Döpfners DDR & Primes Maradona

Die Gebrauchtwoche

TV

18. – 24. Oktober

Die rechtspopulistische Welt ist voller Liebespaare, deren Trennung riesige Scherbenhaufen hinterlässt, an denen sich komischerweise nur einer der beiden schneidet. Als Hamburgs Bürgermeister den Rassen-Richter Ronald Schill aus der Koalition warf, gewann Ole von Beust haushoch die Wahlen. Als Österreichs Kanzler dasselbe mit dem Ibiza-Fan Heinz-Christian Strache tat, ging auch Sebastian Kurz gestärkt aus der Affäre hervor. Jetzt also trennt sich Mathias Döpfner vom „Sex-Monster“ Julian Reichelt, wie ähnlich übergriffige Männer in der Bild hießen, und was geschieht mit dem Springer-Boss?

Eben.

Trotz bizarrer Begleiterscheinungen führt der demokratiefeindlichste deutsche Publizist nach Götz Kubitschek und weiter Verlag und Branchenverband BDZV, die aus Döpfners Sicht bis auf sein Ziehkind ausnahmslos Gefälligkeitsjournalisten einer Corona-Diktatur im Stil der DDR beschäftigen. Statt den Skandal um Reichelts Misogynie wie verlautet aufzuarbeiten, kritisiert er lieber die NYT für ihre Enthüllung, strickt Verschwörungsideologien um Rachefeldzüge früherer Kollegen und zersetzt damit fortlaufend die Pressefreiheit.

Dass Friede Springers Liebster den brachialen Reichelt durch den feinsinnigen Johannes Boie ersetzt, dürfte da nur eine Interimslösung sein. Wahrscheinlich hat Döpfner bereits seine Fühler nach rechtspopulistischem Ersatz ausgestreckt. In Frage kämen neben Ken Jebsen und Xavier Naidoo vor allem Roland Tichy oder Jochen Kopp. Und frisch in der engeren Auswahl: Dirk Ippen, der sich durch die Unterschlagung der Reichelt-Recherchen seiner Reporterinnen mit nepotistischem Netzwerker-Schwung zu Döpfners Komplizen machte.

Fragt sich nur, wo Springer nach dem Kauf des amerikanischen Nachrichtenhändlers Politico noch überseeisch investieren könnte. Kleine Anregung: Donald Trump gründet gerade sein eigenes Netzwerk. Und eine Lügenplattform wie Truth Social müsste doch eigentlich so ganz nach dem Geschmack von Döpfners Ideal einer moralbefreiten Medien-Oligarchie nach Vorbild Ungarns mit dem Unterhaltungswert von RTLzwei sein.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

25. – 31. Oktober

Apropos Privatsender: Wer sich erhofft hatte, dass der Wechsel von Zervakis und Opdenhövel die Seriosität von ProSieben steigern würde, darf sich heute wieder getäuscht sehen, wenn ZOL statt seriösem Journalismus abermals nur Aufreger mit Sex, Crime, Kindern bietet. Darstellerisch dürfte die gespielte Entrüstung der beiden allerdings auf dem Niveau fiktionaler Serien sein, von denen es in dieser Woche ein paar bemerkenswerte gibt.

Da wäre zum Beispiel das Sportler-Biopic Maradona, eine Art fiktional-realer Nekrolog des Fußballgenies, das unlängst verstorben ist – und damit ab Freitag weniger Anlass zur humorigen Hommage bietet als die Sky-Persiflage über den römischen Superstart Totti vier Wochen zuvor. Ganz und gar humorlos ist ein weiterer Historiendreiteiler bei TV Now. Im Rahmen einer Kostümfestreihe startet dort heute das BBC-Liebesdrama Tod und Nachtigallen aus dem Irland der 1880er Jahre, was zwar ein bisschen glatt gebügelter Geschichtsunterricht ist, aber durchaus politisch grundiert.

Ganz und gar unpolitisch ist hingegen die SyFy-Zombieserie Day of the Dead, in der die Untoten ab Mittwoch eine kanadische Kleinstadt belagern und dabei zehn Teile lang verblüffend psychologisch agieren. Ganz und gar unpsychologisch ist demgegenüber die WDR-Horrorserie True Demon ab Freitag in der ARD-Mediathek, die zwar leicht an Blair Witch Project für die Generation Insta erinnert, aber wie die achtteilige Flugbegleiter-Dramedy The Flight Attendant ab Donnerstag bei Warner TV durchaus raffiniert inszeniert wurde.

Das genaue Gegenteil von raffiniert ist das größte Ärgernis der Woche: Schlecky Silbersteins Sitcom-Version seiner ganz großartigen Polit-Clipshow Browser Ballett tags zuvor an selber Stelle. Dann doch lieber Trash as Trash can wie Klaus Lembkes Kunstfälscher-Groteske Berlin Izza Bitch, morgen um 22.15 Uhr beim WDR. Oder noch besser: Freud, Marvin Krens international gefeiertes, weil komplett gegen den Strich gebürstetes Psychiater-Biopic, ab Samstag endlich auch im Free-TV, aka Neo.

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