R. Seelmann-Eggebert: Königreich & Republik

seelmannMich fasziniert die Kontinuität

Sein halbes Leben lang kümmert sich Rolf Seelmann-Eggebert (Foto@NDR) um die Königshäuser der Welt. Das hat dem gebürtigen Berliner aus Hamburg mit Wohnsitz Wendland den Ruf eines Regenbogen-Reporters und Royalisten eingebracht. Andererseits versteht kein Journalist in Deutschland mehr vom globalen Adel und was er unserer Gegenwart noch zu sagen hat. Und die Monarchie will der NDR-Experte auch nicht zurück. Ein älteres Interview zum 80. Geburtstag über die Bedeutung der Monarchie in demokratischer Zeit und warum er die Queen zwar oft getroffen, aber nie interviewt hat.

Von Jan Freitag

Herr Seelmann-Eggebert, sind Sie eigentlich Monarchist?

Rolf Seelmann-Eggebert: Sicher nicht in dem Sinne, dass ich für eine Wiedereinführung der Monarchie in Deutschland wäre. Ich finde, dass wir besonders gut gefahren sind mit unserer Verfassung seit 1945 und unseren Bundespräsidenten. Ich stehe aber auf dem Standpunkt, dass wir Deutsche denjenigen in Europa, die noch Monarchien haben, keine Vorschriften machen sollten. Wenn ein Land 1000 Jahre Monarchie auf dem Rücken hat und die Bevölkerung zustimmt – die Zustimmung liegt im Schnitt zwischen 70 und 90 Prozent –, haben wir besonders als Deutsche keine Veranlassung, ihnen ihre Monarchie madig zu machen.

Gerade gute Republikaner, wie Sie mal sagten, sollten das nicht tun. Warum?

Weil sich die politischen Sinne überhaupt nicht unterscheiden. Es handelt sich bei allen europäischen Königshäusern um Vorbild-Demokratien, Großbritannien zum Beispiel ist nach wie vor ein großes Vorbild für alle möglichen Republiken. Der kleine Unterschied besteht nur darin, dass das Staatsoberhaupt in einem Fall eine Krone trägt und im anderen gewählt ist.

Wäre ihnen so gesehen eine Queen Elizabeth II. als Staatsoberhaupt lieber als sagen wir Heinrich Lübke?

Ganz sicher nicht. Ich war mit unseren Bundespräsidenten sehr zufrieden, insbesondere mit Heinrich Lübke, den ich als Afrika-Korrespondent sehr gut kennen gelernt habe und der in Afrika sehr viel populärer war als hier, weil er alt war, erfahren und was von Landwirtschaft verstand.

Es gibt für Sie also keine Sehnsüchte nach der Vergangenheit.

Keine.

Muss man Monarchien als guter Republikaner nicht als Show qualifizieren und ablehnen, sobald sie politischen Einfluss haben?

Das hat allenfalls etwas mit dem System zu tun. Dass ein König in Europa irgendwelchen Einfluss hätte, müssen Sie mir erst noch zeigen. Das zeichnet die heutigen Königshäuser aus meiner Perspektive aus, nämlich wunderbar in die Leistungsgesellschaft zu passen. Wenn sie nichts leisten, wissen Sie sehr genau, keine Überlebenschancen zu haben. Das macht die Sache besonders schwer, denn sie können sich nicht wie Generationen zuvor zurücklehnen und den lieben Gott ’n guten Mann sein lassen. Sie wissen alle, dass es heute keiner blutigen Revolutionen mehr bedarf, sie abzulösen, sondern durch einen Federstrich eines Parlaments passieren kann. Insofern hat sich die Situation total verändert. Königlicher Missbrauch der Position ist nicht mehr möglich.

Die Queen nimmt doch durchaus politisch Einfluss.

Der Einfluss ist von Land zu Land durchaus unterschiedlich. Es ist nur so, dass keiner mehr eingreifen kann in die Geschicke des Landes. Und selbst, wenn noch die Befugnis besteht, beispielsweise die Regierung zu berufen, geschieht dies allenfalls proforma, denn dahinter steht immer die Empfehlung des Parlaments. Keiner kann da noch Einfluss nehmen mit Ausnahme von Juan Carlos nach dem Putsch, als der den Soldaten sagte, zurück in die Kasernen.

Sollte das öffentlich-rechtliche Fernsehen einer Republik wie der deutschen nicht distanziert mit dem Thema Monarchie umgehen?

Nein.

Gibt es das Direktiven oder Leitlinien?

(Lacht) Mir wären die nicht bekannt und ich bin auch nicht mehr Mitglied eines solchen Senders. Ich habe die Königshäuser nur Ende der 70er-Jahre unter dem Aspekt entdeckt, dass das deutsche Publikum keine Ahnung von ihnen hatte, und festgestellt, dass was in deutschen Zeitungen über Königshäuser stand, größtenteils Unsinn war und sich an längst überholten herrschaftlichen Perspektiven orientierte. Mittlerweile sind die Königshäuser als Medienthema ein wenig verkommen, weil sich jeder bei ihnen bedient und zwar überwiegend als Unterhaltungsobjekte.

Erfreuen sich aber steigender Beliebtheit. Selbst Beerdigungen werden übertragen, die Hochzeit des spanischen Kronprinzen verfolgten über eine Milliarde Zuschauer und damit doppelt soviel als ihr erster Einsatz bei Charles und Diana.

Also zunächst mal hat das Fernsehen technisch ein paar Fortschritte gemacht seit 1981, es ist etwa weiter empfangbar als früher. Im Übrigen muss man mit solchen Zahlen umgehen.

Was fasziniert das Publikum so an Königshäusern?

Abgesehen von Glanz und Gloria, die ja in Monarchien etwas größer geschrieben als in Republiken, ist es die Kontinuität. Ein Prinz wird geboren und mit ihm gibt es in aller Welt Generationen von Kindern und beide werden älter und es gibt diesen Bezugspunkt zu einer Person in diesem Königshaus für den Rest eines Lebens. Jemand wie ich erinnert sich also daran, dass es in England eine Lilibeth gab, die etwas früher Königin wurde als erwartet und die hat man begleitet. Mir und Ihnen fallen wahrscheinlich nur wenige Personen ein, von denen man das noch behaupten könnte.

Und warum ist das so?

Die Verfallszeit von Politikern, Sportlern, Musikern, Schauspielern ist kurz geworden. Gerade hat man sich an einen Bundespräsidenten, da ist er schon wieder weg, weil nur eine Wiederwahl möglich ist. Ich denke, dass sich die Menschen nach etwas mehr Kontinuität sehnen. Zu der Zeit, als ich mich noch gar nicht für Königshäuser interessierte, gab es etwa einen Clark Gable oder Erol Flynn. Hollywood war ein verlässlicher Partner und Rita Hayworth kannte ich doch auch schon 20 Jahre – das alles ist ganz anders geworden. An der Stelle spielen die regierenden Häuser der Welt eine besondere Rolle. Natürlich sehnen sich die Leute auch nach Vorbildern, aber das ist ja so eine Sache, die man nicht unbedingt in Königshäusern entdeckt.

Die sind ja auch von Skandalen und Zerfallsprozessen gekennzeichnet.

Das ist nur eine gegenläufige Entwicklung zur Vorbildfunktion, nicht zur Kontinuität. Die ist weiterhin gewahrt, sie sind ja weiter da und spielen ihr Leben. Und wenn Harry in einem Stripclub gesichtet wird, ist das halt so. Das ist der Tribut, den die Königshäuser daran entrichten, dass sie sich so sehr an bürgerlichen Maßstäben orientieren. Ein Haus, dass so weiterzuleben versucht wie im 19. Jahrhundert oder meinetwegen auch im 20. und da stehen bleibt, wird nicht mehr lange existieren. Die haben sich darauf eingerichtet, mit der Zeit zu gehen und haben das große Problem, wie jedermann, der Zeit nicht vorauszueilen, um nicht rückschrittlich zu wirken und die alten Zöpfe zu pflegen. Diese Balance zu halten, ist sehr schwierig, und das habe ich im Film mit der Trauerwoche nach dem Tod Dianas beschrieben, als die Queen große Probleme hatte, noch die Kurve zu kriegen und zu sagen: das Volk will, also muss ich.

Protokolländerung auf Wunsch des Volkes.

Das Volk hat gesagt, die Königin muss in solch einer Stunde der nationalen Trauer in London sein und sie muss mehr als ein Begräbnis haben und die Fahne auf dem Buckingham Palast muss auf Halbmast stehen und es kann nicht sein, das Begräbnis einer solchen Frau zu privatisieren. Die Königin hat’s getan. Insofern hat sich viel geändert.

Öffnet sich der Adel dadurch auch den Wünschen des Boulevards?

Ich glaube nicht, dass die deutsche Presse einen nennenswerten Einfluss auf das britische Königshaus hat. Aber die britische Presse hat sicherlich einen gewissen Einfluss, als die Kommentare – eher Times und Guardian als Sun und Daily Express – durchaus gelesen werden. Da wird natürlich geredet über die Zukunft der Monarchie und wenn die durch irgendwelche Verhaltensweisen gefährdet ist, kann man sich darauf verlassen, dass die Königshäuser darauf eingehen.

Als Bestandsschutz.

Natürlich. Dass irgendein Haus versucht, seine Zukunft im Elfenbeinturm zu finden, habe ich noch nirgendwo entdeckt. Sie gucken nach rechts, nach links, nach vorn und hinten. Sie sind nicht sonderlich aufgeschlossen der Presse gegenüber, weil sie wissen, wie gefährlich das für sie ist. Aber sie sind heutzutage viel besser ausgerüstet was die Behandlung der Presse durch geschulte Leute angeht. Im Buckingham Palast gab es früher einen Pressesprecher; heute sind es ungefähr 20 Leute in der Presseabteilung.

Wie sehnen sich die Boulevard-Medien auf der einen Seite und das Publikum auf der anderen gerade in Zeiten der Krise eher in königliche Märchenwelten hinein als gegen sie aufzubegehren?

Man liebt in schlechten Zeiten einfach den Glanz, der einen das eigene Jammertal verschönt. Wobei das Jammertal in Deutschland relativ ist. Ein echter Neidfaktor spielt gerade hier keine Rolle, weil es niemanden gibt, den wir da abzusägen hätten. Die, die 1918 abgesägt wurden, haben nie versucht zurückzukehren. Insgesamt gibt es einfach keinerlei Anlässe, Revolutionen auszurufen um Königshäuser zu stürzen. Es ist ein Irrglaube, gestützt durch die Yellow-Press, dass es sich bei den Königshäusern um die großen reichen Familien dieser Welt handelt. Absoluter Unsinn. Seien Sie versichert: ein Volk, dass ein Königshaus stürzen möchte, hätte es geschafft. Dafür gab es in Europa gute Beispiele und heute gibt es eben kein Haus mehr, das dafür noch die nötige Angriffsfläche böte. Im Gegenteil. Selbst die statistisch gesehen meist nur drei, vier Prozent, die aktiv daran interessiert wären, räumen ein, gegen die Monarchie zu sein, aber nicht gegen die Angehörigen der aktuellen Familie.

Man darf sie nicht mehr überschätzen.

Selbstverständlich nicht. Und sie überschätzen sich vor allem selbst nicht mehr. Sie fragen sich die ganze Zeit, welche Funktion sie denn noch haben, gerade angesichts der Entwicklung in der EU, wenn es irgendwann einen einheitlichen Präsidenten gibt und sie spielen da keine Rolle mehr.

Die Regenbogenpresse ist an solchen Aspekten nicht interessiert. Was unterscheidet sie von der Berichterstattung im Fernsehen.

Im Fernsehen ist es schlicht und einfach, weil wir 1:1 zeigen, was geschieht. Ob’s eine Hochzeit ist, eine Taufe oder sonst was. Das sind ja bei uns große Live-Angebote aus den einzelnen Ländern und die – gerade in Zeiten knapper Gebührenmittel – relativ preiswert sind.

Es ist von rund 200.000 Euro pro Übertragung die Rede.

Ich weiß nicht, woher die Zahl kommt und ich muss mich Gott sei Dank auch nicht damit beschäftigen. Das eigentliche Signal ist jedenfalls sehr preisgünstig und dann fragt man sich eben, welchen Aufwand man vorweg und hinterher betreibt. Das wird meist an der Frage entschieden, ob man überhaupt die Chance hat, vor Ort zu sein. Wir beim NDR haben gute Erfahrungen damit gemacht, aus dem Studio in Hamburg zu kommentieren. Das hat die Sache risikofreier gemacht. Das Publikum interessiert das gar nicht sonderlich. Die Sendeminute ist einfach günstig und wird entsprechend kommentiert. Diese Möglichkeit haben Printmedien nicht.

Die betreiben Kaffeesatzleserei.

Die müssen alles anzuckern und zwar in einem Sinn, der mit Journalismus eigentlich nichts mehr zu tun hat, allenfalls mit Unterhaltung und Erfindungsgeist. Die Yellow-Press ist mehr eine Industrie als eine Informationsquelle. Das der Hamburger Anwalt Prinz fürs schwedische Königshaus tätig wurde, hatte ja nur damit zu tun, dass selbst den geduldigen Schweden der Geduldsfaden riss, als man Prinzessin Victoria erst mit dem einen, dann mit dem anderen verheiratet und am Ende ein Kind in den Arm gelegt hat. Es ist schlicht unglaublich, was da passiert, aber seitdem ist Ruhe im Karton. Interessant, dass die Verlage nur eine Sprache verstehen, nämlich die, auf 500.000 Euro und mehr verklagt zu werden. Man kann davon ausgehen, dass von zwei Geschichten eine auf reiner Phantasie beruht. In der zweiten steckt wenigstens ein kleiner Kern Wahrheit. Wenn man anhand davon mal eine Analyse machen würde, mit wen Victoria schon zusammen gewesen sein soll, wäre es wohl halb Europa. Das ist absoluter Unfug, der einem Unterhaltungsbedürfnis entspringt, das dadurch befriedigt wird.

Der Fernsehkritiker Jürgen Bertram nennt die ARD „elektronisches Goldenes Blatt“, weil über adelige Großereignisse völlig unkritisch und beliebig berichtet wird.

Herr Bertram hat sich ums ARD-Programm offenbar nicht sehr gekümmert. Im Übrigen verweise ich auf das, was Christoph Lütgert Herrn Bertram in der Süddeutschen geantwortet hat, der alles in Grund und Boden geschrieben hat. Herr Bertram hat sich aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk das rausgepickt, was ihn geärgert hat. Zu dem, was er zur die Berichterstattung über Königshäuser geschrieben hat, verweise ich auf die Dokumentation am Ostersonntag. Ich habe mich ihm und anderen kritischen Kollegen gegenüber nicht zu entschuldigen.

Aber Kritik daran, dass ARD und ZDF teilweise stundenlang über dasselbe Ereignis live berichten muss möglich sein.

Das ist so nie gewesen. Beide haben stets eigene Studios aufgebaut und ringsum eigene Geschichten gemacht. Das Ereignis dauert wie beim Fußball etwa 90 Minuten und es gibt vorweg und hinterher Berichte. Bei großen Ereignissen kommen sogar noch andere wie n-tv oder Sat1 hinzu. Da ist es die Entscheidung des einzelnen Systems zu sagen, wir machen es besser, holen mehr Quote als die anderen und meistens ist es für die ARD ganz gut ausgegangen. Ich persönlich habe nichts dagegen, dass die Sender gegeneinander antreten wie bei so vielen Anlässen in aller Welt, wo Brennpunkte gegen Brennpunkte gesetzt werden.

Sie berichten bereits seit dem 30. Geburtstag von Prinz Charles über Königshäuser.

Wenn Sie so wollen, sogar schon länger. Ich habe den ersten Besuch der Königin in Deutschland mitgemacht, als junger Reporter des NDR in Hannover. Dass das noch mal ein besonderes Interessengebiet von mir werden würde, wusste ich 1965 noch nicht. Als ich Korrespondent in London war, habe ich aber in der Tat in einer 45-minütigen Sendung dargestellt, wie sich ein künftiger König auf seine Aufgabe vorbereitet.

Seither haben Sie alle europäischen Regenten gesprochen bis auf die Queen.

Ich habe oft mit ihr gesprochen, aber ich habe sie nie interviewt. Es gibt nämlich keine Interviews mit ihr und ich würde ihr raten, das auch im hohen Alter zu unterlassen. Um ein Haus hab ich mich nie gekümmert – das von Monaco.

Ach was.

Das war für mich immer ein reines Glamourhaus, das mich nie interessiert hat.

Wie wichtig ist Distanz für das Medienthema Monarchie, etwa im Falle der Queen?

Das ist für einen Ausländer nicht schwierig. Ich befinde mich ja nicht unter ihrer Herrschaft, bin ab und zu mal da und denke, dass ich gerade im Kontakt mit kundigeren britischen Kollegen, die ja auch in der Dokumentation vorkommen, immer einen Fuß am Boden behalte und nicht zu enthusiastisch werde. Weder bei dem einen noch bei dem anderen Königshaus. Es ist natürlich schöner, mit als über jemanden zu reden. Das ist mal so und mal so, die Nähen sind unterschiedlich. Die Sendung, die ich gerade über das schwedische Königshaus mache, besteht weitestgehend aus Originaläußerungen des Königs und der Königin.

Fehlt Ihnen noch ein Interviewpartner in Ihrer Sammlung?

Ach, nein. Und ich hab’s auch nicht überall versucht. Wem Blut an den Fingern klebt, hat es mich nie interessiert. Das sind dann jene, die Sie bei der Frage im Visier haben: Wie kann man sich nur für Königshäuser interessieren!?

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