Totgesagte & Lebendgeburten

Die Gebrauchtwoche

TV

19. – 25. Februar

Tennis war mal ein Straßenfeger mit Übertragungen selbst kleiner Turniere bei ARZDF und Einschaltquoten über Tatort-Niveau. Wer Filzbälle sehen will, musste deshalb zuletzt darauf hoffen, dass Martin Kind weiter Branche, Sport, Gesellschaft, selbst seine Vereinsmitglieder betrügt. Und bei Hart aber fair hat der Herzog von Hannover genau das ja auch im toxischen Trotz seiner Generation fortgesetzt.

Zu dumm für alle Tennisfans, dass die DFL ihre Investorensuche zwei Tage später für beendet erklärt und dem Protest quasi die Ballmaschinen abgestellt hat. Es gab am Wochenende daher zwar keine Spielunterbrechungen, aber die Aussicht, dass Ultras künftig auf der Bundesliga-Nase herumtanzen, wann immer Entscheidungen unliebsam wirken. Klassisches Eigentor also, inmitten einer finalen Schlacht.

Denn der TV-Markt, sagte mit Richard Broughton ein internationaler Experte, „hat sich signifikant verkleinert“. Damit meint der britische Marktforscher zwar fiktionale Serien, von denen 2023 zwei Fünftel weniger beauftragt wurden als im Jahr zuvor. Doch es trifft die Streaming-Branche inklusive Sport-Anbieter wie Sky oder DAZN ins geschäftliche Mark – und führt womöglich dazu, Totgesagte am Leben zu halten.

Das lineare Fernsehen nämlich legte auf 77 Prozent aller Produktionsaufträge zu, was sich positiv auf die Vergabe der Fußballrechte auswirken könnte. Da die Werbe-Erlöse 2024 wohl um 2,7 Prozent steigen, während sich das Abo-Wachstum verlangsamt, wird Video-on-Demand inklusive Fußball unattraktiver. Davon profitiert die Sportschau, vor allem aber das öffentlich-rechtliche Kerngeschäft: Journalismus.

Ob es auch Julian Assange betreibt, wird eingedenk seiner drohenden Auslieferung in die USA kaum diskutiert. Schade eigentlich. Denn dass er Millionen Datensätze unkommentiert online stellt, macht ihn vom Journalisten zum Aktivisten, weshalb sein Fall eher politischer statt publizistischer Natur ist. Und wie willkürlich Digitalportale agieren, zeigte zuletzt ja X aka Twitter, als es den Account von Alexej Nawalnys Witwe sperren ließ.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

26. Februar – 3. März

Apropos Rechtspopulismus: Die ARD zeigt heute Abend ihre wichtige Aussteiger-Doku Wir waren in der AfD, nachdem das ZDF zur Primetime Ferdinand von Schirachs sensationelles Courtroom-Drama Sie sagt. Er sagt auch linear zeigt. Da beides schon längst in den Mediatheken steht, sind zwei Fiktionen ab Freitag allerdings ein bisschen bemerkenswerter.

Im Ersten nimmt zur immer noch allerbesten Sendezeit Die Großstadtförsterin ihren Dienst auf. Klingt fürchterlich, ist aber gar nicht so schlimm – weil darin die großartige Stefanie Reinsperger im Degeto-Auftrag den Berliner Grundwald hegt. Richtig fabelhaft ist hingegen das sechsteilige Medical-Drama Push geworden. Drei Hebammen um Anna Schudt holen dabei in der ZDF-Mediathek Babys zur Welt.

Auch und weil sie sich nebenbei (natürlich) noch mit allerlei privatem Ärger von Trennungen bis Strafprozesse herumschlagen, ist die Serie von einer Intensität, als säße man selber im Kreißsaal. Mit so viel Authentizität können die Streaming-Formate nicht mithalten. Aber auch sie sind durchaus erwähnenswert. Das Remake der Achtziger-Serie Shogun etwa dienstags bei Disney+, das nicht wegen seiner Bildgewaltigkeit zum Besten der Saison zählen dürfte, sondern auch, weil es Richard Chamberlains euroszentrische Sicht auf Japan umdreht.

Dazu das funkensprühende Münchhausen-Stück Die frei erfundenen Abenteuer von Dick Turpin mit Noel Fielding als unfreiwilliger Räuberhauptmann im 17. Jahrhundert. Oder Adam Sandler als tschechischer Astronaut im Netflix-Biopic Spaceman, was angesichts des Hauptdarstellers seicht klingt, aber gar nicht ist. Ähnliches gilt für das Filmporträt Ferrari, in dem Michael Mann (Miami Vice) bei Prime Video den Gründungsmythos erkundet.

Und zum Schluss, als bittere Schmankerln: die Doku As We Speak, in der J.M. Harper ab Mittwoch bei Paramount+ am Beispiel des Rappers Kemba aufzeigt, wie US-Gerichte offenbar seit Jahrzehnten HipHop-Texte als Beweismittel von Strafprozessen gegen ihre Urheber heranziehen. Und Spiel mit den Alpen, ein Katastrophenbericht vom globalen Wintersportrevier Nr. 1, den der wachsame Felix Neureuther heute um 20.15 Uhr im Ersten erstellt.



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