Fernseharbeit & Deutsches Haus

Die Gebrauchtwoche

TV

12. – 18. November

Eigentlich soll man ja gehen, wenn es – der verstorbene Hans Meiser hatte das vorgemacht – am schönsten ist. Linda Zervakis & Matthias Opdenhövel haben da einen etwas anderen Ansatz und gehen, wenn’s am schlimmsten ist. Ihr missratenes Infotainment endet am Jahresende und hinterlässt ProSieben als das, was es zuvor bereits war: oft sehr unterhaltsam, aber – sofern Joko & Klaas unbeteiligt sind – selten gehaltvoll.

Völlig andere, absolut erschreckende Ursachen hat hingegen der Rückzug von Deborah Middelhoff. Die Chefredakteurin der Kulinarik-Magazine im Hamburger Jahreszeiten Verlag wie Feinschmecker geht 2024 ins Ausland und begründet es damit, dass sie sich als Jüdin in Deutschland nicht mehr sicher fühlt. Es sind fürchterliche Zeiten für Menschen, die nicht ins rechte Weltbild passen. Haltungsstarke Frauen zum Beispiel wie Gilda Sahebi.

Weil sie Friedrich Merz im Zuge der Migrationsdebatte bei Markus Lanz rassistisch nannte, fuhr Bild eine gewohnt menschenverachtende Schmutzkampagne gegen die deutsch-iranische Journalistin des Jahres 2022, was den wohlkalkulierten rassistisch-misogynen Shitstorm im Netz nach sich zog. Da hat der neue DJV-Vorsitzende Mika Beuster ja gleich mal einiges zu tun.

Wobei das Blatt gerade eher mit sich selbst zu tun – interessiert seine TV-Kampagne doch nachweislich keine noch so braun-blaue Sau. Wo ohnehin kein Bild-Spot zu sehen war, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Primärziel von Axel Springers Journalismus-Karikaturen, die folgende Zahlen vermutlich ignorieren: Gemeinsam nämlich tragen ARD, ZDF und Deutschlandradio stolze acht Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Mehr als sie über Gebührengelder einnehmen. Außerdem schaffen sie laut einer Studie des WifOR-Instituts sender- und systemübergreifend gut 77.000 Arbeitsplätze. Wenngleich schon längst keine mehr mit der Lindenstraße, die ihren Fans allerdings frohe Kunde zu vermelden hat: das Online-Portal ARD+ zeigt ab Donnerstag sämtliche Folgen der abgesetzten Endlosserie, insgesamt immerhin 1765 Stück.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

13. – 19. November

So viele dürften es aller Voraussicht nach selbst bei The Crown oder Yellowstone werden, die ab Donnerstag bei Netflix und Paramount+ immerhin auch schon in ihre jeweils fünfte Staffel gehen. Erstere angeblich sogar mit Lady Di, die den Windsors als Geist erscheint. Ein paar mehr als fünf Episoden hätten es hingegen bei der konkurrenzlosen Überraschung dieser Woche sein dürfen.

Sie heißt Deutsches Haus und dürfte angesichts von Titel, Genre, Plattform zunächst mal Skepsis erzeugen. Die reale Zeitgeschichtsfiktion verfilmt den gleichnamigen Roman der Drehbuchautorin Annette Hess, die für solides, aber museales Historytainment à la Ku’damm 53-59 verantwortlich war. Jetzt nimmt sie sich der Auschwitz-Prozesse von 1963 an – und das auch noch ab Mittwoch bei Disney+.

Wider Erwarten aber ist die Erzählung einer teilrealen Frankfurter Gastwirtfamilie, deren Tochter zur Dolmetscherin des Verfahrens gegen frühere SS-Verbrecher wird, mit gehörigem Abstand das Beste, was dieses Metier jemals hervorgebracht hat und damit mehr als eine Empfehlung. Die darf man abzüglich irgendwelcher Relevanzkriterien auch für die Magenta-Serie Lucky Hank aussprechen.

Ab Freitag kämpft Better Call Saul Goodman darin achtmal gegen seine Midlifecrisis an einem mittelmäßigen College im amerikanischen Rust-Belt – und wie Bob Odenkirk den zynisch-melancholischen Literatur-Professor spielt, das ist einfach großartig. Großartiger jedenfalls als der nächste Versuch, mit dem FC Bayern Kasse zu machen, wie es deren Wachstumsfiktion Gute Freunde tags drauf bei RTL+ plant.

Und sonst? Kommt Sebastian Lege heute bei Vox auf den Geschmack, läuft parallel das ZDF-Drama Die Whistleblowerin, startet Disney+ Dienstag den Gen-Z-Serienkrimi A Murder at the End of the World, glänzt Emma Stone Mittwoch in der bizarren Paramount-Beziehungskiste The Curse, startet Warner Donnerstag die Spionage-Romanze Spy/Master, steht Freitag die achtteilige Coming-of-Age-Mystery The Messenger auf der ARD-Mediathek und Sonntag die deutsch-belgische Homecoming-Crime Juliet in der des ZDF.



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