Hitlergrüße & Auschwitzgedenken
Posted: January 27, 2025 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
20. – 26. Januar
Es fällt zusehends schwer, als Journalist herauszufiltern, was die Weltpolitik katastrophaler macht. Dass sie mit Donald Trumps Wahl und seiner Fanbase zur Broligarchie stinkreicher Männer wird? Dass längst auch Netflix und Prime den Ring des Diktators im Weißen Haus küssen und lieber Millionen für die Filmrechte an Melania Trumps Biografie als Faktenchecks ausgeben? Dass pluralistische Medien für pluralistische Berichterstattung künftig strafbar gemacht werden?
Die Liste ernüchterter Relativsätze ließe sich von Microsofts 500-Milliarden-Spritze in den Arbeitsplatzfresser KI über Elon Musks römischen Hitlergruß bis zur Einschränkung sämtlicher Medien, die AfD sei (wie dieser Logik folgend auch die kommunistische NSDAP) nur in Teilen rechtsextrem, endlos fortführen und sorgt unter Vernunftbegabten für stilles Entsetzen – oder auch mal verblüffend lautes. Etwa beim entnervten Phoenix-Dolmetscher Frank Deja.
Sein Zwischenruf bei der Übersetzung von Trumps Amtseinführungsgefasel, „wie lang bleiben wir noch bei diesem Scheiß?!“, ist schon jetzt legendär. Wobei man die Frageklage direkt an den rbb weiterleiten könnte. Wie lange schafft es der Hauptstadtsender noch, seine Inkompetenz zu kultivieren? Nachdem man zwischenzeitlich dachte, Katrin Vernau hätte den Laden vorm Wechsel zum WDR einigermaßen zukunftsfähig saniert, macht er sich mit einer Nicht-Recherche zum Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar unmöglich.
Fehler passieren, Fehler sind menschlich. Bei einer Verdachtsberichterstattung den Namen der Hauptbelastungszeugin Anne K. nicht mal pro forma zu googeln – das ist allerdings fast so verwerflich wie das Verhalten all derer, die Gelbhaar offenbar aus der eigenen Partei gemobbt haben. Wie schön, dass die Branche doch noch Zeit und Muße für die Thematisierung wirklich wesentlicher Dinge hat. Und dein, damit ist leider nicht der Klimawandel gemeint.
Dem messen derzeit schließlich weder Politik noch ihre Berichterstattung auch nur annähernd angemessene Bedeutung bei. Aber wenn Luise Neubauer ein sexy Abendkleid mit Hot Hotter Dead auf dem Berliner Presseball spazieren trägt, dann reagieren zumindest die notgeilen Sabberlappen der Bild-Redaktion erwartbar erregt und hören sogar ganz kurz mal auf, den Klimawandel zu leugnen.
Die Frischwoche
27. Januar – 2. Februar
Was beim Springer-Verlag (noch) noch niemand leugnet, ist die Shoah inklusive Existenz des Vernichtungslagers Auschwitz, dessen Befreiung sich heute zum 80. Mal jährt. Das findet sich natürlich auch im Fernsehen wieder. Zumindest partiell. Denn während die Öffentlich-Rechtlichen dem Tag zumindest außerhalb der Primetime gedenken, machen Sat1 und RTL, Kabel1 und RTLzwei, Vox, One und vier Dritte business as usual. Ein Wettstreit der Niedertracht, mit Sonderpreis für 3sat, das um 21.45 Uhr allen Ernstes die schönsten Bahnhöfe der Welt feiert.
Eine Übersicht liefert das montagsfernsehen hier. Hervorzuheben wäre aber das abgefilmte Theaterstück Die Ermittlung mit Rainer Bock als Richter im ersten Auschwitzprozesse und drei Dutzend prominenter Darsteller*innen als Opfer & Täter. Dieses vierstündige Echtzeitepos läuft sowohl bei Arte und Sky als auch in der ARD-Mediathek und ist der größtmögliche Kontrast zum Dschungelcamp, das 2024 bereits ab 20.15 Uhr ums Publikum kämpft – mit Methoden, die sich zusehends abnutzen, aber immer noch Höchstquoten erzielen.
Die dürfte auch das Erste bejubeln, wenn sein Donnerstags-Krimi aus Brandenburg tut, was alle Reihen mit regionalem Ermittlungsfokus tun: Voyeurismus und Angsttrigger mit Heimatgefühl verknüpfen. Wobei Alina Stiegler als supersensorischer Lausitz-Cop angenehm eigensinnig agiert. In Ostberlin siedelt Alexander Osang ab Freitag die ARD-Serie The Next Level um eine Reporterin (Lisa Vicari) an, die eine den Tod einer US-Touristin recherchiert und dabei ins Netz einer Stadt als Beute neoliberaler Profitinteressen gerät. Mehr darf man über den Plat nicht verraten.
Nahezu nichts darf man über alles, was morgen in der Disney-Serie Paradise passiert, sagen; dafür sind die Plot-Twists in Dan Fogelmans Achtteiler um den Sicherheitschef eines US-Präsidenten schlicht zu überraschend – was den Actionthriller aufs höhere Niveau kluger Milieu- und Gefühlsstudien hebt. Zu beachten wäre noch der Doku-Dreiteiler Die Derbys in der ARD-Mediathek (Samstag) über große Fußballduelle wie St. Pauli vs. HSV oder Spaniens Clásico. Und Liebes-Kind-Star Kim Riedle im ZDF-Fehlurteils-Drama Die Stille der Nacht.