Islamistischer & brauner Terror

0-GebrauchtwocheDie Gebrauchtwoche

21. – 27. März

Es ist schwer auszumachen, worüber man sich dieser Tage mehr wundern soll: Die Tatsache, dass verheerende Anschläge wie der in Brüssel langsam zur Normalität werden. Oder dass wir sie auch wirklich als solche empfinden. Verglichen mit der Reaktion auf den Pariser Gewaltexzess vor gut vier Monaten jedenfalls kehrte diesmal selbst auf dem Boulevard erstaunlich rasch Ruhe ein, und auch die vielen Brennpunkte wirkten wie das anschließende Nachbereiten in den Talkshows eher routiniert als sonderlich ergriffen. Der Turbo-Journalismus unserer Tage gibt zwar noch immer ohne Vorglühen eine Weile Vollgas, aber diese Weile wird kürzer und die Kürze zusehends abgebrüht.

Dennoch stand die vergangene Woche natürlich voll und ganz im Zeichen des Terrors, der dieses Land zurzeit auf fast allen Ebenen im Atem hält – ob damit nun der im Namen Allahs gemeint ist oder der Nation, was beide weit mehr miteinander gemeinsam hat als der AfD lieb sein dürfte. Umso erstaunlicher ist es, dass ein Urteil vom Oberlandesgericht München der seltsam geläuterten Bild-Zeitung verboten hat, die übelsten Hetzer sozialer Netzwerke weiterhin an den Pranger der Schande zu stellen. Vielleicht ja, weil so ein Instrument seinerseits zum schmutzigen Repertoire populistischer Maulhelden à la Pegida gehört. Vielleicht aber auch, da der Justiz daran gelegen ist, einfach mal für etwas Ruhe im Karton zu sorgen.

Wobei etwas Ruhe auch kein Allheilmittel ist im Kampf gegen radikalisierte Massen. Vor gar allzu nicht langer Zeit nämlich war so wenig Lärm gegen Rechtsradikale hörbar, dass ein paar von ihnen nahezu unbehelligt die furchtbarste Mordserie der deutschen Nachkriegszeit begehen konnten. Und da es um den NSU-Prozess vorm Münchner Landgericht ebenfalls immer ruhiger wird, ist es wieder mal am Fernsehen, Laut zu geben gegen das Vergessen – und sei es in aller Stille.

Mitten in Deutschland NSU - Die Täter (Uwe Mundlos (Albrecht SchuchDie Frischwoche

28. März – 3. April

Mitten in Deutschland heißt eine Filmtrilogie, die den braunen Terror mitsamt seiner blutigen Folgen so geräuschlos fiktionalisiert, dass es nur so aus dem Fernseher schreit. Wie im baugleichen Projekt Dreileben (2011) hat die ARD drei Regisseure gebeten, dasselbe Thema individuell zu bebildern. Zum Auftakt skizziert Christian Schwochow, wie die Täterin Beate Zschäpe (Anna Maria Mühe) den Uwes (Albrecht Schuch, Sebastian Urzendowsky) aus der national befreiten Zone Jena in die Illegalität folgt, ohne dabei den üblichen Verachtungsfuror abzurufen. In der Woche drauf dann widmen sich Züli Aladağ und Florian Cossen Opfern und Ermittlern, wovon an dieser Stelle noch die Rede sein wird. Denn alle drei sind Filme zum Heulen, Filme der Wut, heilsame Filme wider die Ignoranz von Staat, Medien, Justiz und Mainstream, die jeder, wirklich jeder sehen sollte, nein: Muss!

Dasselbe gilt natürlich auch für den neuen Fall von Sherlock Benedict Cumberbatch als modernisierte Fassung des angestaubten Detektivs, dessen ungewohnt mystischer, also gar nicht so rationaler Fall um eine Wiederauferstehung jedoch nur eine Art Transitfolge für die vierte Staffel im nächsten Jahr ist. Ob Heike Makatsch hingegen mehr ist als ihr eigenes Special, bleibt fraglich. Heute zumindest schenkt ihr das Erste eine Sonderladung PR, wenn sie als Kommissarin Ellen Berlinger nach 14 Jahren London ins tüderige Freiburg zurückkehrt, um dort einen angeblichen Selbstmord im Jobcenter aufzuklären.

Der Event genannte Tatort indes ist zu konventionell, die Hauptfigur zu hübsch, alles irgendwie zu irgendwas wie ein Star als Zugpferd, das am Ende wohl doch einige Anschlussfolgen rechtfertigt. Die hatte sich das Münchner Duo Leitmayr/Batic spätestens 1995 verdient, als es vier Jahre nach seinem kaum bemerkten Debüt noch jung und ungrau Dominik Grafs prämierten Fall Frau Bu lacht zur Krimilegende spielte. Die farbige Wiederholung der Woche leitet am Samstag um 20.15 Uhr aber nicht nur eine BR-Nacht voller Filme des dienstältesten Männerteams ein, sondern auch den gelungenen Jubiläums-Tatort tags drauf.

Dagegen ist die schwarzweiße Wiederholung – nicht zuletzt im Kontrast zum BBC-Meisterwerk dieser Tage – höchstens ein Fall für Nostalgiker, nicht Ästheten. Dabei weist Sherlock Holmes und das Halsband des Todes von 1962 (Dienstag, 1.35, ARD) zwar Christopher Lee (mit Senta Berger) als Titelfigur ein, bleibt ansonsten aber fulminanter Quatsch mit Soße. Das ist Freitag auf RTL auch Die Piraten, aber trotzdem lecker. Vor allem, weil der Animationsfilm um einen Freibeuter, der ausgerechnet Charles Darwins Schiff kapert, von den Aardman-Studios gemacht wurde, die sonst für Wallace & Gromit zuständig sind. Soße ganz ohne Quatsch hingegen tischt der DVD-Tipp auf: Cowspiracy (polyband, 16,99 Euro), eine Umweltdoku, die die verheerenden Auswirkungen der Viehwirtschaft preisgekrönt aufdeckt.

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