Voigts Welt & Norwegens Festung
Posted: April 9, 2024 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
1. – 7. April
Die Aufmerksamkeitsökonomie des (kommerziellen) Fernsehens funktioniert wie jene rechter Populisten: Man kippt kommunikative Gefahrengüter in öffentliche Debatten, lässt sie mit der digitalen Umgebung reagieren, bezeichnet etwaige Emissionen als ungewollt, Zufall oder nebensächlich, kümmert sich nicht weiter um deren Entsorgung und genießt die allgemeine Erregung – Stefan Raabs Entertainmentelixier.
Es besteht seit jeher aus großem Getöse über Bagatellen wie Maschendrahtzäune oder Boxkämpfe und erzeugt auch neun Jahre nach seinem Rückzug von der Pro7-Bühne verlässlich Breaking News wie die, er werde gegen Regina Halmich kämpfen, neue Shows moderieren, einen Sender gründen, womöglich gar alles in einem, zugleich und gigantisch. Wie viel daran reines Marketing ist, lässt sich vorerst nur erahnen.
Zumal sie im Kernschatten einer weit größeren PR-Attacke steht: dem Streitgespräch des Thüringer CDU-Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt mit dem rechtsextremsten Gottseibeiuns Joseph-Adolf Höcke. Moderiert vom Senderchef Jan Philipp Burgard, will der Ministerpräsident in spe die Persona non grata a.D. Donnerstag beim Springer-Portal Welt TV vorführen – trotz warnender Beispiele. Die MDR-Sommerinterviews zum Beispiel.
Darin ist Moderator Lars Sänger bereits mehrfach an der geschmeidigen Faktenverachtung des AfD-Ostgauleiters abgeprallt wie fleischlose Wurstalternativen am CSU-Parteitag. Umso gespannter darf man sein, ob und vor allem: wie gut sich die Voigt und Burgard diesmal vorbereiten, um den Leitsatz der Mediendemokratie gerecht zu werden: Schweigen ist Silber, Reden – nun ja, besser als nix.
Die Frischwoche
8. – 14. April
In Umkehrung dieses Grundsatzes, halten wir uns bei der Vorstellung anstehender Fernseh- und Streamingformate mal kurz und arbeiten sie chronologisch in Stichworten ab
Am Mittwoch begeben sich vier Unbekannte in der ARD-Mediathek auf die Suche nach verschollenen Elternteilen und machen den Vierteiler My Roots zu einer intensiven Tauchfahrt ins eigene Seelenleben, bevor bei Netflix die sechsteilige Alpen-Mystery-Serie Anthracite startet.
Ab Donnerstag mach Arte eine impulskontrollgestörte Gewerkschafterin mit dem Kampfnamen Machine zur Hauptfigur einer französischen Dram-Serie, während Amazon Prime das populäre Videospiel Fallout zur wuchtigen Serienfiktionen mit Tiefgang umdefiniert
Freitag dann schottet die skandinavische Near-Future-Dystopie The Fortress (ARD-Mediathek) Norwegen zu einer Festung für Klimawandelgewinner ab und die schwedische Comedyserie Dreaming of England reist in der Arte-Mediathek zurück in die Achtzigerjahre.
Am Samstag weht Neuer Wind im Alten Land durchs ZDF, als Felicitas Wolls Top-Journalistin Beke an ihre Wurzeln zurückkehrt. Und kurz darauf die Schauspielerin dann auch noch an gleicher Stelle in Hannu Salonens Psychodrama Blindspot Teil eines neoliberalen Intrigantenstadls ist.
Und Sonntag rundet der Neo-Sechsteiler Infiniti die Woche dann mit einem weiteren Ausflug ins All ab, der sich nach Das Signal und Constellation schon wieder auf der ISS abspielt – dem neuen Serienhotspot oberhalb der Erdatmosphäre.

