Gretas Hass & Neos Exit
Posted: May 13, 2024 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
6. – 12. Mai
Die Vorstellung, irgendetwas könne unpolitisch sein, ist heutzutage an sich ja schon politisch – als hänge in der digital vernetzten Welt nicht alles noch viel dichter mit allem zusammen als in der analog getrennten Zeit früherer Epochen (die manchmal nur noch ein paar Jahre dauern). Es war daher mal mindestens naiv, den ESC vor seiner Gegenwart abschirmen zu wollen. Einer Gegenwart, die ihren Antisemitismus propalästnensisch verkleidet und dessen Gift bis in die Festhalle von Malmö spritzte.
Dort also, wo die israelische Teilnehmerin Eden Golan ständig ausgebuht wurde, weil – tja… Ob sie jüdischen Glaubens ist, Benjamin Netanjahu wählt oder Gewürzgurken lieber mag als Salzgurken, ist den Hatern ohnehin egal. Umso schöner, dass ihr Song Hurricane von Deutschland zwölf Punkte bekam und auf Platz fünf landete. Sind halt nicht alle so selbstvergessen vom Weg abgekommen wie Greta Thunberg draußen vor der ESC-Tür.
Zeit für eine Ladung brutalstmöglichen Eskapismus? Dann müssen wir an dieser Stelle kurz mal Asche auf unser Haupt streuen und nachträglich, mehrere Wochen zu spät sogar, die Netflix-Serie Baby Reindeer um ein männliches Stalking-Opfer empfehlen, das irgendwie auch ein bisschen Täter ist – und damit Squid Game als erfolgreichstes Format der Streaming-Plattform abgelöst hat.
Weltweite Zugriffszahlen im dreistelligen Millionenbereich dürfte dagegen keine noch so gute Serie der Mediatheken von ARD und ZDF je erzielen. Auch nicht dann, wenn sie wie vorige Woche vermelden, demnächst zusammengelegt zu werden. Kühn scheint die Fusion nach Ansicht erster Gestaltungsideen zwar nicht zu sein. Ein Weg in die richtige Richtung allerdings allemal. Zu schade, dass Rezos Fakten-Check-Show Fake Train (i&u) am 5. Juni bei FreeVee läuft, dort aber wenigstens umsonst.
Die Frischwoche
13. – 19. Mai
Weder dort noch öffentlich-rechtlich läuft diese Woche bereits irgendetwas Empfehlenswertes von Bedeutung. Allenfalls die dritte Staffel der norwegischen Kapitalismus-Horrorshow Exit startet am Dienstag bei Neo, fügt den ersten zwei Staffeln ab Donnerstag allerdings nur ein wenig halbherzige Katharsis der skrupellosen Finanzjongleure aus Oslo hinzu. Und auch das britische Historienspektakel Bridgerton verspricht in dritter Auflage eher Ausstaffierung des Altbekannten.
Ein wenig anders gestaltet sich die erste Fortsetzung von Interview With a Vampire ab Montag bei Magenta TV, wo weiterhin gute Serien starten, aber halt keine deutschen mehr. Beides opulente Kostümbälle, sorgt letzteres durch seine queer-diversen Erzählstränge immerhin für Irritation. Opulent ausgestattet ist ab Freitag bei Paramount+ auch Ein Gentleman in Moskau.
Wobei die Serie schon deshalb sehenswert ist, weil man Ewan McGregor ja nahezu in jeder Rolle hinreißend findet – also nicht nur als Graf Rostov, der nach Russlands Revolution in einem Luxushotel isoliert feststellt, auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen und sich dort einigelt. Bleibt noch der parallele Hinweis auf die koreanische Seriendystopie The 8 Show um ein Reality-Format, des etwas zu real wird für alle Beteiligten.

