Döpfners Ossis & Laudes Deutsche
Posted: April 17, 2023 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
10. – 16. April
Eine Überraschung kennzeichnet gemeinhin das Unerwartete, weshalb der New Scientist sie als „Wechsel der Erwartung aufgrund des Eintreffens neuer Daten“ definiert. Wen es da überrascht, dass sich der milliardenschwere Springer-Chef Mathias Döpfner, dessen Verlag kontinuierlich die Zersetzung demokratischer, humanistischer, rechtstaatlich-pluralistischer Prinzipien in Richtung einer rechtslibertären Oligarchie mächtiger Männer betreibt, dürfte Wladimir Putin für einen lupenreinen Demokraten halten.
Döpfner, so zeigen geleakte Chats in der aktuellen Zeit, findet Ostdeutsche nicht nur dann „eklig“, sofern sie Merkel heißen, er verachtet auch alle Westdeutschen, falls ihnen das Klima, die Wissenschaft, der linksgrünversiffte Unfug menschlicher Werte wichtiger ist als ein Wirtschaftssystem zum Wohle Superreiche wie ihn. Kein Wunder, dass Döpfner den sexuell gewalttätigen Bild-Boss Julian Reichelt dazu aufforderte, die FDP zu fördern.
Alles Propaganda, pöbelte der Beschuldigte zurück, geriert sich wie unter Rechtspopulisten üblich als Opfer der eigenen Elite, entschuldigt sich dennoch, ohne um Verzeihung zu bitten, und belegt damit, der angeblich so verhassten AfD näher zu sein als Grundgesetz und Ethik. Damit ist Döpfner Gauland minus Judenhass und auf ideologisch auf Linie von Elon Musk, der Twitter in X umbenannt hat, damit er die BBC dort frei vom Ballast früherer Liberalität als staatlich finanziert verunglimpfen kann, und ein Moratorium der KI-Forschung unterstützt, um alle GPU-Prozessoren aufzukaufen.
Vielleicht ist es da gar ein gutes Zeichen, dass das größte US-Datenleck seit Edward Snowden zunächst mal nicht in die Öffentlichkeit gezwitschert wurde, sondern über Gaming-Chats wie Discord Verbreitung fand. Ein schlechtes Zeichen: der mutmaßliche Täter war kein Whistleblower, sondern offenbar ein rechtsnationaler Rassist und damit ideologisch ganz auf Linie Mathias Döpfners, dem – Obacht Ironie – Alfred Hugenberg der neurechten Bohème.
Die Frischwoche
10. – 16. April
Zugeben – nicht ganz leicht, den Bogen ins aktuelle Fernseh- und Stremingangebot zu spannen, aber vielleicht bietet es ja Ablenkung von der geplanten Machtübernahme moralisch verkommener Oligarchen wie diesen. Para zum Beispiel, Fortsetzung der hinreißenden Erzählung von vier Berlinerinnen beim Versuch, die kriminelle Energie hypermaskuliner Nachbarn aus 4 Blocks ab heute bei Warner TV zu kopieren, ohne dabei ständig Leute plattzumachen.
Eine Kopie ist auch die Web-Serie Almania, in der Phil Laude – einst ein Drittel der Pimmelwitzbrigade Y-Titty – Bernd Stromberg quasi zum Lehrer einer Problemschule macht. Nach zwei Pilotfolgen vor zwei Jahren geht die Mockumentary Freitag als Achtteiler auf die ARD-Mediathek und trotz aller Abklatschansätze: das ist manchmal schon auch lustig, ohne platt zu sein. Ohne jeden Humor tiefgründig ist dagegen die Überraschung der Woche: Drops of God.
Auf Basis japanischer Mangas verfilmt Apple darin das Duell einer Französin, die mit dem Ziehsohn ihres verhassten Vaters um dessen Erbe kämpft: Wein im Wert von 148 Millionen Euro. Die Serie zeigt aber nicht nur einen Wettstreit aus dem bizarr bildgewaltigen Milieu der Önologie. Achtmal 55 faszinierende Minuten lang handelt die doppelte Familiensaga ab Freitag auch vom Kulturclash der sinnlichen Provence im aseptischen Tokio. Während die französisch-japanische Serie ihr eigenes Thema ständig mit Wendungen überrumpelt, setzt das deutsche Fernsehen auf Altbewährtes.
In der ARD-Krimireihe Mordack etwa spielt Mehmet Kurtulus Donnerstag nicht wie einst beim Tatort einen verdeckten Ermittler, sondern – nee: doch einen verdeckten Ermittler. Auch das ZDF betritt mit Die Spur ausgetretenes Terrain, obwohl es das Format Mittwoch als erste deutsche forensische Real Crime Serie bezeichnet. An gleicher Stelle geht zwei Tage zuvor die forensische Fiktion Im Schatten der Angst mit der famosen Mercedes Müller weiter. Aber wenn Netflix mit Diplomatische Beziehungen ab Donnerstag ebenso wie Apple tags drauf (Ghosted) RomComs absondert, ist lineare Hausmannskost allemal statthaft.