Treutlers Phoenix & Zweiflers Preise

Die Gebrauchtwoche

TV

23. – 29. September

Deutschland hat im Lauf der Nachkriegsgeschichte Fernsehfiguren der skurrilsten Art hervorgebracht. Dittsche und Atze, Hallervorden oder Feddersen, Ekel Alfred und Ina Müller, Dieter Bohlen oder Trude Herr und jetzt ganz neu, quasi alles in einer einzigen Fernsehfigur: Jürgen Treutler. Wer bisher nicht wusste, wo Phoenix auf der Fernbedienung ist, dürfte es nun nie wieder vergessen, seit der kurzzeitige Alterspräsident des Magdeburger Landtag auf dem Nischenkanal gute vier Stunden für beste Unterhaltung sorgte.

Nicht missverstehen bitte: Was der geistig schlichte Politiklandser dort am Donnerstag zur Aufführung brachte, war mit Parlamentsverachtung noch einigermaßen mild umschrieben. Es hat aber auch gezeigt, dass Pluralismus absolut entertainmenttauglich ist, sofern es den Protagonist*innen von der AfD abgesehen von rassistischer Demokratiezerstörung ausnahmslos um eben genau das geht: Entertainment.

Wer es allerdings lieber ohne Konzentrationslager und Volksgerichtshöfe hätte, ist bei den Siegern der Deutschen Fernsehpreise aktuell definitiv besser aufgehoben als bei Höckes Sturmabteilung. Dort nämlich hat ausgerechnet das jüdische Alltagsepos Die Zweiflers abgeräumt. Nach vier Trophäen für Aaron Alteras und Sunnyi Melles, Kamera und natürlich die beste Dramaserie fragt sich nur, warum der Sechsteiler nicht auch den Rest zehn möglichen Pokale erhalten hat.

Während der Vorjahresabräumer Netflix diese Mal komplett leer ausging, hat RTL in Gestalt von Die Verräter und Let’s Dance sogar doppelt zugeschlagen. Spitzenreiter war allerdings das ZDF mit zwölf Auszeichnungen, unter anderem für Schlecky Silbersteins Browser Ballett bei Neo – was der letzte Plexiglasobelisk gewesen sein könnte. Wie Horizont berichtet, droht im Zuge anstehender Beitragsverhandlungen öffentlich-rechtlicher Kahlschlag, an dessen Ende sogar Arte zur Disposition stehen könnte.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

30. September – 6. Oktober

Für die private Konkurrenz – ob gestreamt oder gesendet – wäre das womöglich ein gefundenes Fressen, um Überlebenskämpfe wie die 4. Staffel von 7 vs. Wild, ab heute bei Amazon Prime und FreeVee präsenter zu machen. Bis dahin aber erfreut uns der Kulturkanal ab Mittwoch mit grandioser Fiktion wie der französischen Serie Rematch, wo Ex-Weltmeister Garri Kasparov sein legendäres Duell gegen den Schachcomputer Deep Blue von 1997 nachspielt.

Ebenso geschichtsträchtig ist Pia Stratmanns ARD-Reenactment vom RAF-Anschlag auf den Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen anno 1989. Zwei Teile à 100 Minuten lang schliddert Der Herr des Geldes Dienstagabend langsam in die Fänge des linken Terrors jener bewegten Tage. Das ist zwar ab und an ein bisschen freundlich zum profitorientierten Investmentbanker, aber dank Oliver Masucci als Titelfigur sehr ergreifend.

Auch das dritte Biopic der Woche hat es buchstäblich in sich. Ich bin Dagobert skizziert ab Mittwoch bei RTL+ den Weg des Berliner Lackierers Arno Funke zu Deutschlands meistgesuchtem Verbrecher ohne Terror-Hintergrund Anfang der Neunzigerjahre. Und trotz einiger Stereotypen macht Friedrich Mücke den Kampf des Kaufhauserpressers mit Polizisten wie Mišel Matičevićs hemdsärmeligen Cowboycop hervorragend. Im Gegensatz zur denkbar größten Farce der Woche: Where’s Wanda.

Die erste deutsche Streamingserie von AppleTV+ ist trotz oder wegen Heike Makatsch und Axel Stein als Provinznestpaar auf der Suche nach seiner vermissten Tochter so berechnend ulkig, dass wir den weiteren Inhalt hier einfach mal ignorieren und zu zwei aufrichtigen Tipps kommen: Die deutsche Migrationskomödie Made in Germany, ab Freitag in der ARD-Mediathek. Und die tschechische Akte-X-Persiflage Whe’re On It Comrades, parallel in der ZDF-Mediathek.



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