich mehr gewesen. Umso interessanter müsste es sein, Uwe Kockischs Abschiedsmotive von ihm persönlich zu erfahren. Weil er das vereinbarte Interview jedoch unmittelbar vorm Termin – womöglich aus Angst vor kritischen Fragen – ohne Erklärung abgesagt hat, kann man darüber nur spekulieren. Der wichtigste Grund bedarf allerdings keiner Zeugenaussage: Commissario Brunetti ist auserzählt. Seit langem schon.
Auch sein letzter Fall treibt daher wie die Leiche des Bienenzüchters (Hermann Beyer) in einer kruden Story voll gestanzter Charaktere, die in der Regel keine dramaturgische, sondern allenfalls Platzhalter-Funktion haben. Nur leidlich von einem Burnout genesen, soll der ausgebrannte Ermittler eigentlich auf der Laguneninsel Sant’Erasmo regenerieren, wird durch den gewaltsamen Tod des biografisch verbundenen Imkers, der bereits Brunettis Vater kannte, jedoch zur Arbeit genötigt. Im Fall eines vermeintlichen Umweltskandals ringen sodann brutale Wasserschutzpolizisten (Anton Spieker) und dubiose Umweltanwälte (Suzanne von Borsody), aasige Unternehmer (Roman Knižka) oder bullige Bauern (Paul Faßnacht) um eine Art Klischeehoheit, in der sich jeder Gemütszustand zu 100 Prozent im Gesichtsausdruck spiegelt und auch sonst alles den Regeln leichtverständlicher Fiktion folgt.
Gut, dass alles nicht allzu schlüssig, aber immerhin ein bisschen anders als insinuiert, also einigermaßen überraschend endet, ist in allen 23 Leon-Verfilmungen unter Rothemunds Regie Teil des Spanungsprinzips. Aber um Logik geht es bei Krimireihen wie dieser ohnehin nur am Rande. Dazwischen geht es ums Geschäft. Und das hat kaum jemand so geprägt wie Uwe Kockisch alias Guido Brunetti. Erst seit seinem Dienstantritt ergießt sich ja ein nie versiegender Strom hiesiger Darsteller auf den Bildschirm, die im Ausland Einheimische jeder Herkunft spielen und dabei wie Deutsche klingen oder noch absurder: Österreicher. Der erste Epigone war 2006 an gleicher Stelle Henry Hübchens Triester Commissario Laurenti, bevor ihm Der Kommissar und das Meer Walter Sittler ein Jahr drauf fürs ZDF aufs schwedische Gotland folgte.
Was alle drei eint, ist dabei ein angenehm reserviertes, vielfach arg melodramatisches, aber vergleichsweise authentisches Spiel vorm Poster-Ambiente aufgeräumter Drehorte, die dem Publikum gleich zweierlei boten: Reisetipps ohne Reue plus Identifikation mittels Sprache. Während sich die Kulissen oft auf Sehenswürdigkeiten reduziert, reden alle Schauspieler darin schließlich stets geschliffen Hochdeutsch oder werden entsprechend (mies) synchronisiert. Spätestens, als Francis Fulton-Smith – natürlich unter Sigi Rothemund Regie – erst den Pariser Kommissar LaBréa und danach dessen Athener Kollegen Richter zur Abziehfolie nationaler Klischees machte, klang das dann nur noch lächerlich. Erfolgreich war es trotzdem.
Wenn Deutsche nun von Tel Aviv bis Lissabon, von Barcelona bis Island unter Deutschen auf Deutsch ermitteln, entsteht daraus fast zwangsläufig artifizielles Erklärbärfernsehen für Begriffsstutzige, bei dem sich jeder Protagonist ungefragt mit Wohnort, Name, Beruf vorstellt und fies aus der Wäsche guckt, falls er was auf dem Kerbholz hat. Warum sich der achtbare Uwe Kockisch das die vergangenen 16 von mittlerweile fast 70 Jahren angetan hat, hätte man ihn da wie gesagt gern selbst gefragt. Aber wer ihm letztmals dabei zusieht, kann sich im Meer der Ödnis wenigstens am Zufluss seiner Ruhe erfreuen.
Es ist ein gleichermaßen trauriges und kämpferisches Spiel, mit dem er einst sogar den Stasi-General Kupfer in Weissensee zum Sympathieträger machte. Dank dieser Hybris zählte der gescheiterte Republikflüchtling schon im Osten zu den Großen seiner Branche und schaffte auch den Übergang ins gesamtdeutsche Fernsehen. Schön, dass er dort nun wieder mehr Zeit für bessere Rollen hat.
Wenn Florian Silbereisen wie jedes Jahr um diese Zeit zu den Schlager-Champions im Ersten lädt, macht die Wahrhaftigkeit kurz Pause, aber genau damit Millionen von Menschen bis zur Verzückung glücklich. Ein Ortsbesuch unter Klatschpappen, Schnulzenstars und Mienenspielen im ausverkauften Berliner Velodrom.
Von Jan Freitag
Das Land des Lächelns – samstagabends im Ersten liegt es öfter mal fernab von Japan. Genauer: im Berliner Velodrom, wenn sich darin wie jedes Jahr Anfang Januar die Schlagerelite trifft. Hier lächeln alle, hier herrscht der Frohsinn, hier ist auch dessen König zuhause: Florian Silbereisen. Umso erstaunlicher ist es da, wenn er mal nicht lächelt. Dann nämlich, wenn ein Dutzend Kameras an Drähten, Kränen, Männerhänden kurz nicht auf ihn samt seiner Bombenlaune gerichtet ist, sondern auf einen seiner vielen Schlager-Champions.
So heißt das denkbargrößte Defilee der richtig leichten Muse im öffentlich-rechtlichen Programm. Und mittendrin wie so oft Florian Silbereisen, Deutschlands Unterhaltungswerktätiger schlechthin – auch wenn die meiste Arbeit hier, im Plattenbauosten der Hauptstadt, seit
Tagen andere machen. Hunderte von Technikern und Ausstattern, Showgestaltern und Security-Schränken, Klatschpappenverteilern und natürlich die Planeten des blonden Zentralgestirns der Volksschlagerbranche von A wie Andrea Berg bis Z wie Ben Zucker.
Während der Flori knappe drei Stunden vorm Großen Fest der Besten kurz mal mit bierernstem Blick sein minutenschnell ausverkauftes TV-Reich inspiziert, spucken blickdicht verblendete Luxuslimousinen den Hofadel des LED-Königs in die Tiefgarage vom Velodrom. Matthias Reim kommt mit Sohn, DJ Ötzi mit Kippe, Stefan Mross mit Braut, Andrea Bocelli mit Hund, Lucas Cordalis mit Katze(nberger) und absolut alle mit der Fähigkeit, auf dem Roten Teppich ein Betonlächeln unters Makeup zu tackern, das im perlweiß im Blitzlichtgewitter von drei Dutzend professionellen und der doppelten Anzahl Hobby-Fotografen strahlt.
So geht das Prozedere Benz für Benz von einer Jagdfanfare eines Spielmannszugsangekündigt fast in Traumschiffepisodenlänge weiter. Auf Howard Carpendale folgt Kerstin Ott folgt Thomas Anders folgt Mary Roos folgt Roland Kaiser folgt Marianne Rosenberg folgt Semino Rossi alles, was Schlagerrang und Namen hat in eine Monsterhalle, die derweil vom versierten Warmupper Kevin vorgeheizt wird. Dabei braucht die Mehrzahl der 9533 zahlenden Besucher spätestens nach der zweiten Maß Berliner Kindl für 11 Euro vielleicht nüchterne Fahrer nach dem Abpfiff, aber kaum Motivation zum Abdrehen. Die Stimmung ist schon lange vorm Anpfiff so siedend, dass es den Flori kaum noch gebraucht hätte zum Anheizen. Aber dann kommt er doch und brüllt euphorisch „Wie geil ist das denn?!“ ins Meer ulkiger Hüte und leuchtender Brillen auf Menschen wirklich aller Alters- und immerhin einigen der sozialen Schichten mit erstaunlicher Tätowierungsdichte.
Wann die Partymeute zu klatschen habe („sobald ich raufkomme“) und wann besser nicht („wenn ich runtergehe“), gibt er ihnen noch bis zum kollektiven Countdown mit auf den Weg – dann herrscht plötzlich: Stille. Volle fünf Minuten, am Ende der „Tagesschau“ vermutlich gerade vom Bericht über die australische Buschbrandhitze bis zum Winterfrühling swetter daheim. Temperaturmäßig dazwischen explodiert dann physisch wie emotional endlich ein gewaltiges Feuerwerk, als Silbereisen zur Schlagersause brüllt und dabei ohne jeden Zweifel in seinem Element ist.
Er wird sich fortan volle 200 Minuten auch ohne Teleprompter kaum verhaspeln und dennoch nichts von Bedeutung sagen. Er wird die Stimmung der Zuschauer ringsum der kruzifixförmigen Bühne spüren wie ein Seismograph und bis hoch in die rappelvollen Oberränge Frohsinn verbreiten. Er wird Mailfragen der Fans verlesen und über jede Antwort lachen. Kurzum: Er wird die perfekte Illusion einer impulsiven Veranstaltung liefern, an der viele Hundert Handlanger so eingehend gefeilt haben, bis vom kleinsten Licht bis Ross Anthonys Tränen nach dessen Ode an den verstorbenen Vater nichts dem Zufall überlassen wird.
Als das Publikum an der richtigen Stelle von Giovanni Zarellas Version des Mitgröl-Songs Wahnsinn kollektiv den Refrain nachsingt, erfahren die Fernsehzuschauer also nicht, dass die in der Halle den Einsatz zuvor sorgsam geübt hatten. Und als Florian Silbereisen Andreas Gabaliers Bruder fragt, ob er den Berlinern in aller Schnelle das Jodeln beibringen könne, hat Kevin natürlich auch das eingeübt, aber hey: wenn Roland Kaiser von einer leibhaftigen Band begleitet schmachtet, er wolle „mit offenem Herzen der Wahrheit ins Auge sehen“, geht es hier um alles, aber sie gewiss nicht. Es geht um Gemeinschaft in Luftschlössern, die Stefan Mross bald mit seiner zukünftigen Frau bewohnt, der er bei Silbereisens Adventsfest der 100.000 Lichter bestimmt völlig unvorbereitet einen Heiratsantrag gemacht hat.
Und jetzt? Stehen die zwei Turteltauben beim Flori auf der Bühne und versichern sich geigenumflort ihrer ewigen Liebe – wobei dem Moderator nur darum die Mimik gefriert, weil sich die Kameras dem Sturm zweier Windmaschinen im Kleid von Stefans Zukünftiger widmen. Klingt zynisch? Ist es auch! Aber eben auch Showbiz at it’s best, bei dem sich der gravitätische Roland Kaiser freiwillig aus dem Rampenlicht schubsen lässt, weil die Pyrotechniker darin halt den nächsten Kracher vorbereiten. Eine gutgeölte Spaßmaschine, in der zwar jeder Text auf riesigem Laufband mitläuft, aber niemand hinsieht, weil vom Teeny bis zum Greis eh alle alles auswendig können. Alles.
Am Ende gipfelt die Glückseligkeit im Medley von Andrea Berg, das ein blasser Mittelstufenschüler am Bühnenrand mitsingt als sei es globaler Pop – dann stürmen all die Besten nochmals das gigantische Bühnenkreuz unterm gigantischeren Hallendach und es ist wieder vorbei. Spots aus, Licht an. Auch Floris Lachen stirbt in Echtzeit, als sei nichts gewesen. Bis Mitte März zumindest, wenn er – wie sein melodramatisches Tremolo locker fünfmal verkündet hatte – erneut die ARD-Bühne stürmt und lacht und scherzt und fragt und kumpelt und singt und mit alldem nur aufhört, falls niemand hinsieht. So ist das Spiel. Im Berliner Velodrom, Samstagabend, ARD-Primetime, spielt es jeder gerne mit.