Das Boot 4: Interview Gansel, Wolfart, Ammon

Wer ist Ihnen denn nicht rechts genug?

Gansel

Auch die 4. Staffel Das Boot muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Sky Nationalsozialismus und Kollektivschuld hinter der hochauflösenden Kriegsästhetik mit einer Handvoll Bösewichte versteckt. Dass die Produzenten Marcus Ammon (Bild li, Foto: Rica Reeb/Rosa Merk/Sky) und Fabian Wolfart (2.v.r.) das ebenso wie Regisseur Dennis Gansel (2.v.r.) anders sehen, zeigt ein freitagsmedien-Gespräch mit den drei Machern.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Herr Ammon, Herr Gansel, Herr Wolfart – was fasziniert nicht nur Deutsche seit 1981 so an Soldaten im U-Boot, dass es von der zweiten Serie nun die vierte Staffel gibt?

Marcus Ammon: Das Boot wurde 1981 zum Welterfolg, weil es den Krieg erstmalig aus der Perspektive der Besatzung erzählt und somit für die Zuschauer greifbar macht. 2016 war ich bei Sky für den Bereich Eigenproduktion verantwortlich; als die Bavaria damals mit der Idee auf uns zukam, auf Basis dieser starken IP ein neues Format zu entwickeln, war von Anfang an klar, dass wir kein Remake von Wolfgang Petersens Film produzieren, sondern mit einer High-End-Serie eigenständig und vielschichtiger werden wollen. 

Dennis Gansel: Ich habe die ersten zwei Staffeln nur als Zuschauer wahrgenommen, aber aus meiner Sicht hat das Publikum großes Interesse an historischen Stoffen mit aktueller Relevanz, die leider zuletzt wieder aktueller geworden sind. Wenn sich die Protagonisten in der 4. Staffel über den 2. Weltkrieg unterhalten, sagt das teilweise mehr über die Gegenwart als die Vergangenheit.

Fabian Wolfart: Ich glaube, dass Zuschauer oft fasziniert sind von Welten, die sie nicht kennen oder erlebt haben, und wenn sie dann auch noch viele Emotionen abbilden, tauchen sie schnell in diese Welt ein.

Wenn ich Sie richtig verstehe, liegt der Fokus von Das Boot also weniger auf dem Nationalsozialismus als dessen Krieg?

Gansel: Sowohl als auch.

Dieses „als auch“ allerdings muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass der Nationalsozialismus am Guido-Knopp-Syndrom leidet, ein Volk von Widerstandskämpfern zu zeigen, die ein paar fiese Nazis in den Untergang treiben.

Gansel: Also für mich persönlich lasse ich das so wenig gelten wie für die Serie als Ganzes. Dafür hat mich die Herangehensweise von Beginn an zu sehr überzeugt. Wir hatten diverse historische und wissenschaftliche Berater, mit denen jeder Handlungsstrang eng abgestimmt wurde – eben, weil wir hier besonders sorgfältig arbeiten wollten. Die Recherchetiefe ist so großflächig und präzise in die Drehbücher eingeflossen, dass mir der Vorwurf eher fremd erscheint. Worin genau besteht er denn?

Dass es an Bord wie immer exakt einen Nazi gibt, den die Mannschaft hier auch noch als Feind ausfindig macht. Und an Land beschränkt sich die Zahl faschistischer Funktionsträger auf ausgewählte Figuren, was den Eindruck erweckt, sie seien in der Minderheit gewesen. Warum setzt sich die Produktion dem Verdacht aus, durch die Unterschlagung der Kollektivschuld anschlussfähig für revisionistische Sichtweisen zu sein?

Gansel: Ich versuche mich da wirklich in Sie hineinzuversetzen. Wenn ich mir nur die Admiralitäten ansehe, die bereit sind, sämtliche Bootsbesatzungen in aussichtslosen Missionen zu verheizen…

Was wiederum kriegs-, nicht diktaturimmanent ist.

Gansel: Oder nehmen Sie die SS in Berlin. Von der gibt es nicht wenige, und wir haben uns bemüht, sie so zu zeichnen, dass es eben keine schwarz-weißen Bösewichte sind. Dieses Bild entsteht auch, wenn man die Großeltern-Generation betrachtet, obwohl sie ihre eigene Verstrickung teilweise unkorrekt dargestellt haben. Meine eigenen übrigens auch, was meine Eltern als 68er wiederum angeprangert und meinen Opa als Nazi bezeichnet haben. Dabei liegt die Wahrheit doch in der Mitte. Und die versuchen wir in Das Boot darzustellen, etwa in Gestalt von Obersturmbannführer Koch, der als Folterknecht und Familienvater vorkommen darf. So zeichnen wir gerade für jüngere Generationen ein Bild der Zwischentöne. Denn für meinen Sohn ist der 2. Weltkrieg so weit weg wie für mich der 1. Weltkrieg.

Wie alt ist der denn?

Gansel: Der wird sieben, versteht zwar die Zusammenhänge noch nicht, kam aber gerade aus der Schule und meinte an einer Stelle mal, irgendwer sei ja böse wie Putin.

Fabian Wolfart: Mein Sohn ist schon elf, aber weiß noch nicht viel über Weltkrieg und Nazis. Dennoch ist das Thema Ukraine sehr präsent für ihn und es kommen oft Fragen. Und da erscheint mir wichtig, ihn darüber aufzuklären, dass die Einteilung in Gut und Böse nicht so einfach ist, wie es scheint, ohne sich auf eine Seite zu schlagen.

Ammon: Aber wer ist Ihnen denn jetzt nicht „rechts“ genug gezeichnet – die Bootsbesatzungen oder die Serie im Ganzen?

Letzteres, wofür die U-Boote nur exemplarisch stehen. Ich will keineswegs Ihre Integrität anzweifeln, frage mich aber, ob die Serie Film- und Fernsehregeln befolgt, selbst im Nationalsozialismus mehr positive Identifikationsfiguren als Antagonisten darzustellen, an die das Publikum andocken kann?

Ammon: Wir haben die Serie unter der Prämisse produziert, Geschichte in all ihren Schattierungen darzustellen. Und für ideologiekonforme Antagonisten gibt es in den wesentlichen Rollen reihenweise Charaktere. Den Forster, den Schulz, den Koch, den Werner, um nur einige zu nennen. Gleichzeitig wollten wir ein breites Publikum unterhalten.

Wolfart: Was hat Ihnen denn gefallen an der Serie, Herr Freitag?

Wie in den ersten drei Staffeln die klaustrophobische Intensität unter Deck, der Überlebenskampf ungeachtet politischer Prämissen, die schon Wolfgang Petersen genial inszeniert hat. Aber sobald die Kampfhandlung endet, schlagen sich Serie und Film auf die Seite eines Tätervolkes, das eher als Opfervolk zu sehen ist.

Wolfart: Haben Sie konkrete Beispiele, die Ihre These belegen können?

Samuel Greenwood, dessen Name seltsam jüdisch klingt und in der 1. Staffel insinuiert, der Krieg könnte ein kapitalistisches Komplott unter Beteiligung der Amerikaner sein. Oder den englischen Offizier Swinburne, der zu Beginn der 3. Staffel hinterrücks arme Wehrmachtssoldaten abknallt.

Gansel: Unsere Figuren und Handlungen wurden von irischen und englischen Headwritern entwickelt. Beide meinten, Deutsche seien bei der Geschichtsschreibung manchmal ein bisschen übervorsichtig. Und wir wissen ja, dass sich Swinburne bei der Kriegsmarine dafür rächen will, dass deutsche U-Boote völkerrechtswidrig ein Schiff der Handelsmarine angegriffen und dabei seinen Sohn getötet haben. Swinburne handelt im Affekt und aus tiefer Trauer heraus.

Rache also statt Ratio…

Gansel: Aber als inszenierender Regisseur bin ich doch froh, dass die Figur kein strahlender Held ist, nur weil er zu den Alliierten gehört. Interessanterweise fanden die Leute in England Das Boot mehrheitlich fein gezeichnet und ausgewogen. Ich gebe Ihnen Recht, dass wir eine besondere Verantwortung haben, genau hinzuschauen.

Daher nochmals die Frage: versucht die Serie auch den Zuschauern gerecht zu werden, die von der Kollektivschuld nichts mehr hören wollen?

Gansel: Nein, uns geht es um die Banalität des Bösen, die sich jetzt wieder in der Betrachtung einer Figur wie Wladimir Putin findet, den viele trotz allem auch hierzulande verehren.

Die Planungen zur 4. Staffel haben bestimmt lange vor dessen Krieg begonnen, oder?

Wolfart: Natürlich. Die Bücher für diese Staffel waren bereits entwickelt und bei Kriegsbeginn waren wir gerade auf Location-Tour in Prag.

Hat er dennoch Einfluss genommen auf Entstehungsprozess und Dreharbeiten?

Gansel: Ein absolutes Ja. Vor und hinter der Kamera waren alle extrem auf Authentizität des Gezeigten aus. Dafür hatten wir ja unsere internationalen historischen Berater, die darauf geachtet haben.

Mündet diese Authentizitätsbedarf in eine Art Bildungsauftrag, den Formate wie diese womöglich haben?

Ammon: Bildungsaufträge haben eher Dokumentationen als fiktionale Stoffe. Dennoch ist es eine Anti-Kriegsserie mit einer klaren Haltung, die immer wieder deutlich macht, dass Kriege keine Gewinner kennen.

Gansel: Jede Erzählung muss da einen historisch korrekten Kern haben.

Ammon: Wir fühlen uns den Realitäten der deutschen Geschichte verpflichtet, wollen aber ohne erhobenen Zeigefinger unterhalten und sind dafür mit einer Vielzahl an Figuren auf eine lange Reise gegangen.

Kann diese Reise noch weitergehen?

Ammon: Weil Sky keine deutsche Fiktion mehr produziert, wissen wir momentan noch nicht, ob es weitergeht. Aber wir alle wünschen uns eine Fortsetzung, denn unsere Figuren sind noch nicht auserzählt.



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