Quadrellklartexte & Families Like Ours

Die Gebrauchtwoche

10. -16. Februar

Endlich! Nachdem es hierzulande auch in der vorigen Woche wieder unzählige Opfer sinnloser Gewalt gab, greift die Politik hart durch und reguliert – nein, nicht den Autoverkehr, der auch im vorigen Jahr nahezu 3000 Tote (nicht selten durch polizeibekannte Wiederholungstäter) gefordert hatte. Stattdessen schießt sich die Gesellschaft mithilfe populistischer Medien kollektiv auf alle Menschen ein, die erkennbar andere als Biodeutsche sind und deshalb offenbar dringend tatverdächtig.

Fast ebenso befremdlich ist allerdings der umgekehrte Fall verdrehter Prioritäten. Die öffentlich-rechtlichen Quadrelle und Klartexte nämlich zeichnen sich bislang durch Saalpublikum aus, das allzu offensichtlich nach Parteipräferenzen, besser: Parteiabneigungen gecastet wurde. Auch am Donnerstag waren Studiogäste rechts der Mitte rar, während Linksliberale hör- und sichtbar waren. Besonders das ZDF hat an Michelle Obamas Bonmot, when they go low, we go high, irgendwas gehörig missverstanden. Einerseits.

Denn andererseits gewinnen reaktionäre Narrative so zügig die Oberhand über progressive, dass der angeblich „linke Mainstream“ an seiner Objektivität zu ersticken droht. Zumal auch dessen Themen auch im gestrigen Spitzengespräch bei RTL praktisch keinerlei Erwähnung fanden. Klimawandel, Gerechtigkeitslücke, Digitalisierung oder auch nur die Kinderbetreuung vorm Schuleinritt waren allenfalls Robert Habeck mal Randbemerkungen wert. Dafür haben Pinar Atalay und ihr grumpy Kollege Günther Jauch alles getan, um für Unterhaltung zu sorgen.

Multiple-Choice-Fragen à la Wer wird Millionär? zum Beispiel, was die Befragten gelegentlich an der Zurechnungsfähigkeit des Fragenden zweifeln ließ. Erkenntnisgewinn? Null! Banalisierungswert? Zehn! Oder um es mit dem SZ-Autor Andrian Kreye zum Rassismus-Vorwurf gegen Olaf Scholz wegen dessen Hofnarr-Tirade gegen den Berliner Kultur-Zerstörer Joe Chialo auszudrücken: „Eigentlich bräuchte das gesamte öffentliche Leben inzwischen eine Trigger-Warnung.“

Vor allem bräuchte es andere Medien als die der inoffiziellen AfD-Pressestelle Springer SE. Sonntag gab sie Alice Weidel wieder Wahlkampfhilfe und titelte mit deren Interview-Aussage: „Höcke kann Minister“. Fast wünscht man sich, demokratische Institutionen würden Bild und Welt ignorieren. Das wäre immerhin eine Eskalationsspirale vor Donald Trumps Verbannung der größten US-Nachrichtenagentur AP aus dem Weißen Haus, weil sie den Golf von Mexiko nicht Golf von Amerika nennt.

Die Frischwoche

17. -23. Februar

Damit zeigt sich erneut, dass die USA heute von exakt jenen Kräften regiert werden, die bei Amazon Prime noch am Rande der Gesellschaft stehen. Julian Kurzels Politthriller The Order skizziert eindrucksvoll, wie sich die Terror-Gruppe vor gut 40 Jahren von der Aryan Nation abspaltete, um einen faschistischen Führerstaat auf amerikanischem Grund zu errichten. Mit Jude Law als aufrechter Cop bietet der Film nicht nur gutes Historytainment, sondern Anschauungsmaterial, was uns seit Donald Trump demokratischem Putsch blüht.

Ach, wie schön ist da doch ein bisschen ansehnlicher Eskapismus wie die dritte Staffel White Lotus, mit der Sky ab heute sein unvergleichliches Luxusurlaubsuniversum in Thailand fortsetzt – und abermals außergewöhnliches Fernsehen liefert. Würde Netflix nicht wie so oft jegliches Pressematerial verweigern, könnte man das vielleicht auch über die Thriller-Serie Zero Day mit Robert DeNiro ab Donnerstag als was auch immer sagen. Tja…

Was sich definitiv nicht zur kleinen Weltflucht am Bildschirm eignet, ist dagegen die ARD-Serie Families Like Ours, tags drauf in der Mediathek. Weil Dänemark darin im Klimawandel versinkt, begleitet Thomas Vintergard darin eine Patchworkfamilie auf umgedrehter Fluchtroute südwärts, was der Oscar-Preisträger (Der Rausch) in seiner ersten TV-Serie wirklich grandios inszeniert. Ansonsten startet morgen das männliche Spin-Of von GNTM und parallel zur Bundestagswahl am Sonntag die 2. Staffel der Paramount-Serie 1923 – ein Format, dass wie The Order auch viel mit dem Rechtsruck der globalen Politik zu tun hat.



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