Deerhoof, Throws, .Klein, Rick Astley
Posted: June 24, 2016 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a comment
Deerhoof
Nein, geschmeidig klangen Deerhoof noch nie in ihrer episch langen Bandgeschichte. Seit sich Rob Fisk und Greg Saunier 1994 vereinigten, lag da immer ein dekonstruktivistisches Scheißegal überm Indierock, der mit Noise noch harmonisch umschrieben wäre. Zugleich jedoch verströmte das erste Dutzend Platten zwischen all den windschiefen Gitarrenriff-Karikaturen und implodierenden Beatgewittern oft eine Anmut, als wollten sie gefällige Liebeslieder schreiben, seien aber leider grad voll des Hasses für ihre Angebeteten. Das lag an der Bassistin Satomi Matsuzaki, die das Soundchaos über Sauniers abstrusen Drums entrückter, fragiler, rissiger sang. Schwer zu glauben also, dass der Widerspruch noch wachsen könnte. Aber er kann.
Das neue Album The Magic ist ein so hinreißendes Durcheinander, dass Lieder darin eigentlich kaum noch auszumachen sind – einfach weil jedes Fragment der tausendteiligen Songstrukturen für sich genommen schöner, reichhaltiger, grandioser ist als so manche Rockhymne, die ernster gemeint ist, jedenfalls ernster auf Hörbarkeit getrimmt. Ein prima Beispiel ist das Track-Doppel in der Mitte, nach dem Garagenbeachpunkgeschrammel Dispossessor flötet Matsukaki das anschließend dahinplötternde I Don’t Want to Set the World on Fire fast unbegleitet in Höhen, wo sie nicht hinsingen kann, was ihr aber herzlich egal ist. Liebe muss so schön sein, wenn sie den ganzen Emokram mal weglässt…
Deerhoof – The Magig (Altin Village & Mine)
Throws
In den ewigen Weiten dessen, was vor Urzeiten mal Weltmusik hieß, ist Sam Genders ein Magier des lässigen Grenzgangs. Mit Tunng digitalisierte der Brite einst den Ethnosound nordischer Prägung von London aus zur Folktronica. Später erweiterten seine Diagrams das Genre um Beats und Bläsersamples zum Artpop. Nun hat er seinen ausgewanderten Tunng-Kumpel Mike Lindsay in Reykjavík besucht und dort etwas ungemein Erfrischendes entdeckt: den gepflegten Unsinn. Auch ihr gemeinsames Projekt Throws wird vom tiefenentspannt souligen Falsett ihres singenden Songwriters geprägt; dazwischen aber sprudeln die irrsten Ideen aus dem gleichnamigen Debütalbum.
Das herrlich überdrehte Schlagzeug des isländischen Trommelderwischs Magnús Trygvason Eliassen zum Beispiel oder die Synthesizer eines Landsmanns, der im Studio nebenan gerade zufällig sein Talent zur pittoresken Disharmonie durchhören ließ und einfach mal ad hoc ins Demotaperecording gebeten wurde. Wenn in Stücke wie Play The Past eine verstimmte Ricky-King-Gitarre unters plätschernde Alleinunterhalterorgelambiente perlt, klingt das zwar zuweilen leicht nach Phil Collins in Bermudashorts. Aber es klingt eben fantastisch. Und die Videos dazu – deluxe!
Throws – Throws (Full Time Hobby)
.Klein
Musikalische Referenzen sind meist eine recht ambivalente Angelegenheit. In Form von Coverversionen können sie das Original zum Beispiel billig kopieren oder es kreativ auf die Spitze treiben, als Sample stumpf die Erfolgspfade anderer austrampeln oder aber eigene Felder fruchtbar machen. Wer die Anleihe ans Bestehende mit wirklich echter, glaubhafter Hingabe verwaltet, formt daraus dann durchaus mehr als Plagiate. Hingabe ist es auch, die den Multiinstrumentalisten Lutz Nikolaus Kratzer antreibt, um aus existierenden Sounds ein Album wie Bengal Sparks zu filtern.
Stilistisch fröhlich inkonsequent legt der Hamburger darauf unter dem Namen .KLEIN seine Funkschleifen über Streichersequenzen und garniert sie mit Hip-Hop, Americana, Indietronic, was immer aus ihm heraus sprudelt. Auch auf seinem dritten Album kann es da passieren, dass Rihanna nach Cake klingt wie im furiosen Nicotin Princess. Oder dass Präriegras durch den New Yorker Underground weht, wenn er für Low Rider den Irrsinn der Beastie Boys schreddert. Im anschließenden Track Pancake Man entsteht gar der Eindruck, Pfannkuchenmänner könnten Banjo spielen. Groß denken, .KLEIN heißen – hinreißender kann man sich kaum bei anderen bedienen.
.Klein – Bengal Sparks
Hype der Woche
Rick Astley
Es gibt da eine Legende im Musikzirkus: Wer eine LP von Jason Donovan auf 45 laufen ließ, bekam Kylie Minogue zu hören, was umgekehrt galt, wenn man die auf Single auf 33 drosselte. Alles ein Brei, den die späten Achtziger als Dancepop servierten. Was jedoch bei entstellter Geschwindigkeit aus Rick Astley geworden wäre, ist nicht überliefert. Wer auch immer sich 1987 sein Debütalbum Whenever You Need Somebody nebst zugehöriger 7# Never Gonna Give You Up gekauft hat, hat exakt einmal reingehört und dann beides in den Müll geworfen, so strunzblöde klang das Vinyl ohne Ricks Tanzschritte und viel buntem Likör intus. Man muss das wissen, wenn der Fastschotte nun sein Comeback feiert. Denn natürlich ist die Platte mit seiner Altersangabe 50 im Titel gereift. Natürlich steckt da Altherrensoulpopt drin, gepaart mit Lebensweisen, was er alles richtig oder falsch gemacht hat. So what? Will man das von jemandem hören, der einem im Idealfall scheißegal war, meist aber eher peinlich? Kann man, weil sein gepresstes Stimmdunkel nun altersgemäß angenehm klingt und der Sound ringsum versiert. Muss man aber auch nicht, dafür gibt es schon genug baugleiche Expopstars, die schon immer ganz gut klangen.
http://www.vevo.com/watch/rick-astley/Keep-Singing/DESW31600015