Blockbustaz: Pfandkinder & Ghettoklischees
Posted: March 23, 2016 Filed under: 3 mittwochsporträt Leave a comment
Online goes offline
Dramaturgisch ist die günstig produzierte ZDFneo-Serie Blockbustaz um einen Großstadtloser im Plattenbau nicht weiter der Rede wert, steht aber für einen Trend im Fernsehen: Alte und neue Medien gehen immer öfter seltsame Allianzen ein, von denen alle profitieren. Vermeintlich.
Von Jan Freitag
Fernsehen ist auch nicht mehr, was es mal war. Statt an den Lagerfeuern von Witta Pohl über Gottschalk bis Waldemar Hartmann vor sich hin zu köcheln, wird es von Durchlauferhitzern wie Joko und Klaas auf zappelnder Flamme weichgekocht. Wo einst Grundig-Röhren grobkörnig flimmerten, surren Flat-, Second-, Splitscreens nun schärfer als die Realität. Und dann tummeln sich dort auch noch Gestalten wie Joyce Ilg: niedlich, neu, also Terabytes entfernt vom Leitmedium früherer Tage und doch genau darin äußerst präsent.
Nach ersten Soap-Ausflügen anno 2005, gefolgt vom vollen Weichspülprogramm zwischen Kochshow, Wok-WM und Markus Lanz, ist die freche Kölnerin mit den tollen Locken jetzt Teil einer Serie an der Grenze vom altem zum neuen Medium. Sie heißt „Blockbustaz“, erzählt den Alltag dreier Plattenbaugewächse in der Heimat von Joyce Ilg, die sich darin mit ihrem arbeitsscheuen Freund samt kiffendem Kumpel herumplagt und gewann 2014 das Onlinevoting des TVLab von ZDFneo.
Ab Dienstag geht es mit einem Personal in Serie, das nicht recht ins Regelprogramm passt. Da wäre Sascha Reimann, als Ferric MC ein Großer im hiesigen HipHop, der bereits zwei Tatorte hinter sich hat und damit weit mehr Dreherfahrung als der berufsjugendliche Rapper Eko Fresh aus Joyce Ilgs Nachbarschaft, die ebenfalls woanders hingehört. Zu Facebook nämlich, wo ihr Kanal mit leidlich lustigen Streetcomedyclips 1,1 Millionen Abonnenten zählt, mehr als ARD, ZDF, RTL und Sat1 zusammen.
Da das schauspielerische Talent der drei Hauptdarsteller mangels Ausbildung und ausreichender Praxis limitiert ist, muss es also einen anderen Grund geben, sie aus der Freiheit ihrer Biotope in den Käfig fester Sendezeiten zu locken. Er lautet: Crossmedia – der Versuch, digitale und analoge Plattformen zum Vorteil aller zu vernetzen. Gerade das ZDF ist mit seinem Zuschauerschnitt oberhalb der 60 Jahre zwingend darauf angewiesen, sein künftiges Publikum dort zu finden, wo es die meiste Zeit verbringt: Im Netz, wo ab Herbst auch der öffentlich-rechtliche Jugendkanal seinen Platz haben wird.
Hier sucht das siechende Leitmedium seit drei Jahren abgesehen von der branchenüblichen Homepage auch fiktional sein crossmediales Heil. Damals ging die interaktive Arte-Serie „About:Kate“ um ein eine multimedial gestresste Berlinerin zugleich als App auf Sendung. Doch während es dafür Lob und Clicks hagelte, ging die Millionärswahl kurze Zeit später auf Pro7 baden, als das Finale des karitativen Castings online versendet werden musste, so mies waren Niveau und Quoten. Womit bewiesen wäre: Internet und Fernsehen mögen sich immer besser ergänzen; ein Liebespaar sind sie bislang nicht.
Beispiele wie Joyce Ilg zeigen allerdings, dass die Grenze durchlässiger wird. Den Anfang machte vor zehn Jahren Katrin Bauerfeind, als die Moderatorin dank hinreißender Auftritte im fabelhaften Netzmagazin Ehrensenf über 3sat zu Film und Fernsehen wechselte, wo sie zum Star gereift ist. Während ihr Weg ins Analoge allerdings qualitativ begründet war, ist es bei überdrehten Clickmillionären von BarbieLovesLipsticks bis LeFloid eher reine Quantität, die Gastauftritte bei GZSZ oder eigene Gamingshows auf EinsPlus rechtfertigt.
Und so wie sich der vorjährige Kanzlerinnen-Interviewer über die gebührenfinanzierte Sendezeit mit Querverwertung im eigenen Youtube-Kanal freut, dürften Joyce Ilg und Eko Fresh über gut bezahlte ZDF-Werbung freuen, die auf ihre Hauptkarrieren abstrahlt. Verstärkt wird sie durch Gaststars wie Moritz Bleibtreu und Jürgen Drews, die ihrerseits vom Auftritt in der drolligen, oft lustigen, insgesamt aber doch arg klischeebeladenen Geschichte um einen urbanen Loser zwischen Faulheitsstolz und HipHop-Karriere profitieren. Ob es wirklich für alle nur zum Lachen ist, wenn ein Spielsüchtiger dabei sein Kleinkind als Pfand fürs Bier hinterlegt, das später im Haschdunst des Onkels Ballermannfernsehen glotzt, sei mal dahingestellt. Aber Humor ist heute ohnehin, wenn das Internet lacht. Und das ist bekanntlich leicht zu erheitern.