Lindners D-Day & Dujardins Zorro
Posted: December 2, 2024 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
25. November – 1. Dezember
Der Bote war’s, na klar. So ungefähr ließen sich Christian Lindners Aussagen übers D-Day-Desaster der FDP zusammenfassen, die natürlich nichts falsch gemacht, sondern Richtiges nur schlecht kommuniziert habe. Das brachiale Bashing seriös recherchierender Medien von „Frechheit“ (Bijan Djir-Sarai) bis „Lüge“ (Wolfgang Kubicki) allerdings zeugt von einer Pluralismus-Verachtung, die den Verdacht nahelegt, im Hans-Dietrich-Genscher-Haus würde man auch Björn Höcke zum Propagandaminister küren, sofern es dem Machterhalt diente.
Dazu passt, dass die Süddeutsche Zeitung der Partei ihre Informationen übers freiheitlich-liberale Lügengeflecht vorab presseethisch einwandfrei zukommen ließ, was ihr die FDP mit dem nächsten Betrug an Demokratie und Bevölkerung dankte. Statt (zugesagter) Antworten stellte sie die SZ-Infos nämlich selber online und erweckte zulasten einer seriösen Zeitung den verlogenen Eindruck von falscher Transparenz.
Kaum zu glauben, dass man sich angesichts dieser Steilvorlagen in den Sturm der AfD jene Frau zurückwünscht, die letztere erst großmachen half und jetzt ihre Memoiren verkauft. Dass Angela Merkel aktuell nahezu jedem Medium bis runter zur Schülerzeitung superexklusive Interviews darüber gibt, wie makellos ihre Kanzlerschaft 16 Jahre doch war, täuscht allerdings nicht ganz darüber hinweg, dass es darin tatsächlich noch so etwas wie politischen Anstand gab.
Was da noch bleibt? Eskapismus vielleicht… Anspruchsvolleren zum Beispiel mit gutem Fernseh- und Streaming-Programm, das zuletzt deutlich häufiger aus Deutschland kam als ehrliche FDP-Politiker. Nur so ist erklärbar, dass mit Liebeskind und Tommi Katze gleich zwei Serien bei den International Emmys abgeräumt haben. Kurz darauf wurden dann letztmals vorm Umzug nach Weimar 2025 in Baden-Baden die Preise der TeleVisionale vergeben.
Zur besten Serie kürten öffentlich tagende Jurys das RTL+-Ereignis Angemessen Angry mit Marie Bloching als feministische Superheldin auf Rachefeldzug, was der Podcast Och eine noch in seiner neuesten Ausgabe geahnt hatte. Bester Film wurde Karl Markovics ORF-Landkrimi Das Schweigen der Esel. Den MFG-Star erhielt Justine Bauers bäuerliche Milieustudie Milch ins Feuer. Alles verdient – und verblüffend tatortfrei. Weshalb wir mit der Meldung schließen, dass Carlo Ljubek Nachfolger der aktuellen Münchner Kommissare wird
Die Frischwoche
2. – 8. Dezember
Krimis und Thriller, wenngleich ohne Bauern und Esel – davon ist auch das Programm der laufenden Woche voll. Am Dienstag zum Beispiel schickt die HBO-Serie Get Millie Black eine jamaikanische Ermittlerin aus London zurück in ihr Heimatland, wo sie ein vermisstes Mädchen sucht, aber massenhaft eigene Dämonen findet – was an diesem Schauplatz sehr, sehr sehenswert ist.
Freitag mengt die ARD-Serie Passenger eine sechsteilige Portion heiterer Mystery unters Crime-Gefüge, während die kanadische Real-Crime-Fiction-Serie The Sticky bei Amazon Prime in einem wahren Fall von Ahornsirup-Raub festklebt, nachdem sich Keira Knightley tags zuvor in Joe Bartons sechsteiligem Polit-Thriller Black Doves verheddert hat und Daniel Brühl bei der Film-in-Film-Komödie The Franchise (Sky) am Dreh eines Superhelden-Blockbusters verzweifelt.
Ebenfalls Freitag begrüßen wir The Actor Jean Dujardin im Paramount-Original Zorro als Mantel-und-Degen-Held, was wieder ein bisschen nach Kintopp aussieht, aber sehr unterhaltsam ist. Mittwoch eröffnet Neo mit der zwölfteiligen Serie Single Bells aus Belgien dann die Weihnachtssaison. In Die Papiere des Engländers wagt Arte eine Drama-Serie aus Angola, was wirklich kein allzu weitverbreiteter Drehort ist.
Das mit Abstand Beste dieser Woche kommt allerdings vom ZDF, steht bereits in der Mediathek und läuft heute Abend auch im Zweiten: Uncivilized. Unter diesem Hashtag wurde 2022 angeprangert, dass im Zuge des Ukraine-Kriegs eine Zweiklassen-Gesellschaft Geflüchteter entstanden war. Der Filmemacher Bilal Bahadır hat daraus fünf 25-minütige Filme postmigrantischer Einzelschicksale gemacht, die mit zum Besten gehören, was das Fernsehen leisten kann.

