Janolis ESC & Beckers Boom
Posted: April 10, 2023 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
3. – 9. April
Da wachse also zusammen, was zusammengehört? Jahrelang haben Jan Böhmermann & Oli Schulz in ihrem Podcast Fest & Flauschig förmlich darum gebettelt, Moderatoren anstelle des Moderators zu werden, also Peter Urban beim ESC abzulösen. Da weder der berufsfröhliche LiLaLaune-Bär Frank Beckmann noch sein stocksteifgeschlagener NDR-Vorfahre Thomas Schreiber als Unterhaltungsverantwortliche für so viel Anarchie empfänglich waren, gehen Janoli allerdings ins Exil und moderieren beim ORF.
Zumindest in dessen Mediathek und beim österreichischen Jugendradio wird der, nun ja, „Gesangswettbewerb“ folglich modernisiert, während der NDR vermutlich darüber nachdenkt, Peter Illmann dafür aus der Rente zu holen. Von dort also, wo die Führungskräfte öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten finanziell so gut ausgestattet werden, dass sie fast schon an privatwirtschaftliche Privilegien-Träger (seltener: Trägerinnen) heranreichen, die aber schon zu Arbeitszeiten fürstlich entlohnt werden.
Das zeigte zuletzt ein Bericht des Bundesanzeigers über Boni-Zahlungen bei der Axel Springer SE. Jenem Konzern, dessen niederträchtige Belegschaft am Niedergang von Demokratie und Rechtsstaat herumschlagzeilt, dafür aber eher Kündigungen als Anerkennung erntet. Doch während Mathias Döpfner auf dem Rücken seiner Leute spart, gönnt er sich und seinesgleichen Sonderzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Na ja, so funktioniert halt der Turbokapitalismus, dem Bild und Welt das Wort schreiben.
Dass die Regenbogenkonkurrenz von Burda dem RTL-Spielzeug G+J nacheifert, sieben Magazine streicht und gelegentlich gar schwangere Redakteurinnen feuert, ist da schon kaum noch der Rede wert in einer Branche von vollumfänglich verlotterter Moral und Ethik. Deshalb kurz zu jemandem, der verglichen mit Shareholder-Verlegern von – man beachte die Diversität ihrer Vornamen: Martin Weiss bis Thomas Rabe geradezu heilig ist.
Die Frischwoche
10. – 16. April
Seit Freitag läuft bei Apple TV+ die dreistündige Doku Boom Boom! The World vs. Boris Becker, und obwohl das Porträt des hochgestiegenen, tiefgefallenen Tennisspielers filmästhetisch eher konventionell geraten ist, erschafft Oscar-Preisträger Alex Gibney (Taxi zur Hölle) damit ein Meisterwerk personalisierter Beobachtung – und gewährt nebenbei Einblicke in die Abgründe des profitorientierten Spitzensports, die auch eine Sky-Doku kennzeichnen.
Sechs Jahre, nachdem ein irrer Spekulant den Dortmunder Teambus mit Nagelbomben angriff, um Kursverluste der BVB-Aktie zu provozieren, erzählt Der Anschlag mit einer erlesenen Auswahl Beteiligter, was er mit Mensch, Maschine, Fußball angestellt hat. Dazu passt abzüglich der Detonation die vierteilige ARD-Doku Tech-Titanen, worinndas Erste ab morgen in seiner Mediathek alles umwälzende Alpharüden der Marke Elon Musk porträtiert.
In deren Galerie wiederum hängt ab morgen auch die 4. Staffel der tollen Netflix-Serie Succession um eine ebenso rücksichtslose wie zerstrittene Mediendynastie, die nicht zufällig an Rupert Murdochs erinnert. Irgendwie mit Medien hat auch Irgendwas mit Medien zu tun, einer achtteiligen MDR-Mockumentary, die ab Freitag in der ARD-Mediathek der GenZ dabei zusieht, im Stromberg-Stil am Leistungsdruck der Multioptionsgesellschaft zu scheitern.
Und während sich die Sky-Serie A Town Called Malice Mittwoch mit surrealer Innbrunst aus der legalen in die illegale Wirtschaftskriminalität einer britischen Gang wechselt, die Mitte der Achtziger mit viel Musik versucht, an der Costa del Sol Fuß zu fassen, kopiert sich RTL tags zuvor selber und lässt statt (Christian) Rach als Restauranttester (Tim) Raue als Restaurantretter auf marode Küchen los. Kreativer zeigt sich daher mal wieder Apple.
Dort lugt Jennifer Garner als Star des Familienthrillers The Last Thing He Told Me ab Freitaag aus der Versenkung. Sieben Teile gibt es zwar keine Leichen, aber eine Zweitfamilie ihres verschollenen Mannes, den sie mithilfe seiner Tochter sucht. Zeitgleich eifert die neunjährige Jane dem gleichnamigen Vorbild Goodall nach, rettet gefährdete Tierarten und schwimmt damit ebenso am Rande des Mainstreams wie die deutsch-italienische ZDF-Serie The Gymnasts (Samstag, Mediathek) um junge Turnerinnen auf der Suche nach sich selbst.