Gebührenverschwendung & Regieren am Limit

Die Gebrauchtwoche

TV

4. – 10. Oktober

Sonntagabend. Weder Olympia noch Fußball-WM. Wenn die Tagesschau da um 20.15 Uhr zwei Sport- zu Spitzenmeldungen macht, muss sich buchstäblich Bemerkenswertes ereignet haben: Der Rauswurf von Bundestrainer Hansi Flick, dessen Rauswurfgrund tags zuvor bei RTL übertragen wurde. Und der deutsche Weltmeistertitel im Basketball, dessen Zustandekommen zuvor wochenlang nur bei Magenta gestreamt wurde.

Interessanterweise wird die Tatsache, dass letzterer im Endspiel öffentlich-rechtlich – beim ZDF – gezeigt wurde, auch von denen kritisiert, die sonst Gebührenverschwendung brüllen. Ob das nur Internet-Trolle tun, die sich hinter Tastaturen verschanzen? Schwer zu sagen. Aber mehrere Studien belegen einem Zeit-Bericht zufolge, dass Social Media zwar die Wut der Hater verstärkt, aber nicht nachweisbar neue erzeugt. Einerseits. Denn andererseits ergeben dieselben Studien folgendes.

Der Facebook-Algorithmus versorgt demokratische Wähler*innen zu gleichen Teilen mit linkem und rechtem Content, republikanische dagegen nahezu ausschließlich mit konservativem. Ungleiche Internet-Waffen also für liberale Einstellungen. Und zudem fand ein Forscherteam um Matthew Hindman heraus, dass rechte Bilder und Texte bei Facebook bis zu achtmal so irreführend, ergo: falsch sind als linke.

Während letztere die medial viral gegangene Augenklappe von Olaf Scholz demnach tendenziell als, nun ja, Augenkappe bezeichnen, war sie für erstere ein reiner PR-Coup. Daran ändert wenig, dass sich Alice Weidel, im ARD-Sommerinterview darauf angesprochen, bloß Besserungswünsche abringen ließ, ansonsten aber süffisant um Bekenntnisse zum völkischen Totalitarismus rumlavierte. Noch weniger ändert daran aber künftig das drohende Aus bedeutender Satire-Institutionen.

Die ältere von beiden, vor 44 Jahren Titanic getauft, ist seit Juli insolvent. Die jüngere namens Katapult dagegen wohl schon länger. Beide arbeiten nahezu frei von Anzeigen. Beide haben sich trotzdem trotzig am Markt gehalten. Beide buhlen verbissen um Solidarität. Beide sind im Zeitalter des Postillon aber auch Anachronismen – wenngleich sehr liebenswerte.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

11. – 17. Oktober

Das gilt auch für die Objekte einer gelungenen Doku-Serie. Fünfmal 50 Minuten lang begibt sich Sky ab Sonntag auf eine Zeitreise Inside Greenpeace. Der Umweltorganisation also, die vor 50 Jahren als erste medienwirksam gegen den Klimawandel revoltierte, nun aber durch jüngere, freshere, teils radikalere Epigonen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion in den Schatten gestellt wurde.

Die deutsche Langzeitstudie von Showrunner Florian Nöthe zeigt nun, wie sich Greenpeace dennoch durch die nahende Katastrophe beißt. Ebenfalls ein Jahr lang hat Stephan Lamby die rotgrüngelbe Koalition durch den Ernstfall Dutzender Krisen auf einmal begleitet und zeigt heute um 20.15 Uhr (ARD) drei Teile am Stück, was das Regieren am Limit, so der Untertitel, mit den Regierenden macht – am Ende also mit uns.

Und wo wir bei Dokumentationen sind: Mittwoch startet Netflix Ganz normale Männer um Wehrmachtsoldaten, die im Krieg zu Monstern wurden, was nicht zufällig an Hitlers willige Helfer von Daniel J. Goldhagen erinnert. Passend dazu porträtiert der History Channel produziert von Hollywood-Star Bradley Cooper am Samstag den Kriegspräsidenten Franklin D. Roosevelt, nachdem Disney+ mit Bertie Gregorys Naturfilmreihe Tiere hautnah gezeigt hat, dass Dokus auch soft sein können. Und damit zum Fiktionalen.

Herausragend ist da der Paramount+-Sechsteiler Das Gold, ein extrem konzentriertes Drama um jenen Millionenraub, der vor 40 Jahren die britische Gesellschaft umwälzen half. Weniger realistisch, aber nicht schlecht ist die Universal-Serie Fire Country um einen Häftling, der ab Sonntag bei Sky im Feuerwehrdienst seine Haftstrafe – und die Last der Vergangenheit – mindern will. Die britische Dramedy This is Going to Hurt taucht zugleich in die Gynäkologie ein. Zwei Tage zuvor versucht sich die ARD-Mediathek an der polyamourösen Beziehungsstudie Tod den Lebenden. Und dass Johanna Wokalek in den Münchner Polizeiruf einsteigt, sei da nur am Rande erwähnt.



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