Body Count, Formation, Autisti, Alex Savior

Body Count

Wenn die Revolution wirklich ihre Kinder frisst, war sie bei Body Count besonders hungrig. Drei der fünf Pioniere des Crossover aus Hip-Hop und Hardrock, die Ende der 80er erstmals gegen den staatlichen Rassismus der USA anbrüllten, sind längst tot. Für Frontmann Ice-T aber ging der Kampf weiter; schließlich änderte sich selbst mit Barack Obama wenig an jener Blaxploitation, der die Gangsta-Rap-Ikone schon unter Ronald Reagan testosteronsatten Zorn schwarzer Selbstermächtigung entgegen geschleudert hatte. Niemals aber nach dem Krieg gab es bessere Gründe für antirassistischen Furor als mit dem WASP-Berserker Trump im Oval Office.

Vielleicht erklärt das, warum Bloodlust exakt so brutal klingt, wie es betitelt ist. Das musikalische Accessoire knüppelharter Gitarrenriffs ist der Dominanz eines Speedcores gewichen, der akustisch dauernd an Polizeigewalt im Ghetto erinnert. Bloodlust covert also nicht nur bisweilen Slayer, es beschleunigt deren Thrash Metal, bis vom Hip-Hip nur ein Sprechgebrüll übrig bleibt, dem man sich jetzt wie einst kaum entziehen kann. „I’ve been talking about this shit for over twenty years“, rappt Ice T in Black Hoody, während Ernie C wie 1989 seine Saiten malträtiert. Es wirkt nicht, als würde die zwei Relikte je damit aufhören. Gut so.

Body Count – Bloodlust (Sony)

Formation

Die leichtere, entspannte, die Pop-Variante des Crossover mit emanzipatorischer Stoßrichtung verrührt hingegen eine Band namens Formation. Auf ihrem Debütalbum besingt das blutjunge Quintett um die äußerlich ansehnlichen Brüder Will und Matt Ritson aus der englischen Eliteuniversitätsstadt Oxford gesellschaftliche Missstände spürbar mit großer Hingabe. Andererseits beinhaltet Look At The Powerful People trotz zart angedeuteter Gesellschaftskritik, etwa ein paar Querverweisen aufs Dilemma eines schönen Lebens im Falschen, nichts Rohes, Rabiates, Zorniges. Es dominiert ein lustvoll swingender Mix aus jazzigem Funk und technoider Disco mit einer Ladung alternativem Glamrock.

Den Ballast der entfaltungswidrigen Realität formuliert er dabei eher ästhetisch als inhaltlich: Mit einem hochglänzenden Motorrad-Video aus der britischen Betontristesse zum Beispiel, gedreht von keinem geringeren als Mike Skinner aka The Streets. Oder einer selbstreferenziellen Endlosschlägerei im öffentlichen Nahverkehr namens A Friend, die das ewige Musik-Thema Freundschaft artrockig ummantelt als Gewaltorgie inszeniert. Der British Cool von heute hat wieder Spaß am Krawall. Und trotzdem Soul.

Formation – Look At The Powerful People (Warner)

Autisti

Der Schweizer Cool von heute hingegen hat keinerlei Soul, aber umso mehr Spaß am Krawall, der allerdings tief aus der Seele zu stammen scheint. Das Trio hinter dieser Konstellation des LoFi-Punk heißt Autisti. Es besteht aus der Folk-Sängerin Emilie Zoé und dem Soundakrobaten Louis Jucker, die beide sehr schrill Gitarre spielen und dazu sehr verschroben singen, was auf dem bandbetitelten Debütalbum auch darum so fabelhaft klingt, so angenehm durchgedreht und schräg schön, weil Studio-Schlagzeuger Steven Doutaz dem Ganzen eine prachtvolle Ladung Tempotrash verpasst.

Das Ergebnis klingt ein wenig wie die Supergroup aus Can und den Pixies beim Rückkopplungsweltrekordversuch mit Mudhoney. Heiter übersteuerte Riffs und Drums schieben sich da unter die Dissonanz zweier Stimmen, die nicht harmonieren, sondern verunsichern wollen. Dass kein Bass zu hören ist, macht die acht Tracks dabei nur noch schepperigiger. Trotzdem mangelt es den englischsprachigen Rotzfahnen nicht an Tiefe und Grundierung. Grunge is back, wenn man so will. Der pre-Nevermind-Grunge. Nur her damit!

Autisti – Autisti (Hummus Records)

Alexandra Savior

Alte Seelen in jungen Körpern haben oft Beschwerliches, aber vielfach auch Erlösendes durchgemacht. Bei Alexandra Savior ging das schon vor der Geburt los. Als Ihre Mutter schwanger war, blockierte der Fötus einen Gebärmutterhalskrebs, weshalb beide wie durch ein Wunder überlebten. Und das hat nicht nur Alexandras Gemüt geprägt, sondern auch die Stimme. Kaum volljährig, sang das amerikanische Naturtalent mit so viel Melancholie von sich selbst und dem, was Menschen zu Menschen macht, dass Alex Turner (Artic Monkeys) auf sie aufmerksam wurde und ein erstaunliches Debütalbum mit Alexandra Savior gemacht hat.

Belladonna of Sadness vereint dabei den gediegenen Sixties-Cool von Turners Sideprojekt The Last Shadow Puppets mit dem Schwermut von Nancy Sinatra zu einer getragenen Retropopattitüde, die beim Zuhören fesselt wie ein alter Film mit Steve McQueen. Kein Wunder, dass ihr Sound zuvor schon in der HBO-Serie True Detective zum Einsatz kam. Ein hinreißend schwulstiges, vielfach fast melodramatisches, aber durch und durch hinreißendes Album voll trauriger Schönheit und und umgekehrt.

Alexandra Savior – Belladonna of Sadness (Columbia)

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