Valerie Niehaus: Verbotene Liebe & heute show

Mein Job ist nicht nur Selbstverwirklichung

heute-show HISTORY

20 ihrer 30 Fernsehjahre hat Valerie Niehaus (Foto: ZDF/Benjamin Zeitz) normale Frauen normaler Filme gespielt. Dann kam die heute-show und jetzt ihr eigenes History-Format. Ein Gespräch über Ernst, Humor und Eskapismus

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Frau Niehaus, muss man die Realität leicht oder ernst nehmen, um darüber Witze zu machen?

Valerie Niehaus: Das Ernste muss ja nicht schwer sein und das Leichte nicht lustig. Ich habe mich mit meinen 50 Jahren damit arrangiert, dass die Welt ernste Realitäten hat, dadurch aber nicht dauernd ein schweres Herz. Das ermöglicht mir und vermutlich auch vielen meiner Kollegen selbst dann Leichtigkeit, wenn es wirklich ernst wird. Erst, wer die Komplexität unserer bedrohlichen Zeit akzeptiert, anstatt auf leichte Lösungen zu setzen, schafft es auch, sie zu bewältigen. Die Frage ist nur, warum wir uns überhaupt keine Lösungen mehr zutrauen.

Und die Antwortet lautet?

Dass wir uns von der Angst lösen müssen, die am Ende nur das Denken blockiert. Humor ist da ein gutes Instrument.

Im therapeutischen Sinne?

Eher im psychosozialen Sinne einer Bereitschaft, sich auch dann so etwas wie Realismus abzuverlangen, wenn es wehtut, um daran gemeinsam gesund wachsen zu können. Und da hilft eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit der Schwere ungemein, um individuelle Entscheidungsmöglichkeiten zu erweitern.

Wobei Sie zwei Ebenen der Leichtigkeit bespielen: eskapistische Primetime-Unterhaltung und konfrontative Polit-Comedy. War es ihr Plan, beides parallel zu machen?

Pläne entwickeln sich oft aus dem, womit man Erfolg hat. Vor meiner Sketch-Arbeit habe ich jahrelang normale Frauen im normalen Alltag normaler Geschichten gespielt. Diese Normalität habe ich bei aller leichten Bekömmlichkeit immer sehr ernst genommen. Aber schon dort waren Ende der Neunziger Komödien dabei, die mir gezeigt haben, wie sehr mir Humor auch persönlich liegt und Spaß beim Drehen bereitet – sofern er ein trojanisches Pferd ist, um das Publikum auf neue Gedanken zu bringen.

Das wäre die Angebotsseite. Wie groß war die Nachfrage, als das Daily-Soap-Gewächs Valerie Niehaus vor zehn Jahren zur Satire gewechselt sind?

Bei den Verantwortlichen von Sketch History offenbar groß genug, um mich zu fragen. Da haben welche etwas Witziges an den Komödien mit mir entdeckt, das zur Satire taugt (lacht). Um die immer wieder neu zu erfinden, braucht man schließlich frische Gesichter. Ähnlich war es bei der heute-show; da hat irgendwer einen Sketch mit mir zum Diesel-Skandal gesehen und mich daraufhin angerufen. Manchmal ist es eben doch nicht so kompliziert.

Haben diese Anfragen Ihre Schauspielkarriere ein bisschen davor gerettet, irgendwann auf dem Traumschiff festzusitzen?

(lacht) Man braucht auf Seiten der Auftraggeber definitiv jemanden, der solche Fenster öffnet, ja. Aber ich glaube, in der Branche ist mittlerweile hinreichend bekannt, dass Daily Soaps in hochkonzentrierter, professioneller, lustvoller Arbeit entstehen und kein Hinderungsgrund für das sind, was alle in meinem Beruf wollen: unterschiedliche Charaktere zu verkörpern. Dass mich die Leute bis heute auf Verbotene Liebe ansprechen, meine Figur also auch 30 Jahre später noch Erinnerungen – und seien es eskapistische – wachruft, sehe ich daher positiv. Das gehört zu mir.

Es gibt also nichts zu bereuen?

Nein, schon weil ich dem Konzept der Reue nicht sonderlich nahestehe. Außerdem geht es bei meinem Job nicht nur um Selbstverwirklichung, sondern Dienstleistung. Daily Soaps zum Beispiel zeigen auf unterhaltsame Art, wie die Mehrheit von uns lebt. Trotzdem war die Vielfalt meiner Genres schon damals größer als viele denken. Wobei die Satire auf dem Weg zum Ziel, die Leute wirklich zu bewegen, nach 30 Jahren im Beruf schon eine Art Krönung ist. Andere angstfrei zum Lachen einzuladen, empfinde ich als großes Geschenk.

Finden Sie das dann auch selber lustig oder ist das die angesprochene Dienstleistung?

Vieles finde ich schon auch lustig. Aber als Schauspielerin geht es ja nicht um mich und meinen Geschmack oder die Befriedigung eigener Ansprüche, sondern die Werke anderer, denen ich durch meine Arbeit Respekt zolle. Ich muss das also nicht alles witzig finden, suche aber stets nach Wegen, den Humor für andere greifbar zu machen.

Warum bedient sich der deutsche Humor dafür auch in der heute-show oder Sketch History eigentlich so oft Grimassen und Lärm, anstatt sich aufs Wort zu verlassen?

Das ist einfach ein technisches Stilmittel, wobei die heute-show wegen der Kürze ihrer Beiträge anders als neunzigminütige Satiren darauf angewiesen ist, Charaktere schnell eindeutig auf den Punkt zu bringen. Da probieren wir viel aus, nutzen aus meiner Sicht aber nicht überproportional viele Grimassen.

Finden Sie den Humor deutscher Satire wie Ihre Ex-Kollegin Christine Prayon, die deshalb die heute-show verlassen hat, auch manchmal zu sehr von oben herab gegen Andersdenkende gerichtet?

Nein, finde ich nicht (Pause). Punkt.

Was fügt die Dienstleitung „heute-show HISTORY“ dem Fernsehhumor da hinzu, was es bei heute-show und Sketch History nicht schon gibt?

Mit beidem hat die Sendung bis auf den Titel wenig zu tun, weil die Prämisse unsere Gegenwart ist, aus der wir Fragen an die Vergangenheit stellen und diskutieren.

Was verändert es dann für Sie, dass es explizit Ihr Format ist?

Einiges, denn ich spiele nicht nur eine, sondern fast alle Figuren, und das oft allein. Ausserdem bin ich als Moderatorin im Einsatz. Schauspielerisch eine völlig neue Herausforderung, aber auch ein Hochgenuss. Noch neuer ist allerdings, wie tief ich in die Formatentwicklung involviert war.

Steigt damit auch die Fallhöhe für Sie persönlich?

Ach, Fallhöhe… Ein Risiko geht doch schon ein, wer draußen vor die Tür geht.

Wohin kann Sie der Humor draußen vor der Tür noch führen?

Überallhin, denn er ist das Salz in meiner beruflichen Suppe. Ich möchte, dass sich die Leute von mir eingeladen fühlen und muss dafür nicht alles um mich herum kaputtschlagen. Ich bin zwar nur selten auf social media aktiv, freue mich aber, näher ans Publikum zu kommen und als Valerie Niehaus sichtbarer zu werden.

Können Sie sich in eine der folgenden drei Formate hineindenken? Die Anstalt.

Ja, super gerne.

Late Night Show?

Klar, warum nicht. Mit guten Autorinnen.

Wetten, dass…?

(lacht) Nein, aber nicht, weil es mir nicht gefallen würde, sondern weil das glamouröse Konzept in Zeiten von Millionen Bühnen, auf denen man Robbie Williams und Beyoncé auch ohne ZDF sehen kann, einfach nicht mehr nötig ist.



Leave a comment

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.