Brautkleidkaufkollektiv
Posted: February 11, 2014 | Author: Jan Freitag | Filed under: 2 dienstagsmarthe |Leave a comment
Wann immer in Film, Funk und Fernsehen geheiratet wird, kauft die Braut das Kleid vorab mit strahlender Mutter und quiekender Freundin. Merkwürdig
Unsere Gesellschaft, heißt es, vereinsamt in permanenter Kommunikation. Die multimediale Gegenwart hat das Lagerfeuer familiärer Fernsehrunden durch global vernetzte Flatscreens auf den Knien einzelner ersetzt und die Großkollektive früherer Epochen durch freiwillige Ein-Kind-Politik. In dieser Atmosphäre spielen auch uralte Gemeinschafsriten wie das Heiraten kaum noch eine Rolle. Da geht es, wenn überhaupt, im kleinsten Kreis zum Standesamt, hinterher schick essen gehen. Fertig. Nicht fertig, meint dagegen die heiratsaffine Abendunterhaltung der Marke Rosamunde Pilcher bis Julia Roberts und dringt unverdrossen auf klassische Verpaarungsformen. Und ein gerne wiederkehrendes Symbol dieser Sakramentsinitiative ist schneeweiß und wird gemeinsam gekauft: Das Brautkleid.
Denn wann immer Film- und Fernsehen Hochzeiten anberaumen, geht die Braut vorab mit ihren zwei besten Freundinnen – eine davon ist natürlich Mama – zum Brautkleidkauf in einen Brautkleidgeschäft mit Brautkleidkreischatmosphäre zum Piccolo, und grundsätzlich muss entweder schon dort oder später beim Anziehen der Bräutigam reinschauen und fröhlich von den besten Freundinnen des Raumes verwiesen werden, weil Bräutigame das Brautkleid ja nicht vor … Dieser Ablauf ist in seiner betulichen Gestrigkeit ähnlich zeitgemäß wie das Entjungferungsrecht des Gutsherren, zieht sich aber so sehr durch Romanzen mit derartigem Happyend, dass nur ein Schluss möglich ist: Der Spielfilm spielt Kuppelmutter, mit dem „schönsten Tag im Leben einer Frau“ als Hauptrolle einer fiktionale Pflichtübung emotionaler Sender von ARD bis Sat1. So wird das Fernsehen zur Heiratsmesse, nicht selten in der werbefreien Zeit.