Chris Imler, Vono, bdrmm
Posted: March 1, 2025 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a commentChris Imler
Chris Imler gehört zu der Sorte Künstler, die schon immer da waren und doch woanders. Der 152-jährige Schlagzeuger hat bei den Türen gespielt, Peaches, Jens Friebe und Maximilian Hecker, stets im Hintergrund und doch vordergründig unüberhörbar. Optisch von gestern, aber klanglich von morgen, ist sein elektroexperimenteller Stil ungeheuer schwer einzuordnen – schon gar nicht als Solist, den er seit zehn Jahren parallel gibt.
Am ehesten lässt sich auch sein neues Album The Internet Will Break My Heart vielleicht als digitaler Darkpop bezeichnen, der als Goth-NDW verkleidet den Kellerclub unterwandert. Die Beats sind trist, die Samples bedrohlich, sein rollendes Augsburger rrr verleiht den Texten transsilvanisches Timbre. Das ist definitiv kein Wohlfühlsound, aber einen zum Fallenlassen auf halbleeren Dancefloors, die man mit Imlers Hilfe (und ein paar Drogen) stundenlang nicht verlässt.
Chris Imler – The Internet Will Break My Heart (Fun in the Church)
Vono
Ebenfalls aus Berlin, aber nochmals älter als Chris Imler sind Volker und Norbert Schultze, deren Vornamen andeuten, dass sie einem völlig anderen Jahrhundert entstammen. Angeblich Beteiligte nennen es rückblickend “Achtziger”. Damals hatten die blutsverwandten Keyboarder zwei zeitgenössische Platten produziert, deren New Wave sich der Neuen Deutschen Welle beharrlich widersetzen konnte, eher Nichts als Nena also.
42 Jahre später haben Sie sich ins Studio von Bureau B gesetzt und 13 vergessene Minimal-Tracks von damals nicht nur digitalisiert, sondern maximalisiert. Das Ergebnis von Modern Leben 2025 ist ein fett aufgebrezeltes Modern Leben 1983. Es öffnet Spätgeborenen ein großes Fenster in die vielleicht kreativste Epoche deutschsprachiger Popmusik und könnte schon deshalb 2035 auf jeder Eighties-Party laufen.
Vono – Modern Leben (Bureau B)
bdrmm
Und damit aber endlich mal zu etwas viel Jüngerem, was allerdings auch wiederum frühreif klingt, Tendenz altmodisch, dabei aber durchaus frisch: bdrmm, vier englische Shoegazer, deren gitarrenlastiger Emopop auf ihrer dritten Platte ein bisschen Richtung Alternativepop abschweift, und das ist auch gut so. Stimmlich gehabt cheezy, ist der Sound endlich ein bisschen sperriger, kantiger, bisweilen verschrobener.
Ein wirklich origineller Kontrast, den Stücke wie John on the Ceiling oder Snares mit fast schon breakbeat-beschleunigter, synthiegesättigter, flächig zerfasernder Diskodynamik über Ryan und Jordan Smiths Britpop-Gesang legen, der dadurch zum Glück viel seiner Käsigkeit verliert. Auf Microtonic zeigen bdrmm endgültig, wie gut man sich verändern und dennoch treu bleiben kann.
bdrmm – Microtonic (Rock Action)