Ingo Zamperoni: Eloge zum 50. Geburtstag

195 Zentimeter Gefühlsdistanz

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Kaum zu glauben, aber belegt: Ingo Zamperoni (Foto: Schwichtenbergf) ist jetzt 50 Jahre alt. Die Hälfte davon arbeitet der deutsch-italienische Moderator mittlerweile daran, die Nachrichtenlage einigermaßen erträglich zu machen. Mit Erfolg.

Von Jan Freitag

Dante Alighieri wird hierzulande selten zitiert und noch viel seltener tagesaktuell. Von daher war der 28. Juni 2012 ein gewichtiges Datum fürs hiesige Infotainment und seines schönsten Kopfes. Damals traten Ingo Zamperonis Heimatländer im Halbfinale der Fußball-EM gegeneinander an. Und dass der deutsch-italienische Moderator die Halbzeit-Tagesthemen mit dem biografisch-fairen Satz „möge der Bessere gewinnen“ schloss, brachte ihm zwar den allerersten Shitstorm seiner Karriere ein.

Nachhaltiger wirkt im Nachhinein jedoch der Dante-Verweis vorweg. Das Gesicht, zitierte Zamperoni den Nationaldichter aus dem Land seiner Vorfahren väterlicherseits, „verrät die Stimmung des Herzens“. Wie genau es nach dem Aus von einem seiner zwei Lieblingsmannschaften aussah, ist nicht überliefert. Grundsätzlich allerdings darf man vermuten, dass Ingo Zamperoni ziemlich oft guter Stimmung ist.

Trotz allem.

Fast 25 Jahre arbeitet der studierte Amerikanist für Deutschlands wichtigste Nachrichtenredaktion, zur Hälfte vor statt hinter den Kameras. Von Euro-Krise bis AfD-Aufstieg, von Klima-Krise bis Trump-Chaos, von Ukraine-Krieg bis Inflationsspirale hat er seither nahezu ausnahmslos katastrophale Nachrichten verbreitet. Sein Gesicht aber, dieses Gemälde aus verbindlichem Charme und professioneller Empathie – es sorgt für Trost. Abend für Abend.

Wenn er heute – kaum zu glauben, aber belegt – 50 wird, mag Zamperonis Haar demnach grauer geworden sein; das Antlitz darunter wirkt auf ähnlich optimistische Art sachorientiert wie am sieg- und verlustreichen Halbfinaltag zwölf Jahre zuvor. Damit aber genug von Äußerlichkeiten, hin zur Kernkompetenz. Von Ulrich Wickert hat er schließlich nicht nur die nonchalante Lässigkeit geerbt, sondern deren Nebeneffekt, manch Grausamkeit unserer desaströsen Zeit ohne Sinn- oder Bedeutungsverlust erträglicher zu machen.

Sein sonniges Wesen, gepaart mit der Fähigkeit, stürmisch zuzupacken, dient damit als das, was öffentlich-rechtlicher Magazinjournalismus bilden sollte: Die Scharnierfunktion zwischen Ernst und Leichtigkeit, Staatsauftrag und Zerstreuung zur Nacht, in die uns Zamperoni alle zwei Wochen sieben Tage mit dem Abschiedsimperativ „Bleiben Sie stabil“ entlässt. Sie ließ sich nirgends besser bestaunen als im Trialog mit Barack Obama und Bruce Springsteen.

Danach war man wie so oft ab 22.15 Uhr im Ersten informierter, aber auch entspannter, entkrampfter, entertainter. Publizistischer Konfrontationseskapismus gewissermaßen im Dienst analytischer ausgewogener Analyse. Vor allem aber ein Beleg guter Gesprächsführung vom Bauch übers Herz ins Gehirn und wieder zurück, der das Fegefeuer von Corona, Tumulten, Rechtspopulismus Ende 2021 herunterkühlte, ohne es vollends zu löschen. Denn das, da ist der Moderator kategorisch, entspricht nicht seiner Aufgabe.

Schließlich sei es „ein Privileg, unterschiedlichste Menschen verschiedenster Ansichten zu interviewen“, hatte der dreifache Vater zwei Jahre zuvor den Start des Justizmagazins „Das soll Recht sein?“ bei seinem Haus- und Herzenssender NDR kommentiert. Da garantiere er, „nie eine Agenda zu pushen“. Und weil sich der juristisch ausgebildete Journalist ohnehin ständig im „Spannungsfeld von Fakten und Fairness“ befinde, „bin ich auch nicht dauernd innerlich zerrissen, diese Ausgeglichenheit ist absolute Routine“.

Wie gut, dass er die großen und kleinen Tiere nicht nur im Nachrichtenstudio befragt, sondern auch abseits der Redaktionsräume am Hamburger Zoo. So hat uns Ingo Zamperoni zuletzt herausragende Reportagen aus Italien und den USA geliefert. Auf subjektive Art objektiv, reif und jung in einem, ebenso glaubhaft wie kurzweilig: Was bei anderen Gegensatzpaare wären, vereint der 50-Jährige auf 195 Zentimetern distanzierten Mitgefühls.



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