Das Dienstagsgeheimnis
Posted: December 15, 2015 | Author: Jan Freitag | Filed under: 2 dienstagsmarthe |Leave a comment
Durschnittsheldenextremgefährt
Ganz gleich, ob in Deutschland oder der großen, weiten Welt – fiktionale Film und Fernsehfiguren werden chronisch durch ungewöhnliche Oldtimer oder anderweitig verrückte Autos aufgehellt. Angesichts der breiten Masse stinknormaler Gebrauchsfahrzeuge ist das mindestens: Merkwürdig
Früher, als die Bilder noch schwarzweiß liefen, waren Pferdestärken nach Schicht verteilt: der Pöbel fuhr Käfer, der Bonze Benz und auch andernorts variierten die Vehikel strikt zwischen dick für oben und dünn für unten. Dann aber, in den materialistischen Eighties, raste ein Bulle namens Crockett im eigenen Ferrari durch Miami und die Regeln klassenspezifischer Motorisierung schienen außer Kraft gesetzt. Mit dem Ergebnis, dass Pkw nun kein authentizitätsstiftendes Requisit mehr sind, sondern Distinktionsmerkmal schlechthin. Mit den absurdesten Folgen.
Denn wer sich durchs Regelprogramm herkömmlicher Kanäle zappt, stößt unentwegt auf Figuren von göttlichen Medizinern bis fidelen Nonnen, von spät verliebten Sekretärinnen bis früh vergreisten Witwern, die ihre Bürgerlichkeit mit total krassen Kisten aufmöbeln. Da parken gewienerte Oldtimer mit Quietschlackierung vor der Reihenhaussiedlung, als drehe die Degeto nur in Beverly Hills, wo es doch meist Suhl ist oder Südschweden. Seltsam. Aber nachvollziehbar.
Denn während Charaktere und Storys handelsüblicher Schmonzetten den Glanz einer Schrankwand in rustikaler Eiche versprühen, konterkarieren Requisiteure die dramaturgische Tristesse besonders in den Auto-Nationen BRD und USA gern mit exaltierten Kraftwagen. Nur Sonnys Testarossa in Miami Vice – der wäre deutschen Produzenten dann doch zu drüber; da fährt Christine Neubauer doch bloß Mini in Pink mit Rennstreifen. Crazy Biedermeier.