Pochers Naidoo & Edins Late Night

Die Gebrauchtwoche

TV

15. – 21. April

Wichart von Roëll ist tot, und wer mit dem Namen nichts etwas anfangen kann, also alle Generationen nach Boomer plus X: Am 24. Juli 1973 war er Teil einer sehr schrillen Kulturrevolution. Dienstagabends, 20.15 Uhr im Ersten, prägte sein Weltkriegsveteran Benedict eine Unterhaltung, die Dalli Dalli und Paukerfilme zwar bereits ausprobiert hatten. Erst Klimbim allerdings bracht das damalige Fernsehpublikum perfekt auf den Punkt.

Von seiner (Mit-)Schuld am Nationalsozialismus, mehr aber noch den Fragen Spätgeborener dazu ermüdet, verschanzte sich das Tätervolk hinterm Klamauk einer schlüpfrig behämmerten Nummernrevue, deren letzter Vortänzer am Dienstag gestorben ist. Mit Didi Hallervorden ist also nur noch ein Fluchthelfer jener eskapistischen Tage am Leben, der jedoch wie seine Ahnen nun antisemitisches Zeug faselt.

Damit befindet er sich in stabiler Gesellschaft von Xavier Naidoo, den Oliver Pocher kürzlich aus dem Rabbit Hole rechtsblöden Geschwurbels auf die Bühne einer Live-Show in Saarbrücken hievte. Zwei Orte, die der Thinktank Das progressive Zentrum in einer großen Studie erkundet hat. Gemeinsam mit IG Metall, BMW Foundation, Bundeszentrale für politische Bildung und ein paar Ministerien wurde darin die Berichterstattung zum Heizungsgesetz untersucht.

Ergebnis: Der Großteil aller Medien hat sachlich darüber berichtet, bis auf – Surprise! – die Bild, in der ein Viertel aller Berichte erstunken und erlogen waren, was nur von rechtsextremen Blättern übertroffen wurde, in denen nicht mal ein Viertel den Tatsachen entsprach. Was an den Übernahmegerüchten von Pro7 dran ist, wird sich derweil noch zeigen. Als gesichert kann aber gelten, dass der DFL die Verhandlungen über die Fernsehrechte der Fußballbundesliga gestoppt hat.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

22. – 28. April

Die Folgen sind fürs aktuelle Programm allerdings noch nicht sichtbar. Wobei: irgendwie gilt das auch für vieles, was diese Woche darin zu sehen ist. Einzig bemerkenswert scheint da der Start von Edins Neo Night zu sein. Am Freitag entert der rasend sympathische Schauspieler mit Rampensauqualitäten – Edin Hasanovic – nämlich die gleichsam größte und kleinste TV-Bühne: Late Night Show.

Es wird sich also zeigen, ob sie beim wichtigsten Nischenkanal Deutschlands zu groß oder zu klein ist für ihren ziemlich prominenten Gastgeber. Richtig fett war hingegen die besonders haarige Hair-Metal-Band Bon Jovi, der Disney+ ab Freitag ein vierteiliges Porträt widmet, das wenig originell The Bon Jovi Story heißt und womöglich besser ist als die verabreichte Musik darin.

Wenn die ARD und andere Großsender mit dem Kampfbegriff Event-Film Aufmerksamkeit erheischen, ist dagegen Vorsicht geboten. Im Fall des Mystery-Dramas Die Flut aber wirkt das Ereignis eventtauglich. Frei nach Robert Habecks Roman Hauke Haiens Tod von 2001 transferieren Daniela Baumgärtl und Constantin Lieb Theodor Storms Schimmelreiter am Samstag in die Gegenwart.

Und was Regisseur Andreas Prochaska daraus macht, ist zwar manchmal bisschen arg düster geraten, liefert aber einen kriminalistisch angedickten Ansatz, den Klimawandel fiktional einzubinden. Den Terror in den USA verarbeitet derweil die 2. Staffel THEM bei Amazon Prime ab Donnerstag. Wobei das wahre Wochenschmankerl von Netflix stammen dürfte.

In Fight for Paradise – Wem kannst du trauen? wagt sich der Streamingdienst an deutsche Semi-Promi-Reality. Elf jungerwachsene, influencende, also irgendwie einigermaßen bekannte Wachspuppen verschiedener Anabolika- und Hyaluronsättigungsstufen ziehen dafür in ein mexikanisches Luxusresort, wo sie über Wochen hinweg gegeneinander… ach, auch egal.

Und noch ein kleiner Tipp am Rande: Auf dem leicht angestaubten Feld von Guido Knopps Dokudrama, rekonstruiert die ARD-Mediathek ab Sonntag in Die Mutigen den längsten Streik der deutschen Nachkriegsgeschichte von 1956, als Millionen Arbeitnehmer*innen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf die Straße gingen.



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