Weimers Dialektik & Disneys Alien
Posted: August 11, 2025 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
4. – 10. August
Geizige Wasser sind freigiebig, oder wie hieß das Sprichwort doch gleich? Egal, Staatsminister Wolfram Weimer stand früh im Verdacht, sein Ressort als das für Regierungskultur zu begreifen, die entweder entbehrlich ist oder nationale Sitten und Werte widerspiegelt. Auch deshalb verbietet er ihr nun das Gendern, vulgo: sprachliche Gleichberechtigung, weil es – pure Dialektik, bevormundend sei. Zugleich aber will Weimer 250 Millionen Euro Filmförderung lockermachen, den Topf also verdreifachen. Irgendwer nannte das mal Wumms.
Was in diesem Fall wörtlich zu nehmen wäre. Denn was Weimer wirklich fördern will, sind deutsche Blockbuster. Massentaugliche Überwältigungsformate, die US-Streamern Paroli bieten. Ob dieser Filmpatriotismus (unions)wertegeleitet wäre, bleibt vorerst so offen wie unsere Augen auf konservative Kulturpolitik. Die nämlich hat ja erst kürzlich bewiesen, mit wem sie sich im Zweifel gemein macht.
Als Friedrich Merz die Bromance der Bosse namens Made for Germany, kurz M4G, mit exakt einer Frau unter 61 Männern präsentierte, haben die Journalismus-Attrappen der Unionspressestelle von Bild bis Welt Mathias Döpfners Initiative mit geldwertem Agenda-Populismus gefeiert. In den Deutschlandradio-Podcast Tech Bro Topia übers unheimliche Machtkonzentrat der Tech-Milliardäre schafft es der Presse-Krösus Döpfner damit zwar noch nicht, aber von Peter Thiel trennt ihn eigentlich nur noch der globale Einfluss.
Den exekutiert Donald Trump gerade mal wieder auf dem Rücken der pluralistischen Demokratie. Beim Treffen mit KI-Vertretern in Washington hat er im Vorbeigehen das weltweite Urheberrecht beerdigt. Dagegen trauert Christian Lindner vergangenem Einfluss so hinterher, dass der frühere Minister des… äh, was war noch sein Ressort? Egal… Er verklagt das Satiremagazin Titanic für irgendeinen Witz über den Nachwuchs mit seiner Frau Franca Lehfeldt, die – Dialektik Part 2 – für Springer arbeitet, wo rücksichtslose Enthüllungen ohne Rücksicht auf Menschen zum Ertragsmodell zählen.
Liberale, das lehrt dieses Beispiel, werden halt dünnhäutig, wenn man ihnen liberal kommt. Und Konservative sowieso. Deshalb haben Teile der Unionsfraktion eine Lügenkampagne von Julian Reichelts AfD-Fanzine NIUS gegen Frauke Brosius-Gersdorf genutzt die normal liberale Verfassungsrichterin in spe abzusägen. Ach, wie sehr sehnen sich da selbst Linke doch mittlerweile nach Helmut Kohls geistig-moralischer Wende von 1983, als Konservative noch keine Trumpisten waren …
Die Gebrauchtwoche
11. – 17. August
Im selben Jahr übrigens, als ein Mädchen aus Michigan zum Weltstar himmelwärts stieg und nie mehr zur Erde herabstieg. Diesen Prozess beschreibt das ZDF-Porträt Becoming Madonna in ihrer Mediathek. Und versprochen: Es gibt handfeste Überraschungen zu bestaunen. Drei, vier Popularitätslevel tiefer, aber noch immer eine Celebrity ist Nastassja Kinski. Die Tochter des legendären Cholerikers Klaus wurde Anfang der Siebzigerjahre zum Megastar des frauenverachtenden Kinos jener Tage.
In seiner Dokumentation zeigt uns Arte ab Montag Kinskis Geschichte einer Befreiung aus dem Würgegriff einer Männermachtgesellschaft, die selbst Minderjährige sexuell ausbeuten ließ. Weitaus gegenwärtiger ist Mittwoch an gleicher Stelle das Porträt der Trashpop-Band Gossip mit der mehrgewichtigen Stilikone Beth Ditto am Mikro. Und auch in der ZDF-Serie Lady Parts geht es tags zuvor um weibliche Hauptfiguren im Kernschatten des Male Gaze.
Wenn die gleichnamige Punkband unterschiedlich marginalisierter Musikerinnen sechs Teile lang britische Bühnen erobert, ist das allerdings viel lustiger als das reale Empowerment ihrer Geschlechtsgenossinnen aus Deutschland und Amerika. Und noch eine emanzipatorische Selbstbehauptungsstudie: Ab Mittwoch ist eine Handwerkerin in der ARD-Mediathek Auf der Walz, erobert sich also fiktional die Männerdomäne Gesellenwanderung. Längst online und kaum zu umgehen: die 2. Staffel der schwarzen Trauerkloßkomödie Wednesday bei Netflix, flankiert vom neuen Anlauf der ebenso großartigen, ungleich bunteren Apple-Serie Platonic.
Irgendwo zwischen Sequel und Prequel rangiert dagegen die FX-Serie Alien: Earth, in der das gefräßige Schleimwesen ab Mittwoch bei Disney+ erstmals am Bildschirm wütet. Wenn es darin gemeinsam mit anderen Außerirdischen die Erde erreicht, wird es allerdings von einer Kinderarmee bewusstseinstransferierter KI-Soldaten im Auftrag interstellarer Konzerne erwartet. Das ist zwar maximal effekthascherisch, aber ziemlich originell.