Martin Suter: Weltliteratur & ARD-Allmen

Optimismus ist immer hilfreich

Fast jeder von Martin Suters Romanen wird mittlerweile verfilmt. Mit Heino Ferch als Titelheld erwacht nun auch der nostalgische Aristokrat Allmen zu neuem Leben (29. April und 6. Mai, 2015 Uhr, ARD). Ein Gespräch mit dem 69-jährigen Bestsellerautor (Foto: Sven Teschke), einem der weltweit meistgelesenen Schriftsteller im deutschsprachigen Raum, über unvernünftigen Hedonismus, stillosen Reichtum und die Kraft der Zuversicht.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Herr Suter, sind Sie besonders hedonistisch veranlagt, also den schönen Dingen des Lebens auch ohne Rücksicht auf alle Vernunft fröhlich zugewandt?

Martin Suter: Ich muss zugeben, dass Sie mit dieser Vermutung nicht ganz daneben liegen.

Worin zeigt sich das?

Nun, ich mag zum Beispiel schöne, also durchaus auch teure Hotels. Und offen gestanden besitze ich wie meine Romanfigur Johannes Friedrich von Allmen weit mehr Anzüge als ich unbedingt brauche, um mich bloß warmzuhalten.

Dieser formvollendete, aber leider heillos verschuldete Gentleman wirkt zumindest in der verfilmten Fassung als permanente Feier des gediegenen Geschmacks, obwohl ihn sich die Hauptfigur schon längst nicht mehr leisten kann…

Und so wirkt er auch in den Romanen. Ich mag Leute, die schöne Dinge mögen. Und Hochstapler empfand ich schon immer als besonders sympathische Figuren. Damit dürfen Sie aber nun nicht wieder Rückschlüsse auf den Autor, also meine Person ziehen.

Ist Ihr Hochstapler der Allmen-Reihe in seiner eleganten Art elitärer Noblesse aus der Zeit gefallen oder angesichts einer wachsenden Schicht finanziell sorgloser Millionäre allerorten schon wieder modern?

Er ist definitiv aus der Zeit gefallen. Schauen Sie nur mal auf die Vereinigten Staaten: Die Vulgarität, die in der Wirtschaft und Politik Einzug gehalten hat, erschreckt mich mittlerweile zutiefst. Den heutigen Millionären jedenfalls fehlt es ganz im Gegensatz zu dem im Film meistens an Stil.

Da klingt fast ein wenig Enttäuschung durch.

In der Tat. Deshalb versucht mein Johannes Friedrich von Allmen diesen Typus vergangener Epochen im Roman ja auch mit viel Hingabe zu verkörpern. Und ich finde, es gelingt ihm im Roman dabei ebenso schön wie Heino Ferch in der Verfilmung. Er wurde dafür ja nicht umsonst mit dem Hessischen Film- und Kinopreis ausgezeichnet.

Hat ihm da womöglich seine aristokratische Körperhaltung geholfen, die er sich aus Zeiten als reitender Kunstturner bewahrt hat?

So etwas kann tatsächlich nur hilfreich sein. Seine Noblesse jedenfalls lässt mich jenen Protagonisten, den ich einst beim Schreiben im Kopf hatte, nahezu vergessen. Dummerweise gab es bei diesem Filmpreis nur einen ersten Platz, denn auch die zweite Hauptfigur Carlos wird von Samuel Finzi so gespielt, wie sie literarisch gedacht war und ist.

Ist der Zweiteiler dennoch mehr Interpretation als Adaption Ihrer Bücher?

Gute Verfilmungen sind meistens mehr Interpretation als Adaption, aber hier dreht sich das Verhältnis schon ein wenig um. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten: von allen Verfilmungen meiner Bücher ist die Allmen-Serie bislang nicht nur am elegantesten, sondern auch am stilsichersten.

Ihre anderen Bücher, etwa Ein perfekter Freund oder auch Der Koch, bestechen vor allem durch eine nüchterne, extrem präzise Betrachtung zwischenmenschlicher Zustände, während es bei Allmen stets funkensprühend zugeht und oft genug skurril. Wie kam es zu diesem Gattungswechsel?

Meine Romane sind meistens Würdigungen eines bestimmten literarischen Genres. Die Allmen-Reihe etwa ist eine Hommage an die Gattung der Serienkrimis. Auch, weil ich die Autoren solcher Reihen manchmal darum beneidete, dass sie nicht jedes Mal Personen und Schauplätze einführen müssen.

War die Verfilmbarkeit dabei gewissermaßen schon mitgeschrieben?

Nein, ich denke beim Schreiben niemals an die möglichen Verfilmungen. Ich baue meine Geschichten zwar gerne als Szenenfolgen auf, aber das hilft den Drehbuchautoren meistens nicht beider Arbeit. Im Gegenteil.

Atmosphärisch, vor allem aber ästhetisch wirkt das Ganze dabei wie eine Hommage an die Heist-Movies der Sechziger. Hätten Sie es auch in dieser Mischung aus James Bond, Oceans’s Eleven und Graf Yoster inszeniert?

Inszenieren ist nicht so mein Fach, bedaure. Aber ich war wirklich angenehm überrascht von der Stilsicherheit des Settings oder auch der Garderobe. Und ich freue mich über schauspielerische Leistung und Regie ebenso wie über das nostalgische Flair der Filme.

Verspüren Sie selbst diese Sehnsucht nach Nostalgie, die Thomas Bergers Regie permanent ausstrahlt?

Nein, nein. Die Allmen-Romane sind reine Fiktion und strahlen wie die Adaptionen fürs Fernsehen allenfalls die Sehnsucht nach Nostalgie des Protagonisten aus.

Was den kennzeichnet, ist seine unwiderstehliche, unverbrüchliche Zuversicht. Ist Ihnen dies beides auch zueigen?

Eine gewisse Zuversicht habe ich zum Glück schon in den Genen. Im Übrigen gilt: Ich versuche mich möglichst aus meinen Romanfiguren herauszuhalten. Aber natürlich bin ich es, der schreibt. Insofern haben alle und hat alles immer auch ein wenig etwas von mir.

Braucht es in der weltpolitischen Lage unserer Zeit mehr solcher Optimisten oder eher rationale Analytiker?

Ich glaube, Optimismus ist in diesen Zeiten immer hilfreich. Und sei er noch so unangebracht.

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