L. A. Takedown, A. Schrader, Mogli, Fayzen

L. A. Takedown

Wenn etwas klingt wie Thin Lizzy oder Joe Satriani, dann muss das nicht zwingend nur Schlechtes bedeuten. Wenn etwas klingt wie Air oder Jean-Michel Jarre schon gar nicht. Wenn allerdings etwas klingt, als würden sich all die genannten Künstler auf verschiedenen Drogen zum Instrumenten-Tausch treffen, darf man da ruhig ein bisschen skeptischer sein. Ganz kurz zumindest. Bis einem das zweite Album des Filmkomponisten und Popproduzenten Aaron M. Olsen mit dem sinnigen Titel II vor den Latz gekannt wird. Es klingt exakt so, als hätte seine siebenköpfige Band einen Übungsraum gefunden, der groß genug für so viel geballten Crossover mit so viel geballtem Aberwitz. Und es klingt fantastisch.

Trotz und wegen der vielen Gitarrensoli, die eigentlich gar keine Gitarrensoli sind, weil sie im Grunde nie ganz verstummen. Über alle, wirklich alle zwölf Tracks fegen unablässig gepickte Ricky-King-Gedächtnis-Riffs hinweg, die vermutlich jedes vergleichbare Werk bis zum Würgereiz verunstalten würden. Im Umfeld der oft karibisch angehauchten Instrumentals im Lo-Fi-Tempo jedoch wirkt der Dauerbeschuss des kalifornischen Kleinorchesters irgendwie mitfühlend, fast liebevoll. Als sprächen die entfesselten Krautrocksaiten mit dem Flitterpop ringsum.

L. A. Takedown – II (Domino)

Albrecht Schrader

Was zu tun ist, wenn man den Schlager hasst und den Pop liebt, wenn das Bouquet süffig sein darf, im Abgang jedoch herb, wenn sich das Leben der Realität entziehen will, ohne ihr zu entfliehen – dann gibt es von Voodoo Jürgens über Friedrich Sunlight bis Malakoff Kowalski bereits ein Angebot, das allerdings kaum genug erweitert werden kann. Im erlauchten Kreis des kritischen Eskapismus heißen wir daher Albrecht Schrader herzlich willkommen. Auf seinem Debütalbum Nichtsdestotrotzdem wärmt er den Diskurspop seiner Heimat Hamburg mit einer Tatsachenlyrik, der Flucht ebenso fremd ist wie Zynismus.

„Fremde Wörter in der Sprache/andere Sitten am Tisch/junge Türken in der SPD/harte Drogen auf der Straße/zu viel Gräten im Fisch/zwei Männer küssen sich am See“ erzählt er mit nasalem Caféhaus-Singsang, fügt zur tragikomischen Jammerorgel im Kammertonmoll hinzu, „es wäre nicht anders ohne dich“, und überhaupt komme es darauf an, „dass du sagst – ist mir egal“. Sanfter wurde ein zeitgemäßer Grundzweifel an der eigenen Relevanz im grassierenden Individualismus selten zu Alltagsprosa verarbeitet. Ein famoses Album für die innere Immigration, ohne den Mainstream ganz hinter sich zu lassen.

Albrecht Schrader – Nichtsdestotrotzdem (Sony)

Mogli

Wenn sich ein Sound wirklich glaubhaft ins Schneckenhaus eigener Befindlichkeiten zurückzieht, dann ist es fraglos die blumenumrankte Trailerparksiedlung des Folk und noch fragloser deren neue Bewohnerin: Mogli. Bewehrt, fast gepanzert mit der tröpfelnen Emotionalität ihrer Gitarre und ein paar flatternden Pianoeinsprengseln singt das Feenwesen so zart, so fragil von der Zerbrechlichkeit ihrer Seele im Sturm der Realität, dass man intuitiv nur mit größter Vorsicht am Lautstärkeregler dreht. Kein Jahr nach dem vielbeachteten Plattendebüt Bird streut es auf Wanderer zwar mehr echte, teils computergenerierte Beats ins analoge Songwriting; Stücke wie Waterfall oder Milky Eyes klingen da beinahe schon wavig.

Und wenn Mogli in Walls den inneren Hippie kurz mal Hippie sein lässt, dann entfaltet ihr entrückter Gesang fast schon eine Art von Soul. Ansonsten aber wirkt das musikalische Ergebnis einer Reise im ausgebauten Schulbus von – so lautet die Legendenbildung – Alaska die Westküste runter Richtung Mexiko jedoch erneut, als hätten sich die Cranberries mit The XX vereinigt, um einen Trampelpfad zwischen Folk und Pop zu finden, der noch nicht ganz ausgetreten ist. Es ist ihr ziemlich gut gelungen.

Mogli – Wanderer (H‘Art)

Fayzen

Poppoeten sind seit Jan Böhmermanns Poppoeten-Bashing im Neo Magazin ein wenig mehr in Verruf geraten als sie es zuvor bereits verdient hatten. Wenn der Poppoet Fayzen Poppoeten-Schweiß wie “Ich sehne mich nach Halt” oder “Mein Herz ist traurig” oder “Ich hab Blumen im Kopf” oder “Yeah Yeah Yeah” absondert, darf er sich also nicht wundern, in die Poppoeten-Ecke gedrängelt zu werden. Nur: Da gehört er zwar durchaus hin, aber an dieser Stelle muss man das mit den Poppoeten kurz mal relativieren. Statt einer telefonbuchlangen Liste chartsgestählter Geisterkomponisten hat der Sohn eines persischen Einwanderers nämlich 14 befreundete Musiker im Rücken. Und statt Poppoesie machen sie gemeinsam poetischen Pop, was ein Unterschied ist.

Wie die 15 handgemachten, emotional schwer angefassten Stücke über Kindheit, Leben, Liebe von Fayzen Zoroofchi erzählen, das geht trotz alöer Gefühlsduselei schon auch schwer zu Herzen. Mitverantwortlich dafür ist seine Sozialisation als Rapper auf den Straßen seiner Heimatstadt Hamburg, von deren autobiografisch bedeutsamen Ecken er mehr erzählt als singt. Sein Flow ist dabei angenehm weich, aber nicht schwulstig, die Musik im Hintergrund vielschichtig und doch aufs Wesentliche des urbanen Folk beschränkt. Es schimmert demnach deutlich mehr Moritz Krämer oder Freundeskreis aus den Harmonien als Max Giesinger und Philipp Poisel. Willkommen, liebe Poppoeten zurück auf dem Planeten Respekt!

Fayzen – Gerne Allein (Vertigo)

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