Sirens of Lesbos, Chai, Cherry Glazerr

Sirens of Lesbos

Ach, Popmusik – mal räuberisch, mal respektvoll, selten originell, immer immer renditefixiert geht dein eklektisches Harmoniegehabe Klangkreativen schon deshalb auf die Nerven, weil dir Umwege zuwider sind und Abzweige ein Graus. Auch Sirens of Lesbos schlängeln sich routiniert durchs Zentrum diverser Stile, um darin Sounds zu suchen, die das Schweizer Quintett auch noch “groovigen Wordbeat” nennt. Au weia.

Dann aber, beginnt das zweite Album Peace staubgrau zu funkeln. Dann stehen sich die Genres von Soul über Jazz bis HipHop, Disco, Breakbeats, gar Southern Rock im Weg und machen sich doch Platz. Dann klingen die Sängerinnen Jasmina und Nabyla Serag nicht mehr ölig, sondern variabel. Dann kreieren sie einen Mash-up, der neugierig durchs Dickicht der Gefälligkeit tapst und sogar John-Farnham-Samples duldet. Dann werden die Sirens of Lesbos: Besonders.

Sirens of Lesbos – Peace (Sirens of Lesbos)

Chai

Es gab mal, lange vorm K-Pop koreanischer Herkunft, eine Gattung namens J-Pop japanischer Provenienz, dem wir Bands wie Pizzicato Five, Flipper’s Guitar oder The 5.6.7.8’s verdanken. Verspielter Trash wie eine Nacht auf Speed in den Spielhallen Tokios, den auch das lipstickfeministische pinkschwarzbunte Quartett Chai auf seinem vierten Album ins Publikum feuert wie mit Konfettikanonen auf Papageien.

Das Team um Sängerin MANA (Keyboards), das analog zum funkensprühenden Selbstbewusstsein nur Großbuchstaben wie KANA (Gitarre), YUNA (Drums) und YUUKI (Bass) hat, badet mit Engelsstimmen, Sixties-Soul und Future-Funk im Schaumbad der Stile, bis absolut jedes Klischee japanischen Irrsinns erfüllt ist – und dennoch keinerlei Fremdscham erzeugt. Geiles Zeug, dass sie vorher geklinkt haben. Will man auch.

Chai – Chai (Sub Pop)

Cherry Glazerr

Und weil Trashpop ganz ohne J oder K oder sonst was vorweg am schönsten ist, wenn er sich und andere mit Seriosität überrascht, feiern wir an dieser Stelle abermals Cherry Glazerr, dieses verschroben-schöne Projekt der Gitarristin Clementine Creevy, die seit zehn Jahren wechselnde Besetzungen sammelt, um auf ihre Art den Männerbühnenprollrock zu zerstören. Und das gelingt ihr auch auf I Don’t Love You Anymore hervorragend.

Im Signature-Move einer Art Discogrungepunk im Gedenken an die große Elektroclash-Schule der Neunziger um Kapellen wie Le Tigre, scheppert die Gitarre der Kalifornierin hier abermals zu Creevys politisch bewusstem Kopfgesang aus der Höhle ihrer Wut Richtung Bauch ungebremster Lebensfreude. Das Ergebnis ist der perfekte Soundtrack zum Reflektieren und Vergessen zugleich.

Cherry Glazerr – I Don’t Love You Anymore (Secretly Canadian)



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