Clownswelten & Mobländer

Die Gebrauchtwoche

19. – 25. Mai

Man kann Jan Böhmermann Selbstgerechtigkeit, Snobismus, Geltungsdrang, Arroganz vorwerfen. Weit weniger verwerflich ist hingegen sein Mut, sich mit Stimme, Person, Gesicht bedingungslos ins mediale Empörungsgewitter zu stellen, sofern es seiner Idee von publizistischer Notwendigkeit entspricht. Der Entrüstungssturm, den er mit seiner öffentlichen Enttarnung des rechtsradikalen Verschwörungsesoterikers Clownswelt entfacht hat, war also kein Kollateralschaden, sondern genauso gewollt.

Es zeigt nebenbei, dass öffentlich-rechtliche Sender selbst aus ihrem Nachtprogramm heraus noch zur crossmedialen Diskurshoheit in der Lage sind. Zumindest national. Denn international wurde der Kuchen längst so geteilt, dass für deutsche Player kaum noch sichtbare Krümel übrigbleiben. Unter den 100 größten Medienunternehmen der Welt befinden sich laut einer Erhebung von mediadb.eu zwar immerhin acht deutsche. Bertelsmann, einst europaweit führend, hat sich allerdings um zwei Plätze auf den 18. verschlechtert.

Die Springer SE schafft es nach Abspaltung mehrerer Job- und Immo-Portale nur noch auf Rang 97. Unangefochtener Marktführer: Alphabet, dessen 350 Milliarden Dollar Umsatz mehr als das Doppelte des Zweiten Meta Platforms sind und fast das Zwanzigfache der RTL-Mutter Bertelsmann. Bester reiner Film- und Fernsehkonzern: Comcast an 4. Stelle. Noch nicht auf der Liste steht die Telekom, was sich durch die Übernahme der WM-Rechte 2026 für MagentaTV allerdings ändern könnte.

Ob das ein gutes oder schlechtes Signal für die öffentlich-rechtlichen Ausschreibungsverlierer ist? Schwer zu sagen! Fußball gehört zwar zur televisionären Grundversorgung, kostet aber auch Unsummen an TV-Gebühren. Netflix dagegen könnte wiederum ein paar Plätze gutmachen, nachdem es von HBO die Sesamstraße übernommen hat, weil – einmal dürfen Sie raten; genau: Donald Trump.

Der hat dem Sender PBS nämlich sämtliche Subventionen für die gemeinnützige Kindersendung gestrichen, seinen Feldzug gegen Demokratie und Pressefreiheit also auf die Allerkleinsten ausgeweitet. Dafür gibt, na ja, irgendwie schon gute Nachrichten aus Deutschland. Da nämlich hat der Berliner Verlag von Silke und Holger Friedrich bekannt gegeben gemeinsam mit der dpa Kurt Tucholskys Weltbühne neu aufzulegen.

Die Frischwoche

26. Mai – 1. Juni

Zweitbeste Nachricht der Woche: ab 1. Juni wiederholt One im Wochenrhythmus eine weitere Legende, wenngleich eine weniger politische: Helmut Dietls Kir Royal. An Sensationen neuerer Art ist das Programm hingegen etwas ärmer als üblich. Sehenswert könnte womöglich die Mafia-Serie Mobland mit Pierce Brosnan als Pate ab Freitag zehn Teile lang bei Paramount+ sein, wer weiß.

Ähnlicher Titel, artverwandtes Metier, völlig anderes Genre: Moneyland – Marc Wieses dokumentarischer Einblick in die schillernde Schattenwelt der Finanzindustrie, ab Dienstag in der Arte-Mediathek. Ebenso interessant könnte die ARD-Doku Härte statt Hygge, ab Sonntag online, sein. 45 Minuten lang blickt sie ins hermetisch abgeriegelte, hypernationalistische Dänemark, eines der vielleicht verklärtesten Länder der Erde.

An gleicher Stelle läuft am Mittwoch Dead Girls Dancing, Anna Rollers grandios gefilmtes, einfühlsam inszeniertes Spielfilmdebüt um einen Roadtrip dreier Abiturientinnen ins Ungewisse, für den die Filmemacherin voriges Jahr den wichtigen VGF-Nachwuchspreis bekam. Das dürfte deutlich deeper sein als Twisted Metal, ein zehnteiliges Action-Geballer aus dem John-Doe-Kosmos, tags zuvor bei ZDFneo.

Und irgendwo dazwischen rangiert dann ab Donnerstag die Bestseller-Adaption The Better Sister mit Jessica Biel und Elizabeth Banks als Schwestern mit dunklem Familiengeheimnis inklusive Mord und Totschlag. Noch was? Ach ja: Staffel 8 von Rick & Morty. Wer’s aberwitzig animiert mag, wird in diesem Mad-Scientists-Irrsinn bei Warner TV bestens versorgt.



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