Das Dienstagsgeheimnis
Posted: October 20, 2015 | Author: Jan Freitag | Filed under: 2 dienstagsmarthe |Leave a comment
Stuhlgangdrangkontrollwahn
Das Leben besteht nicht nur aus Action, sondern auch aus reichlich Alltag. Die Notdurft zum Beispiel. Komisch, dass sie am Bildschirm dennoch so selten verrichtet wird.
Ob Vince Vega Schuld ist, dass die gemeine Notdurft in Film & Fernsehen so selten zu sehen ist? Profaner Stuhlgang war fiktional jedenfalls selten zuvor (und danach) so fatal wie für den sympathischen Killer, den Quentin Tarantino in Pulp Fiction einst beim „Kacken“, wie John Travolta gesagt hätte, vom Klo schießen ließ. Fast scheint es, als sei sein erbärmlicher Abort-Abgang eine Art self fulfilling profecy für fiktionale Formate insgesamt, wie böse es enden kann, wenn man Stuhlgang und ähnliche Ausscheidungsprozesse nicht wie üblich dezent von Bildschirm und Leinwand verbannt.
Dass dies bis auf Ausnahmen ansonsten der Fall ist, hat viel mit Rücksichtnahme aufs zivilisationsbedingte Tabu sichtbarer Exkremente zu tun, die als Requisite selbst im sittengelassenen Sexshop nur verstohlene Ecken ausstatten. Schließlich bedarf es bei so anrüchigen Szenen nicht mal des viel gepriesenen Geruchsfernsehens, um förmlich aus dem Flatscreen zu stinken, und wer will so was schon haben im Wohnzimmer. Dass Darsteller ihr Geschäft eher abseits der Kamera verrichten, ist aber auch – kein Scherz – eine Frage der Technik. Selbst geräumige Bäder sind nämlich schlichtweg meist zu klein für vielköpfige Drehteams und ihr Equipment.
Das ist auch der Grund, warum weit weniger pikantes Toilettengebaren von Zahn- bis Bartpflege im Verhältnis zu jener Zeit, die täglich darauf verwendet wird, fiktional strukturell unsichtbar bleibt. Und es ist der Grund, warum Vince Vegas elendiger Tod aus der Flucht eines langen Flurs gefilmt wurde. Wie ein Fanal: Zu eng hier drin, war nur ein Versucht, bitte nicht wiederholen!