Joko & Klaas: Kindsköpfe & Scheitel

Es gab nie einen Plan

Am Samstag steckt der Nikolaus etwas Neues in den Stiefel: Eine Pro7-Show mit Joko & Klaas, in dem sich die großen Jungs Winterscheidt & Heufer-Umlauf mal nicht gegenseitig piesacken, sondern andere. Mein bester Feind ist dabei auch ein Versuch, die zwei Hoffnungen des deutschen Formatfernsehens für die sieche Familienshow jenseits von Raab und Pilawa zu testen. Ein Gespräch über Individualität, Körperlichkeit, Erwachsenwerden und warum sie nicht Wetten, dass…? gemacht haben.

Interview: Jan Freitag

freitagsmedien: Joko, Klaas – ihr zählt zum begehrtesten Personal des deutschen Fernsehens, gerade um junge Zuschauer vom Internet vor den Bildschirm zu kriegen. Zurzeit macht ihr eure Wettkämpfe dafür sogar rund um die Welt auf Pro7 – was kann da eigentlich noch kommen?

Klaas: Ich glaube, nachdem man drei Jahrzehnte in Deutschland gelebt hat, wird es Zeit, darüber hinaus Herausforderungen zu suchen. Und da wird es in jedem Land welche geben. Aber stimmt schon – danach müssen wir langsam mal inhaltlich werden.

Womöglich auch mal getrennt? Ihr seid als Paar förmlich verwachsen – seid ihr als Individuen denkbar?

Klaas: Nicht nur das – wir sind auch als Individuen buchbar; das sollten Interessenten durchaus wissen. Es geht also auch getrennt, aber wir wollen es im Moment nicht anders und sind auch nicht schicksalhaft zueinander geraten, sondern sehr bewusst. Ich fühle mich, als sei ich in einer Band.

Besser Boygroup.

Klaas: Von mir aus auch das.

Joko: Nur ohne Instrumente; ich bin nämlich nicht sonderlich instrumentalisch.

Dafür immer bestens frisiert.

Joko: Selbstverständlich.

Klaas: Es war jedenfalls ein gute Entscheidung, zusammen zu arbeiten. Solange es Spaß macht.

Joko: Es war ja auch eine Entwicklung, die uns zusammengeführt hat, kein Casting..

Klaas: Höchstens ein Reste-Casting.

Joko: Klaas war bei Viva, ich bei MTV, und wir waren so ein Überbleibsel dessen, was mal als Großes und Ganzes im Musikfernsehen geplant war. Die Redaktion von MTV Home hat nach Gemeinsamkeiten im Programm geforscht, die etwas Neues ergeben könnten und ist dabei auf uns gestoßen. Dabei war es zunächst das Format, das uns interessierte, weniger der jeweils andere.

Mittlerweile habt ihr eine sehr körperliche Art der Doppelmoderation entwickelt. Ist für euch überhaupt noch eine ereignislose Gesprächssituation denkbar?

Joko: Absolut. Neo Paradise...

Das Pro7 fast 1:1 als Cirkus Halligalli übernimmt.

Joko: …ist zu 80 Prozent unkörperlich.

Klaas: Es ist, auch wenn ich das nicht gern so nenne, fast eine Late-Night-Situation mit zwei Gästen: viel Gelaber und Atmosphäre. Wenn wir  aus dem Studio kommen, checken wir zwar schon mal die Grenzen des anderen ab, aber auch beim Duell um die Welt werden die Belastungen eher psychischer Natur sein als physischer. Da geht es viel um Perspektiverweiterung. Ich finde es interessant, in Länder zu reisen und Dinge zu entdecken,  von denen ich nicht mal eine Ahnung habe.

Trotzdem ist das Körperliche, der Contest ein Wesensmerkmal eurer Shows. Ist das eine Privatfernsehgeburt oder Teil eurer Persönlichkeiten?

Joko: Weder noch. Es gab nie einen Plan, an dessen Anfang die Frage stand, was für uns beide am Besten funktioniert. Es ist die Mischung aus  Prozess und Veranlagung. Menschen neigen grundsätzlich dazu, sich zu messen, und wir waren die richtigen Kandidaten zur richtigen Zeit, um das fürs Fernsehen kompatibel zu machen. Der Bessere sein zu wollen ist ein Wesensmerkmal des Mediums. Den Gedanken spielen wir jetzt auf Weltebene aus. Da wird man sehen, wer von uns es ist, Klaas.

[Klaas: grinst gelassen]

Das Feuilleton etikettiert diese Art Unterhaltung allerdings nicht als Quintessenz sozialen Miteinanders, sondern als infantilen Quatsch. Seht ihr die Gefahr, eher in der Schiene Elton vs. Simon statt, sagen wir: Roche & Böhmermann festzustecken?

Klaas: Ich glaube, Roche & Böhmermann ist eine klassische Talkshow. Teile daraus gibt es hier und da auch bei uns. Aber wenn man die Vorgabe hat, Show ohne Talk zu machen, sollte man sich nicht an Gesprächsrunden messen. Und ganz ehrlich: wenn man auf irgendwas nicht festgelegt werden will, macht man halt etwas anderes.

Ist das so einfach?

Klaas: Das nicht, zumal ich nicht bestimmen kann, wie es das Publikum findet. Aber wir haben schon eine Verhandlungsposition, in der am Ende ich selbst entscheide, etwas zu tun oder zu lassen. Zur Not, mit der Konsequenz, dass etwas nicht mehr geht. Aber ohne Position zu beziehen, kann man nichts machen, was einem Spaß macht, sondern nur Bedürfnisse befriedigen. Auch wenn es das Publikum womöglich nicht mehr goutiert. Es gibt Schlimmeres, als nicht mehr im Fernsehen zu sein.

Wenn also keiner euer juveniles Konzept sehen will, für etwas Erwachseneres aber die Zuschauerakzeptanz fehlt, würdet ihr die Exit-Option aus dem Fernsehen wählen?

Klaas: Das ist, wie gesagt, eine Frage der Verhandlungsposition, auch mit den Zuschauern. Trotzdem: Wenn nicht, dann nicht. Das Schöne ist doch, dass etwa unsere wöchentliche Sendung in der Regel nicht mehr ist, als eine Ideensammlung der vorangegangenen Woche. Ein Konzept kann ich dahinter noch immer nicht entdecken, das entlastet uns von Erwartungen und gibt uns die Möglichkeit, mit unserer Sendung zu wachsen. Bei 17 Meter folgst du als Moderator der Sendung, bei einer Personalityshow folgt die Sendung uns. Es gibt da keinen Veränderungsdruck.

Joko: Außerdem machen wir noch gar nicht so lange miteinander Fernsehen, sondern erst seit ein paar Jahren. Fühlt sich zwar länger an…

Klaas: Fühlen sich schöne Sachen nicht eher kürzer an? Egal… Und so alt sind wir auch noch nicht, dass man schon abschließende Bewertungen unserer Karrieren vornehmen müsste.

Einen Abschluss hätte die Rettung von Wetten, dass…? werden können.

Klaas: Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen halt selbst Zwerge lange Schatten. Aber mal ehrlich – so eine richtige Diskussion mit dem ZDF  hat darüber nie stattgefunden, und wir können uns natürlich nur auf der Grundlage eines ausgehandelten Konzeptes für eine Sache entscheiden. Weil es das nie gab, stellte sich die Frage, ob wir es machen, auch nie richtig. Obwohl wir uns natürlich geehrt gefühlt haben, dafür überhaupt in Frage zu kommen.

Joko: Man hätte sich auch keinen Gefallen getan, auf Wolke 7 darüber nachzudenken, diese große Show machen zu können. So konkret ist es nie geworden.

Fragen wir also mal hypothetisch: Wärt ihr eher wegen eurer jugendlichen Frische eingekauft worden oder wegen eurer mutmaßlichen Kompetenz?

Klaas: Antworten wir also mal hypothetisch: Wenn man im ZDF-Kosmos jemanden sucht, der relativ jung ist, in seinen eigenen Formaten mit deutschen und internationalen Stars zu tun hat, hier und da auch mal eine Band begrüßt und spielerisch, humorvoll, unterhaltsam, aber eben auch mal ernsthaft an die Sendung herangeht, hätte man schon auf uns stoßen können.

Joko: Jetzt können wir weiter etwas anderes machen. Auch schön oder?

Was macht ihr denn, noch mal hypothetisch, in einem halben Jahr?

Klaas: Ach komm! Das ist nicht hypothetisch, das ist prophetisch. Was machst du in einem halben Jahr?

Ich sitze vermutlich auf demselben Stuhl.

Joko: Wenn wir auch noch sitzen, wo wir es jetzt tun, ist doch alles gut.

Klaas: Wir wären jedenfalls in der undynamischsten Branche, wenn wir das heute schon wüssten.

Joko: Das ist ein bisschen wie bei Zurück in die Zukunft II, wo Michael J. Fox zurück in die Gegenwart kehrt, die ja eigentlich wieder Zukunft ist, in der 400 Sender parallel laufen und man ist einfach einer davon.

Gibt es dann überhaupt noch Fernsehen wie es sich heute präsentiert?

Klaas: Da müssten wir jetzt Kulturgeschichte vorgreifen. Ich glaube, Fernsehen wird sich strukturell verändern, langsamer, als es prognostiziert wird, aber unaufhaltsam. Dennoch wird es in drei Jahren nicht nur TV-Streams auf dem iPad geben, alle liefern nur noch on-demand und Internet ist das neue Fernsehen. Die Gleichzeitigkeit von beiden wird noch eine ganze Weile anhalten. Und grundsätzlich wird auch die Ansprache ans Publikum beibehalten, wenn auch auf einem anderen Plateau.

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