Horn-Gelächter & Tour-Dokumentationen
Posted: June 26, 2023 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
19. – 25. Juni
Alle schweigen, keiner lacht – hat Marion Horn etwa Witze gemacht? Als sie der Bild-Belegschaft mitteilte, Teile ihrer Arbeit würden künftig von KI und Computern ersetzt und deshalb sechs der 18 Regionalausgaben im Zuge weitreichender Sparmaßnahmen (für einfache Angestellt, nicht das hochbezahlte Management natürlich), wirkte die Chefredakteurin als einzige im Raum amüsiert und kicherte grob, wie ein Video zeigt. Zur Erklärung gab sie zum Besten, „Lachen muss erlaubt“ sein. Witzig.
Ungefähr so wie Bayerns LKA, das die nazikommunistischen Klima-Djihadistenantichristen der Letzten Generation härter anpackt als den NSU, gezielt Pressehotlines abhört und damit auch Gespräche journalistischer Art. Oder so witzig wie die stochastische Dehnübung des Testosterontoxikologen Thomas Stein, der Til Lindemanns Machtexzesse in Louis Klamroths versemmelter #MeToo-Ausgabe von Hart, aber fair sinngemäß damit verteidigte, bei 300.000 Konzertgästen seien 100 Vergewaltigungen doch eigentlich eine Spitzenquote, also absolut hinnehmbar.
Auch das ähnlich witzig wie ein Gastbeitrag von Steins Giftküchenlaborant Bruno Jonas, einst angeblich Kabarettist, dessen Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung, folgerichtig unterzeichnet von der Querdenkerin Monika Gruber, rechte Satire rechtfertigt. Ein Gedanke, den das Medienportal Meedia demnächst nicht mehr kommentieren könnte, nachdem es witzigerweise Insolvenz angemeldet hat.
Damit im Ringen um die Pointe der Woche aber dennoch dem Ersten unterliegt, dessen Sportschau womöglich nach 62 Jahren Geschichte sein könnte, wenn die DFL ihre Drohung wahrmacht, dem Bundesliga–Topspiel am Samstag so viel Exklusivität beimessen zu wollen, dass die Fußballhäppchenlegende quasi parallel zum aktuellen sportstudio laufen müsste. Das wiederum fände Lea Wagner womöglich nur so bedingt lustig.
Als Teil der großen ARD-Personalrochade soll die Wintersportexpertin schließlich Jessy Wellmer beerben, die anstelle bei den Tagesthemen dafür den Job von Caren Miosga übernimmt, die wiederum anstelle von Anne Will den Sonntagstalk moderieren wird und damit das Hochamt der deutschen Stuhlkreispolitik, was für reichlich Medienrummel sorgt und einmal mehr beweist, dass sinkende Relevanz noch lange nicht für sinkende Aufmerksamkeit sorgen muss.
Die Frischwoche
26. Juni – 2. Juli
Womit wir, bisschen holpriger, aber geradliniger Übergang, bei der 192. Fortsetzung von Sex and the City wären, die gerade abermals unterm Titel And Just Like That bei Sky Diversity, Wokeness, Emanzipation und Sinnhaftigkeit simuliert, am Ende aber doch wieder nur ein immerwährender Werbespot für besinnungslosen Luxuskonsum ist. Zu dumm, dass der Sommer zwar kein ganz so großes Fernsehloch wie früher gräbt, aber dennoch wenig zu bieten hat.
Mangels echter Empfehlungen gibt es daher jetzt eher ein emotionsloses Potpourri der Neustarts. Angefangen mit der Netflix-Doku Eldorado, die ab Mittwoch immerhin ein vielfach verdrängtes Kapitel im dicken Band deutscher Menschenverachtung beleuchtet, nämlich das, was heute LGBT+ heißt, unterm Hakenkreuz. Parallel dazu setzt Sven Voss seine True-Crime-Reihe XY Gelöst mit vier Folgen in der ZDF-Mediathek fort.
Apple TV+ startet derweil den Echtzeit-Thriller Hijack um eine Flugzeugentführung im 24-Stil, bevor die ARD-Mediathek tags drauf zum Start des wichtigsten Radrennens überhaupt den Dreiteiler Mythos Tour bringt, der allerdings verglichen mit dem grandiosen Netflix-Achtteiler Unchained, zu Deutsch: Im Hauptfeld geradezu kümmerlich daherkommt – was der Streaming- und Fernsehpodcast Och, eine noch in seiner neuen Folge übrigens genauer ausarbeitet.
Und damit zur einzigen, wirklich bemerkenswerten Neuerscheinung der Woche, die dann auch noch vom Kino kommt: Bulldog, das 90-minütige ARD-Debüt des Filmemachers André Szardenings, in dem ein wunderbares Ensemble aus Lana Cooper, Julius Nitschkoff und Karin Hanczewski am Sonntag (23.20 Uhr) im Ersten eine auf zurückhaltende Art raumgreifende Dreiecksbeziehung im deutschen Prekariat auf Ibiza verkörpert. Und weil das montagsfernsehen nächste Woche ausfällt, noch in Kürze vier langfristige Tipps:
Kizazi Moto, ab 5. Juli bei Disney+, zehnteilige Anime-Anthology von Kreativen aus sechs Ländern, die sich Afrikas Zukunft zwischen Tradition und Afrofuturismus ausmalen
The Ex-Wife, ab 7. Juli bei Paramount+, amerikanische Psychothrillerserie
Legend of Wacken, ab 7. Juli bei RTL+, grandioses, realsatirisches Biopic über die Gründer des legendären Metal-Festivals
Then You Run, ab 7. Juli bei Sky, feministische Drogenthrillerserie um eine Gruppe Teenagerinnen auf der Flucht durch halt Europa

