The Vices, Alex Wilcox, Arliston
Posted: February 8, 2025 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a commentThe Vices
Wenn Männergruppen der 2020er aussehen wie Boygroups der 1990er, ist immer Obacht geboten: Ist das nur ein billiger Abguss hedonistischer Säuseligkeit am Ende der Geschichte, den Optimisten vor 30 Jahren mal proklamiert hatten? Im Fall der niederländischen Männergruppenboyband The Vice wird die Antwort zweigespalten. Einerseits sehen sie aus wie Ein-Euro-Shop-Versionen von Oasis, stellen deren Britpop aber ins Regel zeitgenössischer Designshops.
Ihr drittes Album Before It Might Be Gone klingt zwar manchmal leicht nostalgisch nach den Feel-Good-Oberflächen irgendwie ja unbestreitbar besserer Zeiten. Aber wenn sie fuzzige Offbeat-Riffs mit schrillen Grungebeats zerdeppern und engelsgleich Guess We’re All the Same singen, kriegt der Retrofuturismus irgendwie Substanz zwischen Beach Boys und Fountaines. Man kann das gut weghören. Wie damals. Auch mal schön.
The Vices – Before It Might Be Gone (V2 Records)
Alex Wilcox
Mindestens ebenso retrofuturistisch, ohne den allergeringsten Hauch öliger Nostalgie zu versprühen, ist und bleibt der amerikanische Exilberliner Alex Wilcox auf seiner neuen Platte Take Me to Lake Ta Ta. Wie deren aberwitziger Titel andeutet, mixt er technoiden House darin mit einer Dröhnung Punk der frühen Nuller, als hätte Fat Boy Slim mit den Chemical Brothers in einer Wanne Pep gebadet.
Das Tempo der sechs entfesselten Tracks überholt sich permanent selbst, wenn er Gaga-Lyrics unter fast schon gabberigen Big Beat mischt, bis die Sequencer glühen. Funky Dubstep gewissermaßen, den man sich besser nicht zuhause auf dem Sofa anhört. Davor allerdings macht diese Überdosis beats per minute Druck auf dem Dancefloor, der jeder Nacht den Trott gleichförmiger Tage aus den Poren quetscht.
Alex Wilcox – Take Me to Lake Ta Ta (Ufo Inc)
Arliston
Und damit man am Ende so einer Nacht auch wieder zu Kräften kommt, wären mehr Alben wie jenes von Arliston angebracht. Vom Instrumentarium her ist das britische Duo gar nicht so weit von Alex Wilcox entfernt. Was Sänger Jack Ratcliffe und sein Producer George Hasbury aus ihrer digital-analogen Paartherapie machen, bringt auf der ganzen Platte jedoch nicht mal die Beats eines halben Wilcox-Songs zusammen.
Disappointment Machine ist schließlich eher Kammerspiel-Electronica mit getupfter Gitarre und gesampeltem Piano, verwehenden Lyrics und einer Aura, die das Studio im Wald errichtet und sich darin verliert. Eher Singer/Songwriting also, aber mit pfiffiger Ironie voller Autotune im Celloregen. Nichts davon ist für die Ewigkeit, aber den Moment kann man damit wundervoll genießen.
Arliston – Disappointment Machine (Sob Story Records)