Attwenger, Modest Mouse
Posted: March 20, 2015 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a commentAttwenger
Wenn uncoole Sachen berlinmittetauglich hochgekühlt werden, bedient sich die PR gern großer Kreuzbuchstaben im Namen Schon das bräsig beleumundete Weihnachtsfest wurde so zum fetzigen X-Mas aufgemotzt, nun wanzt sich die ungleich bräsigere Volksmusik als VolXmusik an poppigere Popstile für jüngere Zielgruppen heran. Das ist so billig wie durchschaubar, hat aber zuweilen durchaus seine Berechtigung. Bei Attwenger zum Beispiel. Das Duo aus Linz verbindet ihren alpin grundierten Sound so gekonnt und vielschichtig mit oberösterreichischem Idiom zu einer Art analoger Elektronika, dass das X in der Mitte wirklich mal seine Berechtigung hat. Als Ausrufezeichen.
Auch auf ihrem neuen Album Spot, das wie die meisten der zwölf anderen in fast 25 Jahren auf Dialekt und Englisch gleichermaßen eine Bedeutung hat, kennzeichnet es nämlich 23 Stücke, die den ganzen Aberwitz von Attwenger zeigen. Markus Binder (Schlagzeug) und Hans-Peter Falkner (Akkordeon) machen aus dem, was in Restbeständen tatsächlich volksmusikalisch daherkommt, auch diesmal 23 Stücke, die wie kleine Erzählbände über den Clash der Moderne im traditionellen Umfeld berichten. Da wird Glenn Miller zu Brass Banda, REM zu Hubert von Goisern und Hans Moser bleibt manchmal einfach Hans Moser, unterhält sich dabei aber mit japanischen Touristen in Wien. Das ist in aller Kürze – kein Track länger als 2:43 – nicht immer was für Intellektuelle, aber schlichtweg brillant, mit doppelt großem XXX und drei Ausrufezeichen hintendran.
Attwenger – Spot (Trikont)
Modest Mouse
Mindestens ein Ausrufezeichen mehr, aber kein überflüssiges X kriegt die neue Platte von Modest Mouse – schon, weil die Wartezeit von nahezu acht Jahren so ungeheuer lang und damit furchtbar war. Wenn Issac Brock dann aber nach einem gemächlichen Opener sein grandios übersteuertes, empathisch aufgeregtes, oft etwas hibbeliges, aber stets wohltemperiertes Vokalfeuerwerk über Lampshades On Fire kippt, ist alles wieder gut. Dann hatte das Warten einen Sinn und eine der besten Bands Amerikas ist wieder mitten im Herzen des gediegenen Indierocks gelandet. Und im Herzen der Hörer, das vor allem.
Mit Bläsern, Percussion, Extra-Drums ist da einstige Trio aus dem Nordwesteck Washington mittlerweile zum Sextett angewachsen, aber die Alternativehymnen aus Brocks Feder haben ja auch schon symphonisch geklungen, als er noch mit Jeremiah Green und John Wickart allein auf der Bühne stand. Und die erweiterte Besetzung macht die alte Klangfülle gut 20 Jahre später nur noch gehaltvoller. In den besten Momenten klingt das dann, als hätten sich Grand Buffet und Ween zur Superband niveauvollen Irrsinns zusammengetan. Selbst in den weniger hinreißenden Augenblicken aber bleibt Strangers To Ourselves ganz einfach Modest Mouse, wie es nicht nur Fans viel zu lange missen mussten. Ob sie damit wieder die Billboard-Charts stürmen wie 2007 sei mal dahingestellt; Platz 1 der Wiedersehensfreude ist aber garantiert.
Modest Mouse – Strangers To Ourselves (Epic)