Fernsehpreise & Diversityclashes

Die Gebrauchtwoche

TV

25. September – 1. Oktober

Der Deutsche Fernsehpreis, sagen Fachleute, sei unter all den Trophäen der Branche schon deshalb bedeutend, weil ihn die Sender selbst verleihen. Zugleich allerdings ist er der unwichtigste, weil ihn – man ahnt es – die Sender selbst verleihen. Im Streaming-Zeitalter führt das zum Glück führt das zwar nicht mehr zu den Proporz-Verteilungen früherer Jahre. Trotzdem folgten die Auszeichnungen für den ZDF-Schund Der Schwarm oder ein Tagesthemen-Special zum Ukraine-Krieg den üblichen Verteilungsschlüsseln.

Andererseits zeugt eine guter Regalmeter Glas-Obelisken für Netflix (Kleo, King of Stonk, Die Kaiserin) und immerhin ein halber für Prime Video (Luden, Joko) oder Sky (Erfundene Wahrheit) davon, dass die Platzhirsche ihre Lorbeeren längst nicht mehr alleine verkochen und Sat1 nicht mal mehr durch Mitleidspreise beruhigen. Mitleid verdienen ohnehin nur all jene, die der dortigen Übertragung volle viereinhalb Stunden gefolgt sind – so banal und öde war die Show ohne Barbara Schöneberger.

Unterhaltsamer war da Susanne Daubner, als sie einen Tagesschau-Beitrag über die Energiepreis-Debatte der Bundesregierung mit Chemieunternehmen vor Lachen kaum moderieren konnte. Immerhin unfreiwillig komisch zeigt sich hingegen weiterhin der RBB. Während dessen Rundfunkrat die Novellierung des Staatsvertrags durch die Senatskanzleien Berlin und Brandenburg heftig als Angriff auf die Prorammautonomie kritisiert, könnte die Wahl der neuen Intendantin Ulrike Demmer unrechtmäßig gewesen sein.

So trist das Angebot der Dritten auch dank ausgedehnter Spar- und Kürzungsrunden oft ist – der Streit über die Strukturen dahinter wird niemals langweilig. Wobei auch Sprachlosigkeit ergreifend sein kann. Als ein Anrufer die unterschiedliche Gewichtung von Flüchtlingen der Ukraine und afrikanischer Staaten im ARD-Presseclub anging, herrschte kurz mal brüllendes Schweigen. Das immerhin könnte mittelfristig in den USA abgewendet worden sein.

Das Ende des Autorinnen-Streiks ist zwar noch nicht schriftreif; ein spürbares Entgegenkommen der Produktionsseite in Sachen Arbeitsverträge und KI sorgte jedoch immerhin dafür, dass demnächst wohl wieder Scripte entstehen – was auch Deutschlands Programmverantwortliche erleichtern dürfte. Und damit einen Glückwunsch zum Schluss: Das Auslandsjournal feiert am Mittwoch 50. Geburtstag im ZDF.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

2. – 8. Oktober

Das ist auch bitter nötig. Ansonsten nämlich gibt es im Zweiten ebenso wenig Beglückwünschenswertes wie im Ersten. Der ARD-Freitagsfilm Einfach Nina müht sich immerhin redlich, das Thema Transgender degetotauglich zu verarbeiten, bleibt aber ein bisschen zu gefällig. Und dass Heike Makatsch am Sonntag zum letzten Tatort-Einsatz bittet, ist ja auch die beste Nachricht seit ihrem ARD-Debüt.

Und damit zu öffentlich-rechtlich Empfehlenswerterem abseits der Hauptkanäle. Die Web-Serie Clashing Differences zum Beispiel experimentiert ab Donnerstag bei Arte überaus erfolgreich damit, einer queerfeministischen Frauenkonferenz mangelnde Diversität zu unterstellen – und verknotet die Fallstricke selbstauferlegter Vielfalt ebenso originell wie lehrreiche. Nur importiert, aber absolut brillant ist das norwegische Neo-Drama About Saturday.

Zwölf Teile lang kämpft ein Opfer sexueller Gewalt darin ab Freitag gegen falsche Scham und Schuldgefühle darum, ins Leben zurückzukehren – was auf fast schon wispernd leise Art raumgreifend wirkt. Gelungen ist auch die französische Politkomödie Unter Kontrolle, tags zuvor sechsmal 30 Minuten bei Arte, wo ab morgen die Milieustudie Capital B läuft, in der Florian Opitz fünf Folgen lang untersucht, wie Berlin nach 1989 mithilfe machtgeiler Kreise in CDU und SPD zur Beute skrupelloser Immobilienspekulanten wurde.

Sein eigenes Spekulationsobjekt ist demgegenüber David Beckham, dem Netflix am Mittwoch ein vierteiliges PR-Porträt schenkt. An gleicher Stelle hoffen wir, die 3. Staffel Lupin hält das Niveau der ersten zwei, was auch für die Fortsetzung der Antisuperheldenserie Loki 2 bei Disney+ ab Freitag gilt. Paramount+ zeigt derweil gen Wochenende ein Remake von Steven Kings Friedhof der Kuscheltiere und das sechsteilige Kammerspiel Bargain um die Folgen eines südkoreanischen Erdbebens. Vom Greenwashing der Pro7-Aktionswoche Save the Planet wollen wir dagegen lieber schweigen.



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