Maja Maranow (1961 – 2016): Leben & Filmtod

MaranowIch habe Angst vorm Verfall

Vergangene Woche ist die Schauspielerin Maja Maranow (Foto: Katja Knoke/ZDF) mit nur 54 Jahren gestorben. Freitagsmedien dokumentieren daher ein Gespräch von 2008, das sich – ausgerechnet – mit einem Film zum Thema Sterbehilfe befasst. Im ZDF-Drama Zeit zum Leben spielte das langjährige Ensemblemitglied von Dieter Wedels opulenten Gesellschaftsmehrteilern damals die Tochter lebensmüder Eltern. Ein Interview als Nachruf.

Interview Jan Freitag

freitagsmedien: Frau Maranow, haben Sie ein positives Verhältnis zum Tod?

Maja Maranow: Früher, so mit Mitte Zwanzig habe ich mal versucht, mich mit ihm anzufreunden. Jeder kennt ja dieses Gefühl von Einsamkeit, wenn man um vier Uhr nachts glockenwach ist und spürt: du bist endlich. Als ich da Bilder vor mir sah, durch meine hinterlassene Wohnung würden trauernde Menschen gehen und Dinge von mir zusammentragen, hatte ich ein Bedürfnis, Ordnung im Haus zu schaffen, falls der Fall eintritt. Deshalb habe ich auch vor zwei Jahren mein Testament gemacht, um es den Hinterbliebenen leichter zu machen. Schließlich kann es einen früher erwischen als man glaubt. Denn was bleibt am Ende vom Leben: Ein paar Kisten, ein paar Klamotten, ein paar Bücher, ein paar Unterlagen und Bilder.

War dieses Nachsinnen bei Ihnen damals die Folge eines Trauerfalls?

Ja, ein Selbstmord. Und da stellt man sich die Frage, wie verzweifelt jemand sein muss, um freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Aber die Beschäftigung damit ist sehr befreiend.

Weil der Umgang mit dem Tod hierzulande zu verkrampft ist?

Ich glaube schon. Auch Krankheit und Alter sind nach wie vor nicht recht salonfähig. In Brasilien war ich mal in einem knallbunten Sarggeschäft. Bei uns wäre es eher trist, aber da war alles hellblau und rosa und glänzend und diese schrillen Särge standen auch noch einladend aufgeklappt an der Wand. Das hat da einen ähnlichen Stellenwert wie Hochzeit und Geburt.

Dazu gehört aber auch ein gewisser Jenseitsglauben.

Schon, aber ich weiß auch nicht, was das Sterben ohne dieses Denken bei uns so schlimm macht – die Ungewissheit oder die Gewissheit, es kommt nichts mehr? Ich beneide ja Leute, die sagen, danach ist Schluss, das Leben ist alles, danach folgt ein traumloser Schlaf. Ich habe mal eine Dokumentation gesehen, wo zwei Frauen in einem Hospiz interviewt wurden. Eine war tiefreligiös und war völlig gelassen, weil sie wusste: ich gehe zum Herrn in den Himmel. Die andere, die Zweiflerin, war von Ängsten gebeutelt. Da dachte ich: Ich wär gerne gläubig.

Rührt unser Umgang mit Sterbehilfe – abgesehen vom historischen Ballast der Euthanasie – auch von einer atheistischen Überbewertung des Lebens her?

Absolut. Und deshalb schiebt man den Tod insgesamt beiseite. Dabei finde ich es zum Beispiel sehr tröstlich, zuhause aufgebahrt zu werden. Pathologie wird bei uns durch Kühlfächer symbolisiert. Bei meiner Großmutter hatte ich eine offene Sargbegleitung und werde nie die Überwindung vergessen, die Leiche zu berühren, als erwarte ich plötzlich eine Wiederbelebung aus dem Horrorfilm.

Würde eine Debatte über humanes Sterben unseren Umgang damit verändern?

Natürlich, zumal ja niemand ernstlich einem Professor Hackethal vorwerfen wird, er verfolge nationalsozialistische Ziele. Aber ich finde diese Diskussion trotzdem ungeheuer schwierig, wie schwierig, war mir vor dem Film gar nicht bewusst, weil ich sie bis dahin kaum geführt hatte. Es gibt einfach mehr Haltungen als Optionen, um Missbrauch zu vermeiden, und so viele Argumente dagegen, die ich absolut verstehen kann. Die Aufkündigung der Solidarität mit Kranken, Schwachen, Leidenden. Dass sich Patienten vor die Wahl gestellt unter Druck gesetzt fühlen, die Gesellschaft oder ihre Familie zu entlasten. Darf man schwerstbehinderte Neugeborene oder Demenzkranke töten?

Unsere Gesellschaft krankt auch daran, nicht mit Nutzlosigkeit umgehen zu können.

Wir frönen dem Jugendwahn, das Alter ist unproduktiv, all so was. Früher hätten wir der Natur häufiger ihren Lauf gelassen, als sie medizinisch zu beeinflussen, was jetzt auf allen Ebenen passiert. Früher gab es aber auch intakte Familienverbände, in denen alle Generationen für einander gesorgt haben.

Sind Sie eher für eine Liberalisierung oder für Restriktionen?

Wichtig finde ich den Ausbau von Palliativmedizin, denn einem Mensch, der solche Schmerzen hat, dass er kaum noch atmen kann zu sagen, er solle am Leben bleiben, brächte ich nicht übers Herz. Aber ich möchte mir nicht anmaßen, die Grenzfälle zu beurteilen.

Ihr Film zeigt beide Fälle: den Mann, der mit einer fatalen Krebsdiagnose klaren Verstandes beschließt, sterben zu wollen. Die Frau, die „nur“ ein Bein verliert.

Und dann erfährt man sogar von einer falschen Diagnose. Depressive Menschen sollten jedenfalls keine Sterbehilfe erhalten. Aber dein Leben zu beenden mit einem Menschen, den man liebt, kann eine große Verlockung sein und hat etwas sehr Romantisches.

Wie würden Sie reagieren, wenn sich Ihre Eltern so entscheiden würden.

Da kann man nur spekulieren. Hängt davon ab, wie man mit den Eltern darüber reden kann. Wenn man spürt, dass die Entscheidung gefallen ist, muss es den Hinterbleibenden darum gehen, es den Sterbewilligen so leicht wie möglich zu machen.

Ist Zeit zu leben ein Sterbehilfefilm oder nutzt er das Thema nur als Vehikel für ein Familiendrama?

Sterbehilfe ist darin nur ein Anstoß, sich mit dem Thema zu befassen. Mehr nicht. Aber er gibt den Zuschauern die Möglichkeit, ein paar lose Enden zusammenzufügen und macht neugierig. Hauptsache, es lässt sie nicht gleichgültig. Was ich an dem Film mag, ist aber eher, dass er damit so unsentimental umgeht. Mir reicht das aus. Die Umsetzung ist ja nicht populistisch, schon weil keine Stellung bezogen wird. Wer das Thema ethisch hinterfragen will, sollte eine Dokumentation drehen.

Käme es für Sie infrage, so einem Sterbehilfeverein beizutreten?

An gesunden Tagen, in meinem Alter? Nein. Aber je mehr man sich damit befasst, mit dem Altern… Im Moment ist mir die Vorstellung einfach zu gruselig. Auch die, dass Menschen über alles Kontrolle haben wollen, Medizin, Technik, Leben, jetzt auch noch das Sterben. Kontrollverlust ist unserer Gesellschaft offenbar der größte Graus.

Haben Sie Angst vor dem Altern?

Tja, die Zeit rast. Plötzlich trifft man beim Drehen einen Kollegen, der vor ein paar Jahren deinen kleinen Sohn gespielt hat. Da merkt man es und das fühlt sich nicht immer gut an. Und in gewisser Weise habe auch ich Angst vor Verfall. Und vor der Nutzlosigkeit.

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