Katia Saalfrank: Supper Nanny & Helft uns!

Es gibt keine kurzen Antworten

Nach langer Fernsehpause ist Super Nanny Katharina alias Katia Saalfrank zurück auf dem Bildschirm. Heft uns! Die Familienretter heißt ihr tägliches Hilfsformat (16.05 Uhr) bei RTLZwei. Ein Gespräch über Erziehungsprobleme, Fernsehzynismus und ihre eigene Kindheit.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Frau Saalfrank, Sie waren Anfang der Zehnerjahre das Aushängeschild, wenn nicht die Mitbegründerin der Reality-Sparte Help TV. Seit dem Ende der Super Nanny 2011 hat man aber wenig von Ihnen gehört und gesehen. Wo waren Sie bloß?

Katia Saalfrank: Seit 2009, parallel zur öffentlichen Arbeit für RTL, habe ich meine private Praxis für Eltern- und Familienberatung gegründet. Im Mittelpunkt der Beratung und der therapeutischen Arbeit steht immer die Beziehung zum Kind.

Die Sie auch in mehreren Büchern zum Ausdruck bringen.

Kindheit ohne Strafen etwa, was mir sehr am Herzen liegt und großen Zuspruch gefunden hat. Außerdem ist mir die Aus- und Weiterbildung von Eltern und Fachleuten in meiner Kursreihe Kinder Besser Verstehen wichtig. Ich habe eine Ausbildung zum Bindungs- und Beziehungsorientierten Eltern- und Familienberater konzipiert. Auch mein Podcast Familienrat mit Katia Saalfrank macht mir ebenso viel Freude wie Helft uns! Die Familienretter.

Hatten Sie dem Reality-Genre nicht auch deshalb den Rücken gekehrt, weil es auch bei Ihnen zusehends gescripted war und selten ohne den Zusatz „zynisch“ auskam?

Helft uns! ist sicher nicht zynisch! In der Sendung werden alltägliche Konflikte zahlreicher Familien in Deutschland gezeigt. Ich versuche dahinterliegende Strukturen zu analysieren und ihre Dynamiken besser zu verstehen. Hierbei fließen Aspekte und Informationen aus der Wissenschaft ebenso ein wie allgemeine Impulse für die Zuschauer, die aus jeder Sendung etwas mitnehmen können, auch wenn sie sich nicht selbst in der Situation befinden.

Aber was machen Sie denn anders als in anderen Ratgeber-Formaten?

Ich reagiere von außen aufs Geschehen, ordne pädagogisch und psychologisch ein, kommentiere, fühle mit, versuche für alle Seiten Verständnis aufzubringen und nehme den Zuschauer mit auf eine kleine emotionale Reise von Verstehen, statt Empörung. Und weil die Geschichten von Schauspielern und Komparsen nach- und dargestellt werden, kann ich komplexe Familiensituationen beleuchten und Dynamiken nachvollziehbar machen.

Helft uns! drohen also nicht dieselben Vorwürfe wie der Super Nanny, das Elend anderer bloßzustellen und strenge Erziehungsmittel zu propagieren?

Nein, die Konflikte sind an die Wirklichkeit angelehnt, werden aber dramaturgisch zugespitzt und machen so meine Erklärungen, die Wissensaspekte, die Hinweise und Impulse für den Zuschauenden nachvollziehbar. Wir versuchten, authentisch aktuelle Familienkonstellationen und gesellschaftliche Themen aufzugreifen.

Zum Beispiel?

Was ist, wenn die Eltern den Freund der Tochter nicht mögen? Wie gehen sie damit um, wenn der Sohn sich in Frauenkleidung wohler fühlt? Wie wird verantwortungsvoller Umgang mit viel Social-Media begleitet? Die Welt für Familien hat sich verändert, Eltern sind im Wandel, aber die größte Veränderung ist der Perspektivwechsel, den viele von ihnen zu machen bereit sind. Eltern fragen heute seltener „was kann ich tun, wenn mein Kind sich auf den Boden schmeißt“ als „warum macht mein Kind das?“. Sie wollen besser verstehen.

Und verstehen sie besser?

Leider sind verhaltensorientierte Maßnahmen und Sanktionen im veralteten Schulsystem aber auch in der Kita noch sehr weit verbreitet. Ich wünsche mir auch in staatlichen Systemen Perspektivwechsel im Sinne von Kindern. Für mich hat das, was die tun, immer einen Sinn und wird wie jedes menschliche Verhalten von Freude, Scham, Wut, Ärger, Schmerz oder Angst motiviert und von emotionalen Basis-Grundbedürfnissen nach Verbindung, Sicherheit, Autonomie, Selbstwirksamkeit, Zugehörigkeit gespeist.

Auf all dies zu achten, kann für Eltern ganz schön anstrengend sein.

Ja, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine der größten Herausforderungen. Der Umgang mit dauerhafter Gleichzeitigkeit von Einflüssen und ständige Erreichbarkeit macht es Eltern schwer, im Hier und Jetzt Priorität auf die Beziehung zu ihren Kindern zu legen. Auch der Umgang mit den vielfältigen Medien ist immer wieder ein großes Thema in Familien. Ich freue mich über die Möglichkeit, meine Gedanken und wissenschaftliche Erkenntnisse durch Bewegtbilder und Formate in die Welt zu senden.

Bieten Reality und Help TV dafür heute andere Voraussetzungen als vor 13 Jahren?

Das könnten Medienwissenschaftlicher besser beantworten, aber ich wünsche mir mehr Familie im Fernsehen. Schließlich kommen alle aus einer, viele haben Kinder und die, die keine haben, waren mal welche. Zu reflektieren, was sie ausmacht und an Bindung, an Beziehung brauchen, erzählt uns die Wissenschaft seit Jahrzehnten zunehmend dezidierter und differenzierter. Wir habe also kein Wissensproblem, sondern ein Umsetzungsthema. Mit diesem Format wünsche ich mir daher, dass die Frage, wie wir Beziehung gestalten können mehr in den Mittelpunkt rückt und so auch hilfreich für alle Zuschauer sein kann.

Würden Sie selbst denn Formate wie Helft uns! zur Hilfestellung nutzen oder bleibt es reine Unterhaltung?

Das Interessante an dem Format ist ja, dass es Aufklärung, Einordnung und Dimensionen hinter dem Gesehenen einordnet, also Hilfestellung sein kann und gleichzeitig Unterhaltung. Ich freue mich sehr, dass die Mischung so gelungen ist. Es sind nachgestellte Szenen und Konstellationen, angelehnt an echte Familiensituationen, aber für mich gibt es keine Vorgaben; ich ordne das ein, was ich sehe.

Dennoch fragt sich, warum Sie das 13 Jahre nach der Super Nanny nochmals machen?

Zum einen hatte ich Lust, wieder in eine Produktion einzusteigen, zum anderen nutze ich einfach immer gern alle Möglichkeiten und Sendekanäle in die Öffentlichkeit, um familiäre Mechanismen zu analysieren und aufzuklären, was Kinder brauchen, um psychisch und physisch gesund aufzuwachsen – ob durch Bücher, Artikel, Podcasts oder das Fernsehen. Ich bin dankbar, dass es wieder eine Sendung gibt, die Familie und Kinder in den Mittelpunkt stellt.

Ihre eigenen vier Kinder sind inzwischen alle erwachsen…

Stimmt. Wobei ich den Vorteil habe, dass die Ablösung bei vier Kindern ein längerer Prozess ist. Da ich nach wie vor eine nahe und warme Beziehung zu allen habe, bin ich gut damit klargekommen, dass sie ihre eigenen Wege ins Leben gefunden haben.

Erkennt man Sie eigentlich noch auf der Straße?

Es gab Zeiten, da war es schwierig, sich privat in der Öffentlichkeit zu bewegen. In den letzten Jahren ist das mehr möglich gewesen. Dennoch werde ich immer noch ab und zu erkannt – etwa neulich, als ein älteres Paar mein Praxisschild studiert hat. Wir haben kurz gesprochen und ein Selfie gemacht. Das freut mich, weil es ja heißt, dass gute Botschaften in Erinnerung bleiben und mit mir verknüpft werden. Auch ohne große Fernsehpräsenz kommen Menschen weiterhin auf mich zu und erzählen, welche Bedeutung für Sie Die Super Nanny hatte und wir kommen schnell in persönliche Gespräche.

Auch mit der Bitte um ein bisschen familientherapeutischer Hilfe?

Manchmal kommt die Bitte um einen schnellen Blick aufs Familiensystem und das beschriebene Symptom. Aber wenn man sich das anschaut, gibt es keine kurzen Antworten, denn es ist wichtig, sich das gesamte Beziehungsgeflecht anzusehen und in alle Beteiligten einzufühlen. Trotzdem kann ich Impulse zur Frage geben oder auch einen kleinen Wissensaspekt aus dem, was die Wissenschaft uns zu dem Thema sagt. Die Begegnungen sind oft kurz und dann doch intensiv.

Als Diplom-Pädagogin mit Schwerpunkt Sprachheilpädagogik und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen sind Sie beruflich bestens fürs Help TV geschult. Waren ein Pfarrer und eine Lehrerin als Eltern ebenso gute Coaches fürs Coaching?

Ich war als Kind oft an der Nordsee und wir haben am Strand gebuddelt, Sandburgen gebaut, im Meer gebadet und im Strandkorb gepicknickt. Es war ein Gefühl von Freiheit, Leichtigkeit und Unbeschwertheit, an das ich mich gern erinnere. Als ich älter war, bin ich bei Wanderungen mit meinem Vater dann über mehrere Tage von Hütte zu Hütte gelaufen; auch das sind Erinnerungen, die ich als glücklich und erfüllend in mir gespeichert habe. In meiner Arbeit heute, ist mir auch wichtig, dass Eltern vor allem viele gute und neue Erfahrungen in der Beziehung zu ihren Kindern machen können.



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