Meinungskorridore & Stylingtipps
Posted: June 9, 2025 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
2. – 8. Juni
Das Oval Office ist seit 80 Jahren der Ort, an dem Weltpolitik gemacht wird. Von daher ist es überaus interessant, wem dort der Zugang gewährt wird und wem nicht. Dass er der Nachrichtenagentur AP verweigert werden darf, hat ein Berufungsgericht nun bestätigt und damit den Eindruck, die USA befinden sich auf dem Weg vom Pluralismus in die Ermächtigungsautokratie. Dass Elon Musk keinen Zutritt mehr hat, ist hingegen Folge eines absehbaren Clashs der Riesenegos, von denen sich Donald Trumps vorerst als größer erweist.
Ein wenig kleiner ist demgegenüber das Ego von Wolfram Weimer. Dennoch hat der Kulturstaatsminister in der Süddeutschen Zeitung sein trumpistisches Potenzial bewiesen und allen Ernstes gefordert, die Meinungskorridore zu erweitern. Was er im Zweifel allerdings wohl nur für wertkonservative bis rechtsnationalistische Meinungskorridorhaltungen gelten ließe – so viel geistig-moralische Wende 2025 muss dann schon sein.
Was sein müsste, damit die fiktionale Fernsehunterhaltung in Zeiten von Weimer und Trump, KI und AVOD überlebt, konnte man beim Kölner Seriencamp erleben: mehr als 800 Gäste und Fachleute waren sich drei Tage im Juni weitestgehend einig, dass nur internationale Kooperationen, adaptierte Videogames und optimierte Selbstvermarktung der Kreativen dazu führen, europäische Produktionen gegenüber amerikanischen oder chinesischen auch nur einigermaßen konkurrenzfähig zu machen. Na dann – viel Glück!
Das wünscht auch der pensionierte Filmkritiker A.O. Scott im Kampf gegen das, was als FilmTok gerade die Branche aufwirbelt. Nachrückende Filmkritiker nämlich, die – statt zu kritisieren – (fürstlich entlohnte) PR betreiben. „Das Verhalten dieser Horden in den sozialen Medien steht für eine antidemokratische, antiintellektuelle Geisteshaltung“, sagt die NYT-Legende im SZ-Interview. „Die Fankultur hat ihre Wurzeln in der Konformität, Gehorsam. Gruppenidentität und Pöbelverhalten. Ihr Aufstieg spiegelt und modelliert die Ausbreitung intoleranter, autoritärer und aggressiver Tendenzen in unserer Politik und unserem Gemeinschaftsleben.“
Die Frischwoche
9. – 15. Juni
Wenn er doch nur nicht so recht hätte … ließe sich übers anstehende Programm vielleicht irgendwas Gutes sagen. Lässt es sich aber nicht. Noch immer geschockt, dass Sex and the City in der 3. Staffel And Just Like That unlängst sogar noch tiefer sinken könnte als der 2. Filmableger, in dem die vier Konsumgören um Carrie Bradshaw 2010 die frauenverachtende Diktatur in Abu Dhabi als Shoppingparadies gefeiert haben, ist dieser Tage wirklich kaum etwas zu empfehlen.
Außer ein Format vielleicht, das zwar so ähnlich heißt wie Sarah Jessica Parkers misogyne Autoaggressivität, aber ungleich tiefer dringt: Sex and the Scientists, eine Dokumentation, die ab Mittwoch in der ARD-Mediathek das komplizierte Geschäft künstlicher Befruchtungen durchleuchtet. Das sehr, sehr schlichte Geschäft geldwerten Lifestyles erweitert die öffentlich-rechtliche Konkurrenz vom ZDF derweil um die Realitysoap That’s My Style.
Susan Sideropoulos bittet dort ab Sonntagnachmittag zum Umkleiden, was vermutlich niemand braucht, aber auf sehr harmlose Art unterhaltsam sein dürfte. Auf eher blutige Art unterhaltsam ist dagegen das, was Paramount+ (übrigens der letzte Streamingdienst, dessen Ertragsmodell auf SVOD, also ausnahmslos Abo-Beiträge, basiert) zeitgleich startet. Den neunzigminütigen Horrorfilm Here After nämlich mit Connie Britton beim Versuch, ihre Tochter vor dunklen Mächten zu retten.
Auch bei AppleTV+ geht es um innerfamiliäre Sorgen und Nöte, wenn parallel der Thriller Echo Valley mit Julianne Moore als Mutter von Sidney Sweeneys traumatisierter Claire auf Sendung geht. Und bei Prime Video scheint tags zuvor noch die britische Cop-Comedy Deep Cover um drei Impro-Künstler als Aushilfspolizisten ganz unterhaltsam zu sein. Das war’s leider schon.