AUGN, oh alien, Khruangbin

AUGN

Das Prinzip Sleaford Mods ist auf komplizierte Art simpel: Rotzige Beats auf die Ohren, rotzigere Lyrics an die Nieren, das Ganze mit 3000 Litern Adrenalin, Testosteron und Schweiß in einen Kellerclub gekippt – fertig ist eine der erstaunlichsten Alternative-Karrieren, die natürlich Nachahmer findet. AUGN zum Beispiel. Wobei es viel zu kurz gedacht ist, das Kreuzköllner Duo als puren Abklatsch der englischen Vorbilder zu nehmen.

Auch auf ihrem neuen Doppelalbum Fata Morgana/Gerstenkorn nämlich klingen die technoiden Bässe im vorderen Hintergrund zwar verteufelt nach Andrew Fearns Dosenbier-Kakophonie. Aber wenn der unerkannte Strumpfmaskensänger dem Hass auf Berlin, Beyoncé, Habibibullshit und alles rechts der Linken dystopisch verzerrt seinen Lauf lässt, klingt Jason Williamson geradezu versöhnlich. AUGN tun richtig weh. Aber es ist ein guter Schmerz.

AUGN – Fata Morgana/Gerstenkorn (Dioptrien)

oh alien

Das Gewöhnliche ungewöhnlich zu machen oder wenigstens klingen zu lassen, ist eine der ganz großen Kunstgriffe. Dem Wiener Trio oh alien gelingt er buchstäblich spielend. Sein Elektropop wurde in den vergangenen 20 Jahren schließlich rauf und runter dekliniert. Gelangweilte Frauenkopfstimme, eher gehaucht als gesungen. Dazu analoge Synthetik zwischen TripHop und Wave – Billie Eilish hat das zuletzt abermillionenfach verkauft.

Wie es da neu erscheinen kann, ist ein Geheimnis aus Österreich, dem man nördlich der Alpen schwer habhaft wird. Auf ihrem Debütalbum kreieren oh alien nämlich popkulturelle Lückenbebauung, die ihren Überfluss als Originalität verschleiert und umgekehrt. Das cheezy Shining wird so zum Beispiel mit einer öligen Gitarre verfüllt, die andernorts nach Ricky King klänge. Hier macht sie daraus große Kleinkunst für nebenbei. Man kann sich an ihr kaum satthören.

oh alien – What We Grow (Assim Records)

Khruangbin

Und wo wir schon bei Musik mit Milchprodukten sind: Das texanische Trio Khruangbin ist zurück und tunkt uns auch auf der vierten Platte in ein käsiges Quarkgemisch aus Psychopop, Americana und LoFi-Funk, als wäre Beck in einen Topf Laid Back gefallen. Unter Marko Speers Gitarrentupfern schleichen DJ Johnsons Schlagzeug und Laura Lee Ochoas Bass hindurch wie Kiffer auf Ketamin – als wäre selbst ihr Downbeat zu schnell für heiße Sommernächte.

Das Besondere an A La Sala – Spanisch für “zum Zimmer”: Es ist dabei ziemlich gut gelüftet, also frisch genug, um wach zu bleiben. Man möchte sich einfach in warme Chai-Latte legen, Ochoas hauchzartem Gesang lauschen und leicht wegdösen, ohne einzuschlafen. Was schon deshalb gut gelingt, weil die Klangteppiche Aufmerksamkeit erfordern, um darin Takte zu erkennen. Bedroom-Pop für Aufgeweckte gewissermaßen.

Khruangbin – A La Sala (Dead Oceans)



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