Faktenchecks & Wahrheitssuchen

Die Gebrauchtwoche

TV

6. – 12. Januar

Falls noch irgendjemand den Hoffnungsschimmer hegte, die helle Seite der Macht sei stärker: Mark Zuckerberg hat angekündigt, Faktenchecks bei Facebook und Instagram auf zwei, drei nach rechtsaußen anschlussfähige Themen wie Kindesmissbrauch zu reduzieren, weil – tja: Meinungsfreiheit, schon klar. Damit schwenkt der nächste Tech-Milliardär auf Trump-Kurs um und bestätigt sämtliche Befürchtungen der Internet-Frühphase, Social Media öffne die Büchse der Pandora zur Hölle in dem Moment, wo ihre Plattformen von Diktatoren gekapert werden.

Kein Wunder, dass Elon Musk kurz darauf bei X am Rande des digitalen Pettings mit Alice Weidel war. Man kommt dieser Tage halt auch beim Lesen über die Medien gar nicht mehr raus aus dem Doom Scrolling genannten Rabbit Hole niederschmetternder Nachrichten, die am Ende – danke, Algorithmus – einfach krasser performen als hoffnungsfrohe. Auf welcher Seite der Macht hier die Causa Thilo Mischke zu verorten ist, bleibt Auslegungssache.

Dass er titel, thesen, temperamente nun doch nicht moderiert, ist aus emanzipatorischer Sicht ja durchaus zu begrüßen. Was allerdings im Nachgang publik wurde, sorgt dennoch für Kopfschütteln: Offenbar haben nämlich nur zwei der sechs stimmberechtigten ARD-Sender für den mindestens mal leicht misogynen Mischke votiert, darunter auch der BR, mit dem parallel – hoppela – ein ttt-Podcast vereinbart war.

Sein Konkurrent dagegen erhielt doppelt so viele Stimmen, weil er zwar weniger jugendlich, aber kultivierter, seriöser, kompetenter gewesen sein soll. Eine Abstimmung dieser Art trotz Stimmenmehrheit zu verlieren, zeugt davon, wie rücksichtslos Deutschlands staatsvertraglich zu Qualität, nicht Quantität verpflichtete Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ebenso wie die ZDF-Konkurrenz mittlerweile auf Masse statt Klasse setzt, um ihren Bedeutungsverlust zu kompensieren.

Die Frischwoche

13. – 19. Januar

Fernsehsender, in denen der Sportmoderator Jochen Breyer – sein Vorname verrät es – mit 43 Jahren zwar selbst zu alt für die Jusos wäre, aber immer noch als irgendwie jugendlich durchgeht. Umso drolliger, dass er sich Dienstagabend zur immer noch besten Sendezeit im Zweiten auf die Suche nach der Wahrheit über unsere Rente begibt. Ein perfektes Doku-Match. Schließlich paart Breyer klassische Wissbegier so unterhaltsam mit zeitgenössischer Naivität, bis daraus sehr erhellendes Infotainment wird.

In diese Kategorie fällt irgendwie auch die Sky-Serie A Search for Truth, nur korrekt ausgedrückt mit unbestimmtem Artikel. Im Mittelpunkt des Fünfteilers über den terroristischen Abschuss einer Passagiermaschine überm schottischen Lockerbie Ende 1988 steht ab Freitag nämlich ein real existierender Arzt (Colin Firth), der den Verlust seiner Tochter beim Unglück damit kompensiert, bis zur Betriebsblindheit verbissen auf Wahrheitssuche zu gehen, die geschlagene 24 Jahre dauert und bis heute nicht vorüber ist.

Diese Mischung aus Politik-, Gesellschafts-, Familien- oder Courtroom-Drama ist ungeheuer fesselnd – auch und gerade, weil das Raunen über die Geheimdienstverstrickung gelegentlich ins Verschwörungstheoretische abgleitet. In der drolligen Superhelden-Sitcom Extraordinary aus England, die heute bei Neo startet, spielt all dies eher keine Rolle. Im Gengensatz zur Fortsetzung der grandiosen Workplace-Dystopie Severence.

Bei Apple TV+ schickt Regisseur Ben Stiller die Bürogemeinschaft um Mark (Adam Scott) ab Donnerstag erneut ins klaustrophobische Fegefeuer einer seelenlosen Versuchsanordnung, bei der das Erwerbsleben per Implantat vom Privatleben getrennt wird. Und wieder ist die Serie bis an den Rand des Erträglichen steril, aber gerade dadurch ergreifender als alles, was konventionell mit dem Thema Arbeitsalltag umgeht. Wer aber doch lieber doomscrollen möchte: ab Freitag porträtiert die ARD-Mediathek Donald Trump drei Teile lang unterm herrlich depperten Titel Schicksalsjahre eines Präsidenten.



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