Ja, Panik – LUCI – J Mascis
Posted: February 3, 2024 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a commentJa, Panik
Nicht singen zu können, war einst ein guter Grund, es – wenigstens außerhalb von Karaokebars und Duschen – zu lassen. Es ist daher ein Wink der Musikgeschichte, dass ein Großmeister des windschief Denglischen am schlechtesten singt, daraus aber das denkbar Beste macht. Wie Andreas Spechtl, Mastermind der Berlin-Wiener Artrock-Band Ja, Panik, und als solcher auf ewiger Mission, die Popkultur zu schreddern.
Das 7. Album Don’t play with the rich kids ist demnach Englisch betitelt, mehrheitlich Deutsch gesungen, aber sprachliche wie tonal ein disharmonisch poetisches Durcheinander, das zugleich überwältigend und verstörend ist. Wozu Textzeilen wie “Kleiner Dude auf der Strada / Nimmt einmal ein Naserl / Und greift nach den Stars dann / Aber nix” die passende Metrik liefern. Alles zu viel, alles zu wenig, alles lauter als zuvor, alles leiser auf der neuen Ja, Panik. Wie immer. Wie immer großartig.
Ja, Panik – Don’t play with the rich kids (Bureau B)
LUCI
LUCI dagegen kommt aus den USA, singt ausnahmslos englisch, tickt amerikanisch und liefert auf ihrem Debütalbum They Say They Love You dennoch ein Panoptikum verschiedener Stile, das es mit Ja, Panik mangels Kenntnis vermutlich nicht aufnehmen will, aber kann. Geboren im republikanisch geprägten North Carolina ist sie für ihr Debütalbum ins liberale Los Angeles gezogen und hat dort zehn grandios verschiedene Tracks produziert.
Die nämlich passen auch horizontal selten zusammen, werden von Produzenten wie Louallday (Outkast) oder Edmund Irwingsinger (Glass Animals) aber so passend gemacht, das auf They Say They Love You alles aus einem Guss ist. Mehr noch. Mit ihrer wuchtigen, ja opernhaften Stimme durchdringt sie von HipHop bis TripHop und einer Prise Punk plus Pop alles, was sie durcheinander schleudert und neu verkleistert. Fast nichts daran ist eingängig, nahezu alles genial.
LUCI – Say They Love You (Don’t Sleep)
J Mascis
Joseph Donald Mascis Jr., besser bekannt als J Mascis, noch viel besser bekannt als Sänger der Melogrunge-Legende Dinosaur Jr. und hätte er vor bald 40 Jahren deren Angebot angenommen am bekanntesten als Drummer von Nirvana, ist ungefähr viermal so alt wie LUCI, hat sich aber auch auf Solopfaden die Inselbegabung bewahrt, beim Singen wie ein melancholischer Trotzkopf zu klingen.
Zweite Inselbegabung: Gitarren-Soli, die nicht breit-, sondern o-beinig klingen, also irgendwie eher nach kindlichem Überschwang als testosterongetränkter Selbstgerechtigkeit. Und so ist auch What Do We Do Now, sein fünftes Album ohne Dinos, ein liebevoll zerdeppertes Emorock-Sammelsurium altersloser Ergriffenheit, die uns J Mascis gern noch 50 Jahre mehr in die Fresse streicheln darf. Forever young!
J Mascis – What Do We Do Now (Sub Pop)