Fifa-Regel & Oderbrüche

Die Gebrauchtwoche

TV

8. – 14. Januar

Wenn der Rechtsstaat tüchtig zupackt: Drei Männer und eine Frau wurden vorige Woche vom Amtsgericht Berlin Tiergarten für ihren Angriff auf das Team der heute-show am Rande einer Querdenken-Demo 2022 verurteilt. Wobei der Rechtsstaat härter zugepackt hätte, sofern sich das Quartett stattdessen fürs Klima ans Pflaster geklebt hätte. So brachte der Angriff auf die Säule unserer Demokratie Bewährungsstrafen – mit absolut absurder Begründung.

Denn strafmildernd wirkte das „Geständnis“, sie hätten ihre Opfer leider mit „Personen aus dem rechten Spektrum“ verwechselt. Schließlich laufen die massenhaft mit professionellem Fernsehequipment über Schwurbeldemos und stellen Systemfeinden kritische Fragen. Warum man die attackierte Pressefreiheit allerdings auch nicht überbewerten darf, zeigte kurz zuvor der ZDF-Kollege Mitri Sirin.

Beim bundesweiten Beckenbauer-Gedenken befragte der heute-Moderator am Montag seinen Sportskollegen über die dunklen Seiten des Kaisers. Markus Harm verstieg sich dabei zur ungeheuerlichen Entgleisung, nicht nur die Steuerhinterziehung oder Sklavenblindheit des Verstorbenen zu unterschlagen; er billigte Beckenbauers Bestechungsskandal mit dem denkwürdigen Satz, noch nie sei eine WM „so billig“ gekauft worden wie 2006, wofür der Franz halt nach den Fifa-Regeln spielen „musste“.

Wenn Deutsche um deutsche Helden kämpfen … werden sie publizistisch eigentlich nur dann noch etwas sanfter angefasst, sofern deren Trecker das halbe Land lahmlegen. Dafür hatte dann auch Jessy Wellmer in den Tagesthemen Verständnis. Obwohl die ausgebildete Sport-Moderatorin das Nachrichten-Fossil im Rahmen ihrer Möglichkeiten überaus souverän präsentierte.

Auf einem Sender übrigens, der wie alle anderen Publikum verliert. Laut einer Studie der AGF Videoforschung sank die tägliche Nutzungsdauer 2022 von 213 auf 195 Minuten, während die Gesamtzahl der Zuschauerinnen und Zuschauer seit 2017 um fünf Millionen abnahm. Obwohl Tatort oder Tagesschau weniger betroffen sind, hängt digitales das lineare Fernsehen somit weiter ab.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

15. – 21. Januar

Der Einsatz in Stuttgart am kommenden Sonntag (Zerrissen) dürfte also wie das heutige Vorrundenspiel der Handball-WM Deutschlands gegen Frankreich oder der Start des 278. Dschungelcamps wieder hoch im siebenstelligen Bereich landen, während das hervorragende ARD-Porträt Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat in der Mediathek besser laufen könnte. Ein Ankauf übrigens von Sky, wo parallel die 4. Staffel True Detective startet.

Zehn Jahre nach der gefeierten Premiere, kommen dort erstmals zwei Kommissarinnen zum Einsatz, darunter Jodie Foster. Das Ergebnis reicht an ihre Vorgänger Matthew McConaughey und Woody Harrelson heran. Mit acht Folgen ist die Serie verglichen mit einer deutschen allerdings raspelkurz. In Pumpen porträtiert Neo ab Donnerstag in der ZDF-Mediathek 25 Folgen à 22 Minuten lang den Existenzkampf einer Magdeburger Muckibude.

Und das ist zwar angemessen billig produziert, hat dank des frischen Casts einer tiefgründig humorvollen Handlung zwischen Body-Shaming und Solidarität durchaus seine Stärken. Was für die Überraschung der Woche umso mehr gilt: Oderbruch. So heißt nicht nur Deutschlands äußerster Osten, sondern ein Mystery-Thriller von Christian Alvart, Adolfo J. Kolmerer und Arend Remmers.

Klingt nach der düsteren Effekthascherei von Dark bis Schnee, ist aber eine intime Regionalstudie mit Gruselfaktor, die ab Freitag in der ARD-Mediathek mit relativ wenig Theaterdonner auskommt und dennoch das Gros der acht Teile fesselt. Ob das auch für den Netflix-Film 60 Minuten gilt, worin der Ostberliner Emilio Sakraya zeitgleich einen Mixed-Martial-Arts-Kämpfer spielt? Na ja…

Mehr Stil als Muskelmasse verbreitet währenddessen das spanische Biopic vom spanischen Mode-Zaren Cristóbal Balenciaga bei Disney+, während die Prime-Serie Hazbin Hotel ein Horrormusical animiert, bevor Sky sich wahrhaft bedrückender Real Crime widmet. Last Call Killer rekapituliert ab Samstag vier Teile lang die Morde im queeren New Yorker Milieu der frühen Neunziger und damit ein liberales Land im Griff reaktionärer Gewalt.



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