Aggregat, The Dead South, Brittany Howard

Aggregat

Basislager und Bergankunft der Musik liegen womöglich Jahrmillionen auseinander, aber auch letzter ist ein Weilchen her. Der steinzeitliche Ursprung war rhythmischer Art, sein barocker Gipfel klassischer Natur. Grenzgänger wie Hauschka, Den Sorte Skole oder OhOhOhs klettern zwar schon länger zwischen den Steilwänden umher, aber niemand tut es verschwitzter als Aggregat. Der analoge Techno des Hamburger Trios fusioniert den ältesten Musikstil schließlich nicht nur mit dem sinfonischsten.

Es kombiniert physische Drums so mit Elektrobeats und Kontrabass, bis daraus etwas Unerhörtes und zugleich Vertrautes wird. Ein Kammerclubsound für Herz, Hirn, Bauch, Beine, der manchmal trancig ist, oft housig, gelegentlich ein bisschen Jazz einstreut und dabei mit etwas Fantasie an den hypnotischen Realismus Sergei Rachmaninoffs erinnert. So weit die Theorie. Die Praxis: einfach geiles Tanzzeug.

Aggregat – Origins (Poly Unique/Aggregat)

The Dead South

Um die Blue-Grass-Band The Dead South geil zu finden, hätte man früher Amerikas rostig-reaktionären Westerngürtel bewohnen, Trump wählen und Kohle statt Hirn im Kopf haben müssen. Ein günstiger Umstand der Popgeschichte allerdings hat das kanadische Quartett auf der Welle von Mumford & Sons vor Jahren bereits in den Mainstream befördert. Jetzt sind seine Traditionals nicht nur grenzübergreifend erfolgreich.

Sie bleiben auch auf dem vierten Album Chains & Stakes von einer filigranen Vielgestalt, dass Banjowirbel und Gesangsmelanchole mit so epischer Wucht an den Alternative-Country eines Mojo Nixon – R.I.P.! – docken, als läge Texas in Brooklyn. Augenscheinlich konservativ, schafft es der Hochgeschwindigkeits-Country von Dead South somit abermals, ein paar Gräben dieser zerklüfteten Nation kurz mal zuzuschütten.

The Dead South – Chains & Stakes (DevilDuck)

Brittany Howard

Diese Brückenbautätigkeit ist aber noch gar nichts gegen die ausgestreckte Hand von Brittany Howard – eine Universalkünstlerin, deren angebots- und nachfrageentkoppelter Multilayer-R’n’B praktisch jeder einzelnen Anspruchshaltung widerspricht und dennoch (oder deshalb) selbst Grammy-Bühnen rockt. Schon als schwarze Gitarristin der Garage-Band Alabama Shakes war sie einfach zu divers um wahr zu sein.

Ihr zweites Soloalbum ist hingegen eine so neugierige Expedition ins Dickicht von Fusion-Funk, Neo-Soul und Glam-Rock – da könnte es passieren, dass sie Kollegen wie Anderson .Paak am Wegesrand findet, der nach dem richtigen Abzweig in die echt spannenden Areale fragt und bei Brittany fündig wird. Fast alles an What Now beschreitet schließlich Umwege, die direkter als jeder Highway ins Herz der Musik führen.

Brittany Howard – What Now (Island/Universal)



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