Beach Fossils, Kraftklub, Roger Waters

Beach Fossils

Es ist bekanntlich der größte Spaß, fast schon ein Sport all jener, die intensiver über Musik nachdenken, ihr lustige Label zu verpassen. Psycho-Boogy, Instant-Classic, Postpunkscreamo – solche Sachen. Das ist zwar manchmal ein bisschen selbstgefällig. Doch dann hört man die Beach Fossils, denkt über deren Musik nach, möchte partout ein Label dafür finden und versucht intuitiv die Elemente Easy Listening, Folk, Glamour, Pop, Power, Flower, Singer/Songwriter zu vereinen, dass eine Name daraus wird. Heraus kommt also eine Art Ealifoglapopoflosiso. Das ist natürlich totaler Quatsch.

Aber auch kein größerer, als das dritte Album der drei New Yorker auf einen Begriff bringen zu wollen. Summersault schafft es nämlich, ins vielschichtige Konglomerat unterschiedlichster Stile ab und zu auch noch Country, Rock, gar Jazz einzustreuen. Saint Ivy zum Beispiel, das dritte Stück, klingt zunächst wie eine fröhlich schwingende Zeitreise zurück in den Sommer der Liebe, bevor eine Klarinette die Uhr noch zwei Jahrzehnte früher rückt und später ein paar schreiende Riffs wieder Richtung Zukunft zappeln. Alles durcheinander, alles miteinander, ein Sound zum Zurücklehnen und Wohlfühlen.

Beach Fossils – Sommersault (Bayonet Records)

Kraftklub

Erfolg ist schon auch schwierig manchmal. Wenn man dem verrauchten Kellerclub gerade erst entwachsen ist und plötzlich Headliner gewaltiger Festivals ist, um statt einer Handvoll zigtausend Menschen im Moshpit zum Hüpfen zu bringen, gibt es ungefähr zwei Möglichkeiten. Man dreht ein bisschen durch. Oder man dreht so richtig durch. Kraftklub haben sich für ersteres entschieden und ein bisschen auch für letzteres. Ihr drittes Album in fünf Jahren, betitelt frei nach dem politisch durchaus ähnlich tickenden Vorbild Rio Reiser, schafft nämlich beides: Am Boden zu bleiben und abzuheben.

Ganz im Sinne ihres frischen Status als Megastars des deutschsprachigen Alternative-Vollaufsmettrocks wimmelt es auf Keine Nacht für niemand nämlich wie gewohnt nur so von Pogo-Hymnen mit Gruppengröl-Potenzial. Dafür steht zum Beispiel der selbstironische Opener Band mit K. Zugleich aber ist das Chemnitzer Quintett um den Sänger Felix Brummer, wie sagt man so schön: reifer geworden. Vor allem ruhiger, ohne dabei gesetzt zu werden. Dafür steht mehr als jeder Song Dein Lied, der mit fetten Streichern und saftigem Pathos die Trennung von einer Frau in fröhlichem Hass ertränkt, bei dem sogar ein böses Wort mit “H” fällt, ohne dass es peinlich wird.

Kraftklub – Keine Nacht für niemand (Vertigo)

Roger Waters

Normalerweise wäre an dieser Stelle kein Platz für das Comeback eines Altrockers, der mit 73 Jahren die Klampfe aus dem Schrank holt um a) sich nicht mehr so schrecklich zu langweilen im Ruhestand, b) noch mal richtig Geld zu machen mit seinem klangvollen Namen, c) dem Werk eine völlig neue Richtung zu geben oder d) dem millionenfach geäußerten Wunsch seiner Fans nachzukommen. Bei Roger Waters muss man da aber eine Ausnahme machen, weil er e) sauer ist, richtig sauer und zwar auf die richtigen: Donald Trump und sein Populistenzirkus rings um den Erdball. Darüber hat der frühere Frontmann von Pink Floyd ein Album gemacht. Und was für eins.

Abgemischt vom Radiohead-Produzenten Nigel Godrich ist Is This The Life You Really Want? 25 Jahre nach Waters letzter Solo-Platte genau das, wonach der Titel klingt: Eine wütende Abrechnung mit den herrschenden Verhältnissen, die überhaupt nicht nach Altersweisheit klingt, sondern einer ähnlichen Wut wie damals in The Wall: sinfonisch verwobene Dissonanzen, die ineinander gefügt düstere Harmonien ergeben, die bei jedem der zwölf Stücke aufhorchen lassen. Keines davon lässt sich einfach so nebenbei hören, jedes erfordert volle Aufmerksamkeit, die ihm nicht nur Nostalgiker schenken sollten, sondern auch alle Nachgeborenen. Denn so und nur so gehen gute Protestsongs.

Roger Waters – Is This The Life You Really Want? (Sony)

Advertisement


Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.