Hegseths Maulkorb & Breuers Schattenseite
Posted: October 20, 2025 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
13. – 19. Oktober
Wie sehr liberale Medien selbst in Demokratien massiv unter Beschuss sind, lässt sich nahezu nirgends besser beobachten als in der angehenden Autokratie USA. Ihre Resilienz allerdings ebenso. Als bis aufs Trump-Fanzine OANN alle akkreditierten Verlage und Agenturen den militärpublizistischen Maulkorb des neuen Kriegsministers Pete Hegseth verweigert und kollektiv das Pentagon verlassen haben, machte zumindest ihre gemeinsame Haltung Mut auf Besserung.
Dazu gibt ansonsten nämlich relativ wenig Anlass. Das wahre Sturmgeschütz der Demokratie – die taz – ist Samstag letztmals auf Papier erschienen und kämpft nun noch mehr ums Überleben. Jan Böhmermann trifft sich mit Wolfram Weimer zum Streitgespräch über Rechtsruck, Antisemitismus, solche Sachen. Aber irgendwie schaffen es nicht mal diese Hyperintellektuellen irgendwo im Graubereich ihrer ideologischen Randgebiete Diskussionsstoff zu finden.
Währenddessen geriet auch der Grimme Online Awards zwischen unverrückbare Fronten: Hans Block und Moritz Riesewieck, prämiert für ihr multimediales Doku-Format Eternal You, gaben ihren Preis in der Sonderkategorie KI zurück. Grund: der Vorstand des zuständigen Grimme-Fördervereins hatte der Menschenrechtsaktivistin Judith Scheytt zuvor den Donnepp Media Award aberkannt, weil ihre Kritik an der Berichterstattung über den Gaza-Krieg antisemitisch gewesen sei.
Ob die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Klage einer Frau gegen den Rundfunkbeitrag negative Folgen für die Öffentlich-Rechtlichen, als Demokratie und Pluralismus hat, bleibt zunächst offen. Grundsätzlich sei eine Zahlungsverweigerung nämlich dann denkbar, wenn ARD, ZDF und Deutschlandfunk „flächendeckend“ unausgewogene Berichterstattung nachgewiesen werden könnten. Ein schier unbelegbarer Vorwurf, den die Wutmeute der AfD dennoch fleißig erheben und damit Gerichte blockieren wird.
Für Entlastung hätten da die Werbespots der Deutsch Bahn mit Anke Engelke liefern können. Selbstironie ist schließlich ein achtbarer Weg der Reflexion. Nur – was folgt aus der plumpen Zurschaustellung betriebsbedingter Störungen vom kaputten Klo bis zum ausgefallenen Zug? Ohne Besserungsangebote leider gar nichts. Wir gratulieren der Schwarzwaldklinik an dieser Stelle also auch deshalb zum 40. Geburtstag, weil 1985 wenigsten noch gelegentlich Fernsehen mit Haltung gemacht wurde.
Die Frischwoche
20. – 26. Oktober
Die es allerdings auch vier Jahrzehnte später durchaus gibt, sofern man nur sorgsam sucht. In der ARD-Mediathek zum Beispiel, wo der Sechsteiler Schattenseite zurzeit ein hochintensives Porträt der GenZ zwischen Dauerkrise, Cybermobbing und Aufmerksamkeitsökonomie mit Samira Breuer (KRANK) als Schulwechslerin im digital-analogen Fegefeuer der Jugend zeichnet. Zu Arte.tv muss hingegen wechseln, wer Lust auf Politainment hat.
The Deal heißt das frankophone Reenactment des iranisch-amerikanischen Atomabkommens vor acht Jahren und schafft es, diplomatische Höflichkeit und Hinterzimmer-Chaos sechst Teile lang so unterhaltsam wie lehrreich zu verknüpfen. Aspekte, die der neue ZDF-Urlaubskrimi Weiss und Morales um ein deutsch-spanisches Ermittlerteam eher in landestypischen Klischees ertränkt. Einfach nur fürchterlich, weil lieblos zusammengestückelt, ist die ZDF-Serie Schlechte Menschen über eine – bruha – Behörde im Vorzimmer der Hölle, die darüber entscheidet, wer hochfährt, wer hinunter.
Auweia.
Das gilt auch für die deutsche Gaga-Anime-Serie Taks Force Querlitz ab Freitag in der ZDF-Mediathek, bei der man schlicht das Storytelling vergessen hat. Dann doch lieber die originelle Neo-Serie Hysteria! Um eine Metal-Band, die den amerikanischen Satanismus-Hype Anfang der Achtziger zur Eigen-PR nutzen will – und buchstäblich die Geister trifft, die man rief. Noch mysteriöser ist zeitgleich die ZDF-Serie Moresnet mit Leonie Benesch als Opfer seltsamer Prophezeiungen aus belgischer Vergangenheit. Und A House of Dynamite ist parallel bei Netflix schon deshalb sehenswert, weil der Politthriller von Oscar-Gewinnerin Kathrin Bigelow stammt.