Teddy Teclebrhan: Anarchie & Improvisation
Posted: February 23, 2024 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a commentEs gibt bei mir keinen Pointen-Zwang

Unter den konsensfähigen Comedians ist Teddy Teclebrhan (Foto: Amazon Prime Video) definitiv der anarchistischste. Jetzt sogar mit eigener Unterhaltungsshow bei Amazon Prime. Ein Gespräch über gespaltene Persönlichkeiten, improvisierende Stars und die neue Lust am Scheitern.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Teddy, kannst du mir deine Show kurz erklären? Ich habe zwei der sechs Folgen gesehen, bin aber weit davon entfernt, das Konzept dahinter zu verstehen…
Teddy Teclebrhan: Der beste Weg, sie zu verstehen, ist vermutlich, es gar nicht erst zu versuchen, sie zu verstehen. Die Geschichte hinter der Show war ja, dass ich bei Prime Video war, den Vertrag unterschrieben habe, und als sich die Tür hinter mir geschlossen hat, standen da drei Typen und fragten: Okay, und was ist mit uns?
Weil Ihre Unterhaltungspersönlichkeit gleich vierfach in Teddy Teclebrhan, Ernst Riedler, Antoine Burtz und Percy gespalten ist?
So kann man das interpretieren. Prime hat den Vertrag mit mir gemacht und die anderen drei wollten halt ihren Anteil daran. Aber brauchen Sie das Konzept der Show für Ihr Leben oder das Interview?
Eher letzteres.
Dann einigen wir uns darauf, dass es kein Konzept gibt, okay?
Okay, aber in dieser Konzeptlosigkeit hat mich Ihre Show dennoch ein bisschen an Filme von Bully Herbig oder Otto Waalkes erinnert, die im Grunde Verdichtungen früherer Sketche waren…
Bei mir war es anders. Ich habe die Fernsehshows so gebaut, wie ich auch meine Liveshows baue: So konzipiert wie nötig, so organisch wie möglich.
Und das wussten auch deine Gäste mit klangvollen Namen von Iris Berben über Megaloh und Caprice bis Heiner Lauterbach?
Wer mich kennt und von mir eingeladen wird, dürfte sich darüber im Klaren sein, dass meine Nummern improvisiert sind. Die wussten das also, und alle sind professionell genug, damit umgehen zu können.
Also gegebenenfalls in den Pointen-Battle mit einem Improvisationsprofi wie Ihnen einzutreten?
Nee, denn es gibt bei mir keinen Pointen-Zwang.
Aber ja schon einen Schlagfertigkeitszwang, sonst tritt das Schlimmste einer Live-Sendung ein, nämlich peinliches Schweigen.
Genau deshalb sind alle Schauspielerinnen und Schauspieler, die wir eingeladen haben, richtig gut in ihrem Fach.
Der Regisseur Jan Georg Schütte sammelt mit dieser Art Impro-Fiktion gerade so viele Film- und Fernsehpreise, dass die größten Stars mittlerweile bei ihm vor der Tür scharren, um mitmachen zu dürfen. Gibt es eine neue Lust an Fallhöhe, der Chance zu scheitern?
Die Lust war immer da, aber jetzt gibt es viel mehr Formate als früher, in denen sie sie nutzen können. Mir ist allerdings fast noch wichtiger, dass man nicht erkennen kann, ob es gescripted oder improvisiert ist. Dieses Überraschungsmoment mag ich sogar noch mehr als gut aufgeschriebene Witze.
Als Schauspieler musst du dich aber vermutlich streng an Texte halten – etwa in deiner Rolle als Erzieher Robert in Nora Fingscheidts Meisterwerk Systemsprenger.
Da gab es zwar ein Drehbuch, aber auch da ist man mit der Regisseurin ständig im Austausch darüber, ob man was mundgerecht anpassen kann – manchmal sogar in der Szene selbst. Aber richtig improvisieren kann man da natürlich nicht.
Was hat dich eigentlich so früh daran fasziniert, ohne schriftliche Fahrbahnbegrenzung gegen die Wand fahren zu können?
Die Möglichkeit, in Momenten der Unsicherheit etwas wirklich Besonderes zu finden, ist wesentlich höher als mit Netz und doppeltem Boden eines Drehbuchs. So wie wir jetzt miteinander reden, ist ja auch nichts gescripted und kann daher in jede Richtung gehen. Improvisation ist Leben. Deshalb habe ich keine Angst, gegen diese Wand zu fahren.
Weil Sie generell ein angstfreier Typ sind?
Nein, nein. Ich bin kein angstfreier Typ, aber ich weiß ganz gut, wie ich mit Ängsten umgehen sollte. Um keine Angst vorm Scheitern zu kriegen, habe ich sie deshalb von einer Gefahr zum Wegweiser umdefiniert, der kein unerwünschtes Ziel, sondern nur die Richtung vorgibt. Einiges vom Scheitern bleibt daher auch im Programm, anderes fliegt raus – aber nicht etwa, weil ich mich dafür schäme, sondern weil ich mein Energielevel nicht erreicht habe.
Ist dieses Energie-Level am Ende eines deiner Humor-Prinzipien?
Unbedingt.
Und was noch – vielleicht das Aushalten von Schmerzpunkten hinausgezögerter Pointen, die Bereitschaft, dorthin zu gehen, wo es wehtut, auch wenn der Umweg eventuell leichter ist?
Ja. Wobei ich gemerkt habe, dass dieser Schmerzpunkt bei anderen nicht nur früher kommt als bei mir; ich empfinde ihn oftmals gar nicht.
Damit hast du gerade ziemlich genau mein Leiden angesichts einiger Momente der Teddy Teclebrhan Show beschrieben…
(lacht) Sehen Sie? Mich entspannen solche Momente eher…
Das dritte und letzte Prinzip könnte sein: Dein Humor ist radikal unpolitisch. Ist er das?
Schon, und zwar als bewusste Entscheidung. Wenn es mal ein bisschen politischer wird, überantworte ich das gerne an die ältere Figur Ernst Riedler, denn ich als Teddy mache schon deshalb durch und durch Unterhaltung, weil meine gesamte Existenz auch ohne darüber zu reden schon politisch ist. Vom Zwang, mich politisch äußern zu müssen, habe ich mich dementsprechend frei gemacht. Folge 5 der Show handelt allerdings von Heimat und ist somit ein wenig politischer.
Hat sich Amazon Prime diesbezüglich eingemischt?
Null, denn die Leute bei Prime haben Bock auf was Neues. Wenn sie sich eingemischt hätten, hättest du am Anfang womöglich nicht nach dem Showkonzept gefragt. Natürlich gab es auch mal Diskussionen, aber am Ende haben Sie mich meinen Style machen lassen. Die akzeptieren mich so, wie ich bin. Wie schön ist das denn?!
Aber würde Prime als renditeorientiertes Unternehmen denn auch einen Misserfolg akzeptieren?
Das müssen Sie dort fragen, aber ihr Glaube an mich und uns war jederzeit spürbar. Ich feiere die Shows gerade so sehr, weil ich konsequent mein Ding machen und alles komplett Teddy ist.
Auch das Knopfdruck-Gelächter des eingepeitschten Publikums?
Da sprichst du was an (stöhnt)… Das war nicht meine Idee und hat mich echt genervt – gerade, weil ich jemand bin, der mit Stille spielt oder dem, was Sie vorhin peinliches Schweigen genannt haben. Das war auch für mich eine Herausforderung (lacht). Beim nächsten Mal machen wir das safe ohne Publikumsanimation.